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AfD und der Messerangriff in ReutlingenErst war's der Prakti, dann ein Fake

Ein Twitter-Account verbreitet im Namen der AfD Reutlingen grenzwertige Nachrichten. Die Partei redet sich auf Facebook raus. Und legt nach.

Eine Shisha am Tatort in Reutlingen: „von daher ist der Hintergrund klar“ Foto: dpa

Berlin taz | Ein junger Mann geht in Reutlingen mit einem Dönermesser auf eine Frau los und tötet sie. Auf der Flucht verletzt er fünf Menschen, bis er schließlich in ein Fahrzeug läuft und so auf seiner Flucht gestoppt wird.

Es stellt sich heraus, dass der 21-Jährige ein syrischer Asylbewerber ist. Ein Twitter-Account mit Namen „@AfD_Reutlingen“ nutzt diese Information nur wenige Stunden nach der Tat für Machtfantasien und rassistische Hetze. „Wären wir an der Macht, wäre dies nicht passiert“, twittert der Account zunächst mit den Hashtags „Reutlingen“, „Terroranschlag“ und „Machete“. Im Minutentakt folgen weitere Mitteilungen, teils gespickt mit Rechtschreib- und Grammatikfehlern: „Wir wollen das (sic!) Deutschland wieder funktioniert“, „Zwei Anschläge innerhalb von einem Wochenende. Zufall?“ und „Es ist ein Moslem gewesen von daher ist der Hintergrund klar“.

Inzwischen zeigt sich, dass der Hintergrund so klar nicht ist, die Polizei geht von einer Beziehungstat aus. Über die Hintergründe der Tat war zum Zeitpunkt der Tweets wenig bis nichts bekannt. Dem Verfasser scheinen die Posts bereits kurze Zeit nach der Veröffentlichung peinlich gewesen zu sein. Am späten Abend ruderte „@AfD_Reutlingen“ zurück. „Wir bitten vielmals um entschuldigung.Ein Praktikant hatte die letzten 5 Stunden zugriff auf diesen Account.“ „Daher entsprechen alle in dieser Zeit geposteten Tweets nicht unsere Meinung.“ (sic!)

Mittlerweile ist der Account gänzlich gelöscht. Auf der (offenbar echten) Facebook-Seite des AfD-Kreisverbands Reutlingen ist von einem verwirrten Praktikanten nichts mehr zu lesen. Stattdessen sei der ganze Zugang ein Fake gewesen, die AfD Reutlingen poste nicht auf Twitter und werde nun rechtliche Schritte unternehmen. „Wir als Kreisverband Reutlingen haben nie einen Twitteraccount unterhalten. Dabei handelt es sich um einen Account der von jemandem eingerichtet wurde, der uns offensichtlich schaden will. Sowohl die ursprünglichen Nachrichten, wie auch die folgenden waren nicht von uns. Bei uns gibt es auch keinen Praktikanten“, äußerte sich der Wolfram Hirt gegenüber der taz. Die Polizei sei informiert worden.

Der Prakti war's Screenshot: twitter.com/franziska_tsch

Auch auf der Facebook-Seite waren zwischenzeitlich Kommentare zu lesen, die einen ähnlichen Tenor einschlagen wie auf dem angeblich gefakten Twitter-Zugang: „Ihr lasst hier alle möglichen Fremden, von denen ihr oft keine Ahnung habt wer das ist, einfach auf der Straße rumlaufen. Und wenn so einer gegen Gesetze verstößt.. egal!! Juhu wir sind bunt! Hip Hip Hurra!“, dazu ein von der Jungen Alternative geteiltes Bild mit einem Koran und dem Zusatz „Vorsicht! Killerspiel!“ Die Kommentare seien von Facebook „abgeschaltet worden“, so Hirt.

Schon nach dem Amoklauf in München twitterte André Poggenburg am Freitagabend seine Bewertung in die Welt, bevor überhaupt erste Erkenntnisse über den Täter vorlagen. „Einheitspartei Merkel: danke für den Terror in Deutschland und Europa“, schrieb der AfD-Chef von Sachsen-Anhalt. Der sächsische AfD-Landesverband schloss sich an: „Der Terror ist wieder zurück! Wann macht Frau Merkel endlich die Grenze dicht!“

Nicht nur mit vorschnellen Äußerungen schmückt sich die AfD. In der Vergangenheit provozierten AfD-PolitikerInnen immer wieder in sozialen Netzwerken, löschten ihre Nachrichten später und konnten sich anschließend an nichts mehr erinnern. So entfernte die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch einen provozierenden Post nach dem deutschen EM aus („Vielleicht sollte nächstes Mal wieder die Deutsche NATIONALMANNSCHAFT spielen“) kurze Zeit nach der Veröffentlichung wieder. In einer Facebook-Erklärung am nächsten Morgen machte sie die Medien für die Aufregung verantwortlich.

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Update, 26.07.2016: In einer früheren Version hieß es, der Reutlinger Kreisvorstand Wolfram Hirt habe auf eine Anfrage der taz nicht reagiert. Dieser antwortete dann doch: nach Veröffentlichung des Artikels und nach Redaktionsschluss.

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8 Kommentare

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  • Mir ist noch nicht ganz klar, was es denn nun für ein Messer war. Wenn ich nach "Dönermesser" suche, finde ich lediglich Geräte, die einem Bügeleisen ähneln, und wenn ich lese, was eine "Machete" ist, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass damit zuvor Dönerfleisch geschnitten wurde...

     

    War es vielleicht ein einfaches, großes Küchenmesser? Oder war es eine Machete, die als Waffe deklariert und gekauft wurde? Aber vielleicht war es eben auch "nur" ein großes Küchen- bzw. Fleischmesser, was durch den "Ausländer" zum "Dönermesser" bzw. alternativ zur "Machete" wurde...

    • @Hanne:

      Okay, habe jetzt endlich auch Angebote für "Dönermesser" mit langer Klinge gefunden, z.B. hier http://www.ggmgastro.com/pizzeria-grill/doenermesser/donermesser.html

       

      Ist dann aber keinesfalls eine "Machete".

       

      Hier stand mehr zu der Tatwaffe: http://www.dnn.de/Nachrichten/Panorama/Taeter-und-Opfer-von-Reutlingen-waren-ein-Paar

       

      "Nach einem Streit hatte der 21-Jährige seiner Freundin mit einem 60 Zentimeter langen Dönermesser auf den Kopf geschlagen und sie tödlich verletzt."

       

      "Nach dem Waffengesetz ist es verboten, feststehende Messer mit einer Klingenlänge über 12 Zentimetern zu führen. Davon sind ausdrücklich auch Gebrauchsgegenstände umfasst, die nicht als Waffe gelten."

      • @Hanne:

        "Beide waren in einer Gaststätte angestellt" und haben "monatelang zusammen gearbeitet". Da wird das Tatmesser wohl zu seinem Arbeitswerkzeug gehört, und die Auseinandersetzung wird unnmittelbar vor oder während der Arbeit stattgefunden haben.

  • Die AfD ist die AfD. Der eigentliche Skandal ist ewige Verwechslung von Religion und Ethnie, bzw. "Rasse". Wie nennt man das? "Islamophil"?

  • Hmm, das Bekennervideo, das der Attentäter von München vor seinem Amoklauf an die AfD geschickt hat, haben die aber schnell verschwinden lassen, vermute ich mal.

     

    Ernsthaft, leider ist die AfD da nur Ausdruck bzw. Verstärker einer leider gar nicht so seltenen Stimmung. "An die Macht kommen" und dann alle so unterdrücken, dass nicht ein einziger von 80 Millionen mehr mit einem Messer auf andere losgehen kann, ja, davon träumen sie immer gern, die Deutschen.

  • Bei aller richtigen Kritik an der AfD und deren Verhalten, so muss doch auch im Untertitel der TAZ etwas mehr Sorgfalt gepflegt werden: eine twitter Meldung ist für mich noch keine Nachricht. Jedenfalls nicht im journalistischen Sinne.

     

    Ansonsten wertet man jedes Gezwitscher zu einer Nachricht auf.

    • @fly:

      Nach dem eigenen Verständnis des Unternehmens "Twitter Inc.", sowie der Nutzer des angebotenen Dienstes und der allgemeinen öffentlichen Rezeption ist "Twitter" ein Mikroblogging-Dienst für KurzNACHRICHTEN, "Tweets" genannt.

      • @cursed with a brain:

        Im Endeffekt geht es lediglich darum, was man sich denn unter "Nachricht" vorstellt. Ich schreibe auch Nachrichten... an Leute... aber nicht auf Twitter... und vermutlich auch bald nicht mehr auf facebook...