AfD-Prozess in Münster: Faschos bleiben Faschos
Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht hat entschieden: Die AfD darf als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft werden.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das OVG ließ zwar keine Revision zu. Die AfD kann aber Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen. Sie hat auch bereits angekündigt, diesen Weg gehen zu wollen. „Wir werden selbstverständlich die nächste Instanz anrufen“, sagte AfD-Bundesvorstandsmitglied Roman Reusch laut einer Mitteilung der Partei.
Wie auch immer: In Münster hat die Partei nun erst einmal kapitalen Schiffbruch erlitten. Die Befugnisse des Verfassungsschutzes seien „keineswegs grenzenlos weit“, aber eine wehrhafte Demokratie dürfe auch kein „zahnloser Tiger“ sein, betonte Gerald Buck, vorsitzender Richter des 5. Senats, in der Begründung der Entscheidung.
Vor allem bei der Beobachtung einer besonders geschützten politischen Partei müsse der Verfassungsschutz „hinreichend verdichtete Umstände“ vorlegen können, die darauf hinweisen, dass eine Gruppierung möglicherweise Bestrebungen gegen die freiheitliche Grundordnung verfolge. Das sah der Senat im Fall der Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall gegeben.
„Unzulässige Diskriminierung“
Es gebe nach Überzeugung des Senats den begründeten Verdacht, „dass es den politischen Zielsetzungen jedenfalls eines maßgeblichen Teils der AfD entspricht, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen“, hieß es in der Begründung. Das sei laut Grundgesetz eine „unzulässige Diskriminierung“.
So liege dem Senat „eine große Anzahl“ von gegen Migranten gerichtete Äußerungen vor, „mit denen diese auch unabhängig vom Ausmaß ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft systematisch ausgegrenzt werden und trotz ihrer deutschen Staatsangehörigkeit ihre vollwertige Zugehörigkeit zum deutschen Volk in Frage gestellt wird“.
Daneben bestünden hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht, dass die AfD „Bestrebungen verfolgt, die mit einer Missachtung der Menschenwürde von Ausländern und Muslimen verbunden sind“, so das Gericht. Außerdem liegen nach Auffassung des Senats bei der AfD darüber hinaus „Anhaltspunkte für demokratiefeindliche Bestrebungen vor, wenn auch nicht in der Häufigkeit und Dichte wie vom Bundesamt angenommen“.
AfD-Flügel „erwiesen extremistische Bestrebung“
Die AfD hatte sich in dem Berufungsverfahren dagegen gewehrt, dass der Verfassungsschutz die gesamte Partei, den mittlerweile aufgelösten AfD-„Flügel“ und die Jugendorganisation Junge Alternative als extremistischen Verdachtsfall führt. Beim Flügel geht es zusätzlich um die Einstufung als gesichert extremistische Bestrebung. Was das Gericht ebenfalls für rechtmäßig erklärte.
Auch in erster Instanz hatte bereits das Verwaltungsgericht Köln den Verfassungsschützern recht gegeben: Die Richter sahen ausreichend Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der sich seit zehn Jahren kontinuierlich radikalisierenden Partei. Dem schloss sich das OVG jetzt an. Damit darf der Verfassungsschutz die Partei weiterhin mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. Bewertungsmaßstab ist das Bundesverfassungsschutzgesetz.
Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts von Nordrhein-Westfalen zur Verdachtsfall-Beobachtung der AfD hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Eigenständigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz betont. „Das heutige Urteil zeigt, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind“, sagte Faeser am Montag. Der deutsche Rechtsstaat habe Instrumente, um die Demokratie vor Bedrohungen von innen zu schützen. „Genau diese Instrumente werden auch eingesetzt und sind jetzt erneut von einem unabhängigen Gericht bestätigt worden“, fügte die Ministerin hinzu, zu deren Verantwortungsbereich das Bundesamt gehört.
Faeser sagte, der Verfassungsschutz habe einen klaren gesetzlichen Auftrag, gegen Extremismus vorzugehen. Dabei arbeite er eigenständig. Die Bewertung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall sei von der Sicherheitsbehörde sorgfältig begründet und nun bereits in zweiter Instanz für rechtmäßig befunden worden. „Im Rechtsstaat entscheiden unabhängige Gerichte“, sagte Faeser. Sie betonte: „Wir werden die rechtliche Bewertung weiter von der politischen Auseinandersetzung, die wir in Parlamenten und öffentlichen Debatten führen, klar trennen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann