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AfD bei Ost-LandtagswahlenHöhenflug trotz radikalen Personals

Sie wollten stärkste Kraft in Sachsen und Brandenburg werden: Das gelang nicht, aber die AfD erzielt deutliche Erfolge in beiden Ländern.

Großes Interesse: JournalistInnen umringen die AfD-Politiker Meuthen und Urban Foto: Karsten Thielker

Berlin/Dresden taz | Im Fraktionssaal im sechsten Stock des Dresdner Landtags sind so viele Kameras auf die AfD-Spitze gerichtet, dass diese Mühe hat, die TV-Prognosen zu erkennen. Parteichef Jörg Meuthen, Bundestags-Fraktionsvize Beatrix von Storch und Spitzenkandidat Jörg Urban jubeln bereits, als die Verluste der SPD eingeblendet werden. „Heute ist ein historischer Tag“, ruft Urban kurz darauf. Seine Partei habe die CDU-Hochburg Sachsen „gehörig ins Wanken gebracht“. 28 Prozent der WählerInnen haben nach ersten Hochrechnungen für die AfD gestimmt. Ein Riesengewinn. Aber deutlich hinter der CDU.

Urban wollte mehr: 30 Prozent plus x könne seine Partei holen, tönte er im Wahlkampf. Stärkste Kraft werden. Und regieren. All das hat die AfD nicht erreicht. Im Fraktionssaal liefert Urban gleich eine Erklärung dafür: Das Ergebnis, sagt er, wäre noch besser ausgefallen, wenn es keinen „Anschlag aus den Institutionen“ auf die AfD gegeben hätte. Damit spielt er auf die Querelen um die AfD-Wahlliste an, die nach Formfehlern auf 30 Plätze gedeckelt ist.

Seit der Wahl vor fünf Jahren, bei der die AfD mit knapp zehn Prozent erstmals in einen Landtag einzog, hat die radikal rechte Partei deutlich zugelegt und ihr Ergebnis fast verdreifacht. Ganz so groß sind die Zugewinne in Brandenburg nicht. Hier erzielte die Partei vor fünf Jahren bereits ein zweistelliges Ergebnis (12,2 Prozent). Laut ersten Hochrechnungen lag sie nun bei 24 Prozent und damit zwei Prozentpunkte hinter der SPD. Und das mit einem Spitzenkandidaten, den man getrost als Rechtsextremisten bezeichnen kann.

Andreas Kalbitz, 46, ehemaliger Fallschirmjäger, ist seit 2017 Landes- und Fraktionschef der AfD in Brandenburg. Er steht mit Björn Höcke an der Spitze des „Flügels“, des rechten Sammelbeckens der AfD, das der Verfassungsschutz als extremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Über Kalbitz, der schon mit vielen radikal Rechten gemeinsame Sache gemacht hat, war zuletzt die Teilnahme an einer rechtsextremen Demonstration in Athen 2007 bekannt geworden. Er soll sich mit 13 deutschen Rechtsex­tre­misten, darunter NPD-Chef Udo Vogt, in einem Hotel einquartiert haben, die Reisegruppe soll auf einem Balkon eine Hakenkreuzfahne aufgehängt haben.

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Die AfD hat sich politisch etabliert

Urban, der sächsische Spitzenkandidat, hat eine ganz andere Biografie. Im Gegensatz zu Kalbitz, der in München geboren und aufgewachsen ist, stammt der 55-Jährige aus Sachsen, wo er lange Geschäftsführer des Umweltverbandes Grüne Liga war. Vor der AfD war Urban kurz bei den Piraten aktiv. Während Kalbitz gern holzt, gab sich Urban im Wahlkampf oft gemäßigt. Doch auch er vertritt radikal rechte Positionen und gehört, wie Kalbitz, dem „Flügel“ an. Während die Brandenburger AfD stark auf Protest setzte und versuchte mit Slogans wie „Die Wende vollenden“ den Umbruch in Ostdeutschland zu ihren Gunsten umzudeuten, stellte die sächsische AfD sich bei jeder Gelegenheit als künftige Regierungspartei dar. Beide Strategien scheinen erfolgreich gewesen zu sein.

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„Das Ergebnis ist besser ausgefallen, als ich gedacht habe“, sagt Kalbitz, als die ersten Zahlen bekannt werden. Doch auch er hat sein Ziel verfehlt, die AfD zur stärksten Kraft zu machen. Dennoch: In ihrer zweiten Legislaturperiode wird die AfD nun in beiden Landtagen stärkste Oppositionskraft sein. Sie hat sich politisch etabliert. „Die AfD ist gekommen, um zu bleiben“, so nennt Kalbitz das.

In der Partei werden die Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg – und wohl das der Thüringer Landtagswahl im Oktober – den Rechts-außen-„Flügel“ weiter stärken. Und Höcke hat bereits deutlich gemacht: Bei den Wahlen zum Bundesvorstand, die Anfang Dezember anstehen, wird die Strömung mehr Einfluss einfordern.

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12 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wenn 27,5% der Sachsen Adolf Für Doofe wählen, zeigt das doch, daß 72,5% immer noch selber denken können und das auch wollen.

    • @Jürgen aus Nürnberg:

      ... wobei bei den Zahlen Wahlbeteiligung und Wahlberechtigung berücksichtigt werden müsste.

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Das "trotz" ist falsch und müsste "wegen" heißen.

    • Annette Hauschild , Autor*in ,
      @970 (Profil gelöscht):

      Sehe ich genau so. Diese Wähler sind rechtsradikal und werden es bleiben. Klare Kante, und nicht Umgarnungsstrategie, das ist jetzt notwendig. Und ja, 1932 hat etwa ein Drittel der Deutschen die Nazis auch gewählt. War also "Volkes Will"e, der Faschismus. Damals wie heute

  • Zitat: „Im Fraktionssaal im sechsten Stock des Dresdner Landtags sind so viele Kameras auf die AfD-Spitze gerichtet, dass diese Mühe hat, die TV-Prognosen zu erkennen.“

    Na, da schau her! So sieht es also aus, wenn die Medien der AfD kein Podium geben, weil sie die Folgen nicht nur kennen sondern auch fürchten. War ja womöglich doch nicht die allerbeste Idee, diesen Verein zur Bedrohung für das Abendland aufzublasen, statt die wirklich positiven Alternativen dazu aufzuzeigen (die es ja hoffentlich tatsächlich gibt). Nun führt scheinbar kein Weg mehr an der AfD vorbei.

    Politik geht offenbar ähnlich wie Autofahren: Wenn man sich zu sehr auf die Bäume konzentriert, die so am Straßenrand rumstehen, macht‘s irgendwann „Bumm!“ Und dann? Dann fordern die Überlebenden, alle Straßenbäume bodennah abzusägen. Aufmerksamkeits-Ökonomie heißt das dann im Journalisten-Sprech..

  • Was irgendwie immer noch nicht verstanden wird, "Höhenflug trotz radikalen Personals," der einen Hälfte der Afd Wähler ist das egal und die andere Hälfte findet es gut.

    Da macht doch keiner sein Kreuz woanders, weil Kalbitz mit anderen Nazis in Athen war.

    Das ist doch ein Tagtraum, wenn wir dir Leute nur "richtig aufklären," wählen die wieder neh demokratische Partei.

  • Herzlichen Glückwunsch zum braunen AFD Balken auch von mir

  • Erst durch die Entscheidung des sächsischen Wahlausschusses hat die AfD so stark zulegen können und zugleich trotz Teilkorrektur durch den VerfGH dafür gesorgt, dass der Landtag nicht das tatsächliche Wahlergebnis widerspiegelt. Damit ist der Weg zur stärksten Kraft vorbereitet.

    Sicher, hätte sich die CDU nicht so klar die AfD ausgesprochen, hätte sie nicht so viele Leihstimmen aus anderen Parteien bekommen. Doch genau damit befindet sie sich nun in einer ziemlich schwierigen Situation: Da ihr Koalitionsalternativen fehlen, muss sie den Kleinparteien jeden Wunsch erfüllen und genau darüber stolpern.

    Ähnliches gilt für Brandenburg: Zwar kann sich hier die SPD vorerst in eine RRG-Regierung retten. Doch weit mehr als in Berlin wird diese die Handschrift der Grünen und Linken aufweisen, was bei den nächsten Wahlen ihr Untergang bedeuten wird.

    Selbstverständlich wird das Auswirkungen auf ganz Deutschland haben. Ich wünsche weiterhin viel Spaß. Es wird noch spannend.

  • Nicht trotz, sondern wegen des völkisch-faschistischen Kurses gewannen die Rechtsradikalen.



    Jedes Ernstnehmen der Anliegen als sozialökonomische geht in die Irre.

  • Manchmal ärgere ich mich sehr über meine Lieblingszeitung: Andreas Kalbitz hat lt. Spiegel-Recherche 2007 an der Nazi-Demo in Athen teilgenommen, nicht 2017. Werden Eure Artikel nicht gegengelesen?

  • Was mir gerade auffällt: im Gegensatz zur ARD ist hier die Parteifarbe der AFD korrekt wiedergegeben: scheiße-braun.

    • @Uranus:

      Yup. Dafür ist der taz ein ausdrückliches Lob auszusprechen.

      Bei der FPÖ hat die ARD sich getraut die braun zu machen. Mit der AfD muss man ja weiterhin die Talkshows aufregend halten.....