AfD-Landtagsfraktion in Bayern: Rechtsradikale im Landtag
In Bayern hat die AfD ihre Fraktion gegründet. Mehrere Mitglieder haben Kontakte zu Rechtsextremen und werden überwacht. Ein Überblick.
Kurz vor der Sitzung wurde bekannt, dass das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) mehrere Mitglieder der neuen 22-köpfigen AfD-Fraktion beobachtet. Ein LfV-Sprecher bestätigte der taz einen entsprechenden Bericht des Münchner Merkurs. Die Gründe für die Beobachtungen seien „Verbindungen in die rechtsextremistische, die verfassungsschutzrelevante islamfeindliche und die Reichsbürger-Szene“.
Momentan werde geprüft, ob die entsprechenden AfD-Mitglieder weiterhin beobachtet werden, wenn sie im November ihr Abgeordnetenmandat annehmen. Wie viele neugewählte Fraktionsmitglieder genau beobachtet werden und um welche Personen es sich handelt, wollte der Sprecher nicht sagen.
Katrin Ebner-Steiner sagte zur taz, dass sie kein Problem mit einer Beobachtung habe. „Der Verfassungsschutz kann uns gerne beobachten. Presse und Antifa durchleuchten uns ohnehin schon. Sollte er noch irgendetwas finden, wäre das in unserem Interesse, da wir keinen Extremismus in unseren Reihen dulden.“
Die Fraktionsvorsitzende der bayerischen Grünen, Katharina Schulze, forderte im Gespräch mit der taz, dass der Verfassungsschutz die gesamte AfD unter Beobachtung stellen sollte. „Rechtsextremismus und Rassismus haben im Bayerischen Landtag nichts verloren“, sagte sie. Gegen Rechtsextremisten und Reichsbürger müsse „klare Kante“ gezeigt werden.
Für die bayerische AfD werden mehrere Kandidaten in den Landtag einziehen, die in Vergangenheit durch rassistische und verschwörungsideologische Aussagen und durch Kontakte zu Rechtsextremen aufgefallen sind. Ein unvollständiger Überblick.
Katrin Ebner-Steiner wird dem völkisch-nationalistischen Parteiflügel um den Thüringer Landes- und Fraktionsvorsitzenden Bernd Höcke zugerechnet. Höcke sei „einer der wenigen Politiker, die ehrlich und aufrichtig sind“, sagte sie über ihn. Im Wahlkampf bezeichnete sie Bundeskanzlerin Angela Merkel laut Tagesspiegel als „Deutschlandabschafferin“, die „Hochverrat an Deutschland“ begangen habe.
Des Weiteren fordert sie, dass in Heimen untergebrachte Flüchtlinge ihre Wohnungen ab 21 Uhr nicht mehr verlassen dürfen. Auch familienpolitische Äußerungen Ebner-Steiners sind als äußerst rechts einzuordnen. Wenn in Lehrplänen sexuelle Vielfalt dargestellt wird, führe das zu einer „Entwertung des natürlichen Sexualverhaltens“ und zu einer „Verharmlosung gesellschaftlich umstrittener sexueller Verhaltensweisen von Minderheiten“, behauptet sie in einer auf YouTube einsehbaren Videobotschaft aus April 2016.
Auch andere AfD-Mitglieder, die in den neuen Bayerischen Landtag einziehen werden, sind bereits mit menschenfeindlichen Äußerungen aufgefallen. Kurz vor der Wahl hielt der Rosenheimer Kandidat Andreas Winhart eine Rede, bei der er behauptete, dass Flüchtlinge „unglaublich viele“ HIV-, Krätze- und TBC-Fälle in den Landkreis gebracht hätten. Das Gesundheitsamt widersprach diesen Behauptungen. Zudem verwendete Winhart in der Rede eine rassistische Bezeichnung für Schwarze.
Winhart rief in der Rede zudem indirekt zum Mord an Flüchtlingen auf. Durch einen Einzug in den Landtag hätte die AfD die Chance, „Angela Merkel in den Ruhestand zu schicken und die Soros-Flotte mit den ganzen Rettungsbooten im Mittelmeer zu versenken.“ Verschwörungsideologen behaupten, dass der jüdische Investor George Soros die Migration nach Europa steuern würde. Winhart bediente außerdem das rassistische Stereotyp von stehlenden Migranten. Wer nicht wolle, dass künftig Kosovaren und Albaner in der Altenpflege eingesetzt werden, „die den Patienten die Bude ausräumen“, müsse AfD wählen.
Auch Roland Magerl wird der bayerischen AfD-Landtagsfraktion angehören. Er wird ebenso dem Höcke-Flügel zugerechnet und trug öffentlich ein T-Shirt der bekannten Neonazi-Marke „Ansgar Aryan“, wie Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR) zeigen. Geschäftsführer der Modefirma ist der NPD-Aktivist und Rechtsrock-Konzertveranstalter Patrick Schröder, der wie Magerl in Mantel im Landkreis Neustadt an der Waldnaab wohnt. Magerl gab gegenüber dem BR zu, Schröder zu kennen, politisch hätten sie allerdings „nichts miteinander zu tun“.
In einer auf YouTube einsehbaren Rede äußert sich Magerl zur BR-Berichterstattung. Der BR habe „die Jagd auf uns eröffnet.“ Die Ankündigung, dass er an die Redaktion der regionalen Tageszeitung Der neue Tag den selbsterfundenen Preis „Goldener Spaten“ verleihen möchte, löst Jubelstürme in der Veranstaltung aus. Ein Mann im Publikum gibt sich als Mitarbeiter des Neuen Tags zu erkennen und wird ausgebuht, es folgen „Lügenpresse“-Rufe. Magerl habe auf der Veranstaltung „eine regelrechte Lynchatmosphäre gegen Journalisten geschaffen“, meint Robert Andreasch im Gespräch mit der taz. Andreasch ist Rechtsextremismus-Experte des Aida-Archivs München.
In der ersten bayerischen AfD-Landtagsfraktion wird auch Ralf Stadler aus Passau sitzen. Auch er ist dem Höcke-Flügel zuzuordnen. Im Mai 2018 solidarisierte sich Stadler auf seiner Facebook-Seite mit der mehrfach verurteilten Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. „Ich finde es eine Schande wie in Deutschland mit ‚einfachen‘ Menschen umgegangen wird, EGAL was sie angestellt haben. Man hätte ihre Aussagen ohne Probleme dem Alter zurechnen können und von einer Haft absehen können“, schrieb er über die Rechtsextremistin. Direkt an Haverbeck gerichtet, hieß es dort: „Ich wünsche Ihnen alles Gute“.
Der Infoticker Passau zitiert weitere Posts des baldigen Landtagsabgeordneten: Im April 2018 teilte er einen Text, der zentrale Argumente der Reichsbürger-Ideologie wiedergibt: Deutschland sei eine „BRD-GmbH“ ohne Friedensvertrag, die von einer „Schattenregierung“ kontrolliert werden würde. Zudem bezeichnet er Flüchtlinge auf seiner Facebook-Seite mehrfach als „Parasiten“. Robert Andreasch schätzt, dass Stadler „selbst für bayerische AfD-Verhältnisse zu heftig sein“ könnte. „Er ist wohl der wildeste Vertreter und könnte der Fraktion noch auf die Füße fallen.“
Außerdem im neuen Landtag: Richard Graupner und Stefan Löw. Graupner saß von 1990 bis 2016 für die Republikaner im Schweinfurter Stadtrat, bis er zur AfD wechselte. Die Republikaner wurden zwischen 1992 und 2006 unter dem Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung vom Verfassungsschutz beobachtet. Im September 2018 war Graupner auf einer Konferenz der rechtsextremen Zeitschrift Compact in München als Redner eingeladen. 2007 hat er einen Appell für die rechtsextreme Burschenschaft Danubia München unterzeichnet, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Stefan Löw, Direktkandidat in Tirschenreuth und Listenkandidat in der Oberpfalz, firmierte auf den Wahlzetteln als Polizeibeamter und posierte in einem Wahlwerbevideo vor einer Polizeistation. Kurz vor der Wahl wurde allerdings bekannt, dass die Bundespolizei den 28-jährigen Löw in den Ruhestand versetzt hat. Auf Nachfrage der Frankenpost erklärte Löw, dass er „mit Flüchtlingen nicht mehr arbeiten“ könnte und gab eine angebliche „Vielzahl von Krankheiten“ an, denen Bundespolizisten an der österreichischen Grenze ausgesetzt gewesen seien.
Auch Christian Klingen wird zum Höcke-Flügel gerechnet. Er lud Höcke nach Bayern ein und organisierte Reisen nach Erfurt. Als Gast nahm er am Konservatismuskongress der Jungen Alternative Bayern teil, bei der mehrere Vertreter der Neuen Rechten referierten. Anne Cyron hält Vorträge zur „Zerstörungsideologie Gender“ und wittert eine Verschwörung hin zum „geschlechtslosen Menschen“. Auch „Machteliten“ seien daran beteiligt.
Markus Bayerbach und Franz Bergmüller gelten als eher moderate Vertreter der neuen Fraktion. Weitere gewählte Kandidaten stammen teilweise aus der dritten Parteireihe und sind bislang noch nicht aufgefallen. Die 22 gewählten AfD-Kandidaten werden in der konstituierenden Sitzung des Bayerischen Landtags am 5. November zu Abgeordneten vereidigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen