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Afghanische Taliban auf dem VormarschDer zweite Verlust von Musa Qala

Die Taliban verstärken ihre Offensive auch im Süden. Wieder wird um Helmand gekämpft, das symbolisch wichtige Opiumhandelszentrum.

Blick von einem Wachposten der Regierungskräfte auf eine Straße im Distrikt Gereshk in der Provinz Helmand. Foto: dpa

Berlin taz | Nachdem bisher besonders der frühere Bundeswehrstandort Kundus im Fokus der diesjährigen Offensive der Taliban stand, wird jetzt auch in deren südafghanischen Hochburgen wieder gekämpft. Mitte der letzten Woche eroberten sie zeitweilig mit Musa Qala schon das zweite Distriktzentrum in der Provinz Helmand.

Die Taliba brannten den Amtssitz des Distriktgouverneurs, die Polizeistation, eine Klinik und eine Schule nieder. 25 Soldaten und Polizisten seien getötet worden, viele verwundet, 50 würden vermisst. Auch drei US-Luftschläge, bei denen vor einer Woche 40 Taliban ums Leben gekommen sein sollen, konnten die Angreifer zunächst nicht aufhalten. Schon vier Wochen vorher war ihnen der Nachbardistrikt Nausad in die Hände gefallen.

Am Sonntagvormittag meldete das Verteidigungsministerium in Kabul, Regierungstruppen hätten die Kleinstadt zurückerobert und dabei 220 Taliban getötet. Aber die Kämpfe halten lokalen Journalisten zufolge an. Auch sei nur der vorherige Zustand wieder hergestellt worden: Die Regierung kontrolliert das Distriktzentrum, die Aufständischen die meisten Gebiete rundherum.

Der Distrikt Musa Qala liegt im Norden Helmands. Der gleichnamige Hauptort beherbergt einen wichtigen Drogenumschlagplatz und ist Zentrum des afghanischen Mohnanbaus. Etwa zwei Drittel der afghanischen Jahresgesamtproduktion von 7.500 Tonnen Opium kommen aus Helmand.

Mindestens 60 Distrikte sind von einer Taliban-Übernahme bedroht

Für die 140.000 Einwohner Musa Qalas wird sich nicht viel ändern. Sie sind gewöhnt abzuwarten, wer für die nächste Zeit dort die Oberhand haben wird. Zu oft hat die Kleinstadt schon ihren Besitzer gewechselt. Schon im Februar 2007 war sie einmal von den Taliban gestürmt und dann im Dezember von britischen und afghanischen Truppen zurückerobert worden.

Zuvor hatten die dort von den Taliban belagerten britischen Truppen versucht, sich über ein Abkommen aus deren Umklammerung zu befreien. Dieses Vorgehen war von örtlichen Stammesältesten vorgeschlagen und vermittelt worden. In einem Modellversuch sollten in einer kleineren geografischen Einheit die Kämpfe beendet, der Wiederaufbau ermöglicht und dabei sogar die Taliban miteinbezogen werden.

Das Abkommen vom 7. September 2006 hielt 142 Tage. Es scheiterte, weil die Amerikaner damals noch jeden politischen Kontakt mit den Taliban ablehnten. Dies änderte sich erst unter Präsident Barack Obama. In Musa Qala griffen US-Truppen damals – ihrer Ansicht nach außerhalb des Geltungsbereich des Abkommens – eine Taliban-Gruppe an. Die Taliban sahen das Abkommen verletzt und marschierten in Musa Qala ein.

Kontrolle auch eine Frage des Prestige

Seitdem wurde die Kontrolle darüber – abgesehen vom wirtschaftlichen Wert der dortigen Drogenproduktion – zu einer Prestigefrage. Die Briten verloren rund 400 Soldaten in Helmand, viele davon in Musa Qala

Neben Musa Qala und Nausad befinden sich acht der 14 Distrikte Helmands ganz oder teilweise unter Taliban-Kontrolle, darunter der Nachbardistrikt Baghran schon seit etwa zehn Jahren, sowie Teile von Kadschaki mit einem wichtigen Wasserkraftwerk.

Landesweit halten die Taliban zur Zeit mindestens zehn von 400 Distrikten vollständig. Das hört sich nicht viel an, aber mindestens 60 weitere sind von einer Taliban-Übernahme bedroht.

Der Norden Helmands gehört zudem zu einem Band dünnbesiedelter Gebiete, das vom Iran im Osten bis Pakistan im Westen reicht, zwar von Enklaven unter Regierungskontrolle durchzogen ist, aber schon seit Jahren eine konsolidierte Inlandbasis der Taliban darstellt.

Regierungskräfte können nur reagieren

Die afghanischen Streitkräfte halten weiterhin alle 34 Provinzhauptstädte, sind aber angesichts der über das Land verteilten Taliban-Minioffensiven oft nur in der Lage zu reagieren, wenn Gefahr im Verzug ist.

Darauf scheint auch die Strategie der Taliban zu beruhen: langsam in peripheren Gebieten Boden gut machen und einen Auszehrungskrieg führen, in dem der Regierung langsam die Luft ausgeht. Bisher kann sie sich noch auf Finanzhilfe des Westens stützen. Aus den stagnierenden Eigeneinnahmen könnte sie allein nur ein Drittel des auf sechs Milliarden US-Dollar geschätzten Militäretats abdecken.

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