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AfD-Richtungskampf nach WahlschlappenBürgerliche Bekundungen aus Hamburg

Beim Richtungskampf in der AfD fordert der Hamburger Alexander Wolf mehr Parteinahme für die Ukraine. Er will damit die bürgerliche Mitte erreichen.

Sah schon früher nicht harmonisch aus: Tino Chrupalla (links) und Alexander Wolf im Februar 2020 Foto: dpa / Frank Molter

D ie Kontrahenten bringen sich in Stellung, beim geplanten Bundesparteitag der AfD im Juni kommt es zur großen Abrechnung. Der Parteitag in Riesa könnte für Tino Chrupalla der letzte als Bundesvorsitzender sein. In der AfD wird er für die schlechten Wahlergebnisse bei den Landtagswahlen verantwortlich gemacht. Nicht alle Kri­ti­ke­r:in­nen sind schon aus der Deckung gekommen. Einer im Norden aber schon: Alexander Wolf, stellvertretender Vorsitzender der Hamburger Bürgerschaftsfraktion.

Die AfD schmerzt vor allem, dass der Wiedereinzug ins schleswig-holsteinische Landesparlament nicht gelungen ist. Ein alter Vorwurf an den Landesverband zwischen den Meeren brach neu auf, der auch dem Verband an der Elbe schon gemacht wurde: zu moderat, zu bürgerlich, doch aus der bürgerlichen Mitte würde die AfD kaum noch enttäuschte CDU-Wähler:innen gewinnen können.

Diese Position kontert Wolf nun – wenig überraschend. Mit Blick auf die „bürgerlichen Kreise“ hält er, der auch im Bundesvorstand sitzt, Chrupalla vor, angesichts des Krieges in der Ukraine zu sehr auf der Seite Russlands zu stehen. „Wir sollten uns stärker für den Freiheitskampf des ukrainischen Volkes engagieren, das wäre patriotisch und sinnvoll“, sagte er der Welt.

Und weiter: „Wir haben auch deshalb Stimmen verloren, weil manche Positionierungen aus der AfD so verstanden werden können, dass wir zu nah bei Putin sind.“ Die bürgerliche Mitte stünde jedoch überwiegend auf der Seite der Ukraine. Wolf wurde noch deutlicher: „Dieser Kurs von Tino Chrupalla ist ein Irrweg, der die AfD fast eine weitere Landtagsfraktion gekostet hätte“, betonte er, und: „‚Frieden schaffen ohne Waffen‘ ist eine Kirchentagsparole, nicht die Position der AfD.“

„AfD-Ost“ befürchtet

In den bundesweiten AfD-Konflikten trat Wolf bislang selten öffentlich in Erscheinung. Mit diesen Vorhaltungen greift er nun den Bundesvorsitzenden sowie auch ein mögliches Bundesvorstandsmitglied an: Vor wenigen Tagen hatte Björn Höcke ein Meme mit der Friedensbewegungsparole und einer Friedenstaube sowie seinem Konterfei in mehreren sozialen Medien gepostet. Der Landtagsfraktionschef aus Thüringen deutete unlängst an, für den Bundesvorstand kandidieren zu wollen – erstmals. Schon die Ankündigung, meinen Höcke-Kritiker:innen, habe Wahlzuspruch gekostet.

Mit seiner direkten Kritik ist Wolf nicht allein. Parteiintern wird schon eine AfD-Ost befürchtet. Gleich nach dem Scheitern in Schleswig-Holstein wurde eine „Offensive West“ gefordert. Die Idee hat Chrupalla prompt gekapert, der jetzt eine „Initiative West“ und einen „Westbeauftragten“ ankündigte.

Die Ankündigung dürfte Wolf nicht reichen. Erneut nutzt er den Disput, um sich als bürgerlich-moderat darzustellen. Dabei hatte Wolf 1991 noch einen Arbeitskreis der neurechten Jungen Freiheit geleitet und für die Wochenzeitung geschrieben. Dass deren Chefredakteur Dieter Stein, am 23. Mai in Hamburg in der Reihe „Fraktion im Dialog“ sprechen soll, kann dabei als Stellungnahme verstanden werden: Stein warnt immer wieder vor einem radikalen Kurs der AfD.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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1 Kommentar

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  • Es gibt einen entscheidenden Denkfehler in der gesamten Diskussion um den Diskurs zwischen Rechtsauslegern und bürgerlichen Kräften in der AfD. Die AfD hat in ihrer bisherigen Geschichte bundesweit den größten Zuspruch bei den Wählern erlangt, als sie am härtesten polarisiert hat. Das ist Fakt. Jetzt kann man sich natürlich daran abarbeiten, wie "nazi" die AfD wirklich sei, auch wenn da faktisch nicht wirklich was dran ist, aber der eigentliche Punkt ist doch ein anderer: Der Wähler ist vom bestehenden Politikbetrieb offensichtlich so hart genervt bis total gelangweilt, dass er den Wahlen in Scharen fernbleibt. Was gerade bei der Wahl in NRW ja wieder zu beobachten war. Die Nichtwähler sind mittlerweile die größte Wählergruppe. 45% haben in NRW nicht gewählt. Keine einzige Partei die zur Wahl angetreten ist, hat auch nur ansatzweise so viel Zustimmung erlangt. Eigentlich müssten die Nichtwähler also die Regierung bestimmen. Die Nichtwähler mobilisieren, kann man derzeit offenkundig nur durch Krawall. Und diesen Krawall hat die AfD ja lange geliefert. Seit sie den Krawall zurückfährt, geht auch die Zustimmung im Volk zurück. Die Nichtwähler wollen also jemanden im Politzirkus als Player sehen, der dem bestehenden Parteienapparat kräftig in den Hintern tritt. Es geht gar nicht um links oder rechts. Es geht darum, das Phlegma des über Jahrzehnte verfilzten und verwobenen Altparteienapparates wegzupusten. Wir müssen weg von dem ganzen inszenierten Politzirkus, an dem sich niemals etwas ändert, weil das die Menschen nur noch anwidert und langweilt. Da gibt es eine Diskrepanz zwischen der Notwendigkeit, Probleme zu lösen, und der Selbstpräsentation des Berufspolitikers, der sich letztlich darum gar nicht schert, sondern nur um seine eigene Karriere.