AfD-Podcast „Die Jagd“ von WDR und NDR: Schritte der Jä­ge­r*in­nen

Der Podcast „Die Jagd“ liefert eine niedrigschwellige Binnensicht der AfD seit sie im Bundestag sitzt. Doch etwas fehlt.

Die AfD-Fraktion sitzt im Bundestag. Ein Tisch pro Person. Viele von ihnen heben die Hand in die Luft. Vorne Gauland und Weidel nebeneinander.

Einig in der Ideologie: AfD bei konstituierender Sitzung des Bundestags am 24. Oktober 2017 Foto: Jens Schicke/imago

Hunderte Demonstrierende stehen am 24. September 2017 vor einem Hochhaus am Rande des Alexanderplatzes in Berlin. Sie rufen „Ganz Berlin hasst die AfD“ und „Deutschland ist scheiße, ihr seid die Beweise“. Drinnen feiert die AfD ihre Wahlparty. Mit 12,6 Prozent zieht sie an diesem Abend in den Bundestag ein. Und während die Demonstrierenden ihre Parolen rufen, sagt der damalige Spitzenkandidat Alexander Gauland einen Satz, den bis heute kaum ei­ne*r in diesem Land vergessen hat: „Wir werden sie jagen, wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen – und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“

Was damals als Skandal gelesen wurde, ist heute, knapp fünf Jahre später, nur ein Schritt auf einem Weg voller Tabubrüche. Die Grenzen des Sag- und Machbaren wurden von der AfD Schritt für Schritt weiter nach rechts verschoben. Doch nicht alle haben das mitgemacht: Während die Partei sich immer weiter radikalisierte, hat sie auch prominente Gesichter verloren. Was zwischen „Wir werden sie jagen“ bis heute im Innersten der Partei passiert ist, damit beschäftigt sich der Pod­cast „Die Jagd – Die geheimen Chats der AfD-Bundesfraktion“.

Die Investigativ-Reporter*innen von WDR und NDR, Katja Riedel und Sebastian Pittelkow, berichten schon seit Jahren über die AfD. Nun wurde den beiden das Archiv der Whats-App-Gruppe „Quasselgruppe“ zugespielt, ein Datensatz aus 40.000 Nachrichten von über siebzig Abgeordneten der ersten AfD-Bundestagsfraktion. Gemeinsam mit dem Datenjournalisten Christian Basl haben sie die Nachrichten ausgewertet und erzählen nun die Dreh- und Wendepunkte der Partei nach, sprechen mit AfD-Abgeordneten, die in der Gruppe aktiv waren oder konfrontieren die Vorsitzende Alice Weidel – die nicht in der Gruppe war – mit den Chatnachrichten.

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Die Nachrichten selbst werden von Schau­spie­le­r*in­nen eingesprochen. Daraus entsteht eine auditive Collage – unterlegt mit höchst dramatischer Musik. „Fällt es so schwer, einmal nicht über das dritte Reich zu reden?“ oder „Die Ratte Merkel an der Spitze, die Volksverräterin, gehört lebenslang in den Knast“: Diese Nachrichten geben einen kurzen Einblick, wie innerhalb der „Quasselgruppe“ kommuniziert wird. Der Ton ist rau, es wird gehetzt und beleidigt. Es werden Pläne ausheckt, um die parlamentarische Arbeit der anderen Parteien zu stören, und es wird über die Ausrichtung der Partei gestritten. Immer wieder fragt sich die Gruppe: Wie radikal darf die AfD sein?

Von der Ideologie

Auch anhand der Gruppe ordnet der Podcast die ersten vier Jahre der Partei im Bundestag ein, erschafft eine Binnensicht. Von den gescheiterten Wahlen zum Bundestagsvizepräsidenten über die thüringische Regierungskrise um Thomas Kemmerich, die Coronapandemie und die Querdenken-Bewegung bis zur Einstufung als „Verdachtsfall“ durch den Verfassungsschutz.

Die Jagd – Die geheimen Chats der AfD-Bundestagsfraktion“, 5 Episoden in der ARD-Audiothek und überall sonst, wo es Podcasts gibt

Doch obwohl Tabubrüche und Grenzüberschreitungen wie rassistische oder anders diskriminierende Aussagen in dem Podcast stets klar benannt werden, droht stellenweise eine Verharmlosung. Der Podcast konzentriert sich auf interne Machtkämpfe – dadurch gerät die gemeinsame Ideologie aus dem Blick. Egal ob „gemäßigt“ oder „Flügel“: Die Partei wird durch eine nationalistische und rassistische Ideologie zusammengehalten. Das muss in der journalistischen Arbeit über diese Partei immer wieder klar herausgearbeitet werden. Gerade auch, weil der Podcast ansonsten sehr niedrigschwellig arbeitet. Er erklärt beispielsweise, was eine „Fraktion“ ist oder wie eine „Kleine Anfrage“ funktioniert. Auch Prinzipien des journalistischen Arbeitens werden immer wieder ausführlich erläutert.

Ex­per­t*in­nen­stim­men zur die Demokratie gefährdenden Ideologie der AfD hätten dem Podcast jedoch gutgetan. Aber auf sie wird im Podcast verzichtet, stattdessen gibt es neben den Chatnachrichten und den Einordnungen durch die Jour­na­lis­t*inn­nen Dutzende O-Töne von AfDler*innen. Und das Schlusswort des Podcasts bekommt dann auch noch Alice Weidel – als wäre sie eine ganz normale Vorsitzende einer ganz normalen Partei.

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