AfD gegen Verfassungsschutz: Rechte entdecken Vielfalt für sich
Beim Prozess zur Einstufung der AfD gibt sich der rechte Scharfmacher Maximilian Krah handzahm. Ein Urteil ist noch fern.
Der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl gab ein etwas mitleidiges Bild ab, war offensichtlich krank erschienen und hustete immer wieder zwischen seinen Ausführungen. Am Ende schloss er: „Das Leben ist bunt, es lebe die Vielfalt.“
Zusammenfassen lässt sich Krahs Vortrag mit: Er wolle doch nichts Böses. Er sei „ein Gegner der Assimilation“, behauptet er. Die AfD wolle nicht die private Ausübung des Islams einschränken. Nur das öffentliche Leben solle nach einer deutschen Leitkultur funktionieren. Das sei doch wie bei der CDU und in keiner Form verfassungsrechtlich bedenklich.
Wegen des Hustens warf ihm Richter Gerald Buck mitleidig einen Hustenbonbon zu. Und vielleicht war es wirklich auch nur das Breitband-Antibiotikum, was aus Krah sprach, als er versuchte, den rassistischen Markenkern der AfD zu verleugnen.
Beobachter*innen rechnen der AfD schlechte Chancen aus
Krahs Vortrag spielte am Donnerstag auf dem dritten Verhandlungstag im Mammutprozess der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Partei klagt gegen ihre Einstufung als „rechtsextremer Verdachtsfall“. Der Geheimdienst gewann die erste Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln, vor dem Oberverwaltungsgericht läuft seit einem Monat die Berufungsverhandlung.
Die meisten Beobachter*innen rechnen der AfD schlechte Chancen aus. Wohl deshalb versuchen die AfD-Anwälte den Prozess zu verschleppen: Auch im Vorfeld des dritten Verhandlungstages hat die AfD noch einmal mehr als 400 Beweisanträge gestellt, will ein Urteil vor den Landtagswahlen im Osten verhindern.
Denn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hat große Bedeutung auch mit Blick auf eine mögliche Hochstufung der Partei als „gesichert rechtsextrem“ und für ein mögliches Verbotsverfahren. Denn seit der Einstufung als „rechtsextremer Verdachtsfall“ hat die AfD sich weiter radikalisiert und wird mittlerweile vom extrem rechten Flügel um Björn Höcke dominiert.
„Pauschal diskriminierende Abwertung“
Und der sieht das mit dem Volksbegriff nämlich so, wie man es sonst auch von Krah kennt. Das betonte dann auch der Anwalt des Verfassungsschutzes, Wolfgang Roth. Die AfD unterscheide zwischen Staatsangehörigen und ethnischem Volk, verbunden mit einer pauschal diskriminierenden Abwertung von Menschen mit Migrationshintergrund bis hin zu Bürgern zweiter Klasse. Das könne man nicht nur aus dem Programm herauslesen, wenn es um den „Erhalt der ethnischen Identität“ gehe, sondern noch deutlicher aus vielen Äußerungen von Krah.
Roth verwies auf dessen zahlreiche Tweets in der umfangreichen Materialsammlung zu den verschwörungsideologischen Konzepten der „Umvolkung“ und des „Großen Austauschs“. „Wir wollen nicht diesen Meltingpot“, habe Krah gesagt. Oder bedauert, dass „Masseneinwanderung die ethnische Struktur der Bevölkerung grundlegend verändere“. In seinem Buch „Politik von rechts“ klage er über 15 Millionen Integrationsunwillige, die Krah – egal ob deutsch oder nicht – zur „Remigration“ bewegen wolle.
Roth hätte wohl noch viele weitere unappetitliche Zitate wiedergeben können, wenn der Vorsitzende Richter Gerald Buck ihn nicht irgendwann gestoppt hätte: „Wir kennen alle diese Zitate. Wir haben alles gelesen. Bitte keine weiteren Zitate. Unser Besprechungsraum ist durch die Akten erheblich kleiner geworden.“ Tatsächlich umfasst das Material des Prozesses tausende Aktenseite auf 20 Aktenmetern.
Etwas absurd wurde es, als Krah aus seinen guten Verbindungen in autoritäre Regime das Argument ableiten wolle, er könne doch kein Rassist sein – schließlich beschäftige er einen Mitarbeiter mit chinesischem Migrationshintergrund und sei mit einer Slowakin verheiratet. Es wurde nicht besser, als die AfD-Anwälte behaupteten, der „Einzelfallticker“ – eine Art Internet-Sammlung von Gewalttaten, mit denen die AfD gegen Minderheiten hetzt – sei nicht zynisch gemeint und solle niemanden pauschal unter Verdacht stellen.
AfD-Bundesvorstand bestreitet Islamfeindlichkeit
Mitangereist war am Donnerstag auch der AfD-Bundesvorstand Peter Boehringer, der in Mails gerne mal vom „vergewaltigten Volkskörper“ oder der „Merkelnutte“ schreibt, sich hier aber verhältnismäßig handzahm präsentierte.
Er sollte für die AfD-Programmkommission sprechen und deutlich machen, dass die Vielzahl der Zitate sich ja nicht auf die Programmatik auswirkten. Einen Rechtsruck habe es in der AfD nicht gegeben, behauptete Boehringer, und überhaupt: „Es ist doch nicht verboten, einem konservativen Weltbild anzuhängen, das vor 20 Jahren noch ganz normal war.“
Und beim Punkt „Islamfeindlichkeit“ behauptete Boehringer tatsächlich, dass Hans-Thomas Tillschneider, Vize-Landesvorstand aus Sachsen-Anhalt und einer der radikalsten AfD-Politiker überhaupt als Islamwissenschaftler einen sehr differenzierten Blick auf den Islam habe.
BfV-Anwalt Roth konterte schlicht mit Aussagen von Tillschneider selbst. Der etwa sagte, dass es falsch sei, „zwischen Islam und Islamismus zu unterscheiden“ und dass das „Grundgesetz nicht für den Islam“ gemacht wäre. Vor einem Jahr hat Tillschneider gar wörtlich zum „Krieg gegen die Bundesregierung“ aufgerufen.
Die Verzögerungstaktik geht zumindest teils auf
Ein weiterer Streitpunkt war die Diskussion um das Demokratieprinzip, das die AfD aus Sicht des Verfassungsschutzes in Frage stelle. Hier führte Roth aus, dass zahlreiche Vergleiche der BRD mit dem NS-Regime oder der DDR-Diktatur eben keine zulässige Oppositionskritik seien, sondern eine illegitime Gleichsetzung, die zudem den Nationalsozialismus verharmlose.
Etwa wenn man nach Corona ein „Nürnberg 2.0“ fordere und Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit den Hauptkriegsverbrechern der NS-Diktatur gleichstelle. Roth sagte, solche Äußerungen legten „die Axt an die freiheitlich demokratische Grundordnung und haben den Boden bereitet für den Sturm auf den Reichstag“.
Das brachte schließlich den am Donnerstag ansonsten eher ruhigen Boehringer auf, der selbst sehr präsent bei Querdenken-Protesten war. Der Bundesvorstand sagte, dass die AfD doch immer wieder von den restlichen Parteien als Nazi-Partei bezeichnet werde – dann müssten doch auch alle anderen Parteien vom Verfassungsschutz beobachtet werden, so seine Logik. Der Richter stellte später klar, dass niemand schutzlos dem Verfassungsschutz ausgeliefert sei. Schließlich seien geheimdienstliche Maßnahmen im Rechtsstaat ja „gerichtlich voll überprüfbar, dafür sind wir ja da.“
Das kann allerdings in dem Berufungsverfahren noch dauern. Immerhin kam die Verhandlung am Donnerstag relativ gut voran – wohl auch, weil Richter Buck mittlerweile eine Routine beim Aufschieben von Beweisanträgen entwickelte. Klar bleibt indes: Ein Urteil wird nicht so schnell fallen – und auch das öffentliche Interesse ist bereits deutlich kleiner, vor Ort waren weniger Journalist*innen als zum Prozessbeginn. Die Verzögerungstaktik der AfD geht also zumindest kurzfristig auf.
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