piwik no script img

AfD-Kandidaten für BundestagsausschüsseVor diesen Vorsitzenden wird gewarnt

Die AfD wird drei Ausschüsse leiten. Das Personal: ein Aluhut, ein Schreihals und einer, der wegen Beihilfe zur Körperverletzung verurteilt wurde.

Ist noch immer nicht so richtig angekommen: die AfD im Dundestag Foto: ap

Berlin taz | Mitglieder des Rechtsausschusses im Thüringer Landtag warnen davor, den AfD-Abgeordneten Stephan Brandner zum Vorsitzenden des entsprechenden Ausschuss im Bundestag zu machen. „Ihm fehlt die gebotene Ernsthaftigkeit“, sagte die SPD-Abgeordnete Dorothea Marx der taz. Der AfD-Mann leitete das Thüringer Gremium bis zu seinem Einzug in den Bundestag, Marx war seine Stellvertreterin. „Statt den Ausschuss fach- und sachbezogen zu führen, polarisiert und provoziert er.“

Ähnlich äußert sich auch Astrid Rothe-Beinlich, die für die Grünen im Erfurter Rechtsausschuss sitzt. Brandner sei ein „Selbstdarsteller“, der den Ausschuss instrumentalisiert habe. Er äußere sich rassistisch, sexistisch und menschenfeindlich. Besonders bei Frauen bewerte er jede Geste. „Er macht jede Sitzung zum Tribunal, das war für alle eine Zumutung.“ Brandner selbst sieht das anders. „Im Thüringer Landtag hab ich’s ja auch ganz gut hinbekommen“, twitterte er nach seiner Benennung durch die AfD-Fraktion.

Nachdem sich die Fraktionen im Bundestag darauf geeinigt hatten, dass der AfD der Vorsitz in drei Ausschüssen zusteht, hat diese neben Brandner auch Peter Boehringer für den Haushaltsausschuss und Sebastian Münzenmaier für den Tourismus­ausschuss benannt. „Damit können wir erneut ein hohes Maß an Sachverstand in die parlamentarische Arbeit einbringen“, sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Bernd Baumann.

Brandner, 51, enger Vertrauter von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, hatte im Thüringer Landtag durch Zwischenrufe und Pöbeleien mehr als 30 Ordnungsrufe kassiert. Im Wahlkampf bezeichnete er Bundesjustizminister Heiko Maas als „Ergebnis politischer Inzucht im Saarland“. Jüngst twitterte er ein Foto mit einem Bierglas und einem großen, gekrümmten Messer darauf, dazu der Text: „Warten … auf die Antifa“ – Viele sahen darin eine klare Androhung von Gewalt.

Die Weltherrschaft übernehmen

„Wenn er zum Ausschussvorsitzenden bestimmt wird, dann ist das kein Grund zur Panik“, sagt Johannes Fechner, Rechtspolitiker der SPD. „Wir werden sehen, wie er die Sitzungen leitet. Wenn er sich danebenbenimmt, werden wir ihn in seine Schranken weisen.“ Dafür gebe es die Geschäftsordnung. Die SPD wolle am Montag in ihren Gremien entscheiden, wie sie mit der Personalie umgehe.

Die Ausschussvorsitzenden werden bestimmt, nicht notwendigerweise gewählt. Die Partei, die das Vorschlagsrecht hat, nennt ihren Kandidaten. Gibt es keinen Widerspruch, ist dieser im Amt. Die Ausschüsse konstituieren sich am Mittwoch.

Bedenken gibt es auch gegen Boehringer, der den wichtigen Haushaltsausschuss leiten soll. Boehringer, 48, kommt aus Bayern, gilt als neoliberaler Finanzfachmann mit Hang zu Verschwörungstheorien, nach denen, wie die Süddeutsche berichtete, „ein geheimes Netzwerk“ daran arbeite, die Weltherrschaft zu übernehmen. In E-Mails soll Boehringer die Kanzlerin als „Merkelnutte“ bezeichnet haben. Auf seiner Internetseite schrieb er 2015 von einer „laufenden, irreversiblen Umvolkung in der BRD“, einer „supranationalen Befehlen gehorchenden BRD-Führungsclique“ und seine Hoffnung auf Zusammenbruch des „für unsere Nation suizidalen Systems“. Die Linkspartei will Boehringer deshalb nicht unterstützen.

Sechsmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung

Der AfD stehe der Vorsitz des Haushaltsausschusses zu, sagte Gesine Lötzsch, die bislang den Ausschuss führte, der taz. Boehringer aber sei „nicht geeignet, ein Gremium zu leiten, was auch Menschen zusammenführen muss“.

„Herr Boehringer steht für Verschwörungstheorien, Hass auf Europa und islamfeindliche Äußerungen“, sagt auch der grüne Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler. „Angesichts dessen gibt es erhebliche Zweifel, ob er der richtige Vorsitzende für den Haushaltsausschuss sein kann.“ Die Grünen werden kommende Woche entscheiden, wie sie sich verhalten. Boehringer selbst sagt: „Ich habe großen Respekt vor dieser Aufgabe.“

Nicht unumstritten ist auch Sebastian Münzenmaier, 28, aus Rheinland-Pfalz. Das Amtsgericht Mainz hat ihn im vergangenen Jahr wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung bei einem Angriff von Hooligans des 1. FC Kaiserslautern auf Anhänger von Mainz 05 zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Er hat Berufung eingelegt, deshalb hat der Bundestag jüngst seine Immunität aufgehoben. Münzenmaier kündigte an, er wolle das Amt „mit großer Neutralität“ ausfüllen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Ich gehe eine Wette ein, dass zumindest einer der drei AfD-Ausschussvorsitzenden in dieser Legislaturperiode unter Schimpf und Schande seinen Vorsitz abgeben muss. Top-Wette: Stephan Brandner, ein Mann, der es in einer kurze Rede schafft sämtliche niedersten Instinkte bei seinen Parteivolksgenossen und Parteimitläufern zu aktivieren. Die Rede aus dem September 2017 ist allseits bekannt und im Netz dokumentiert.

     

    AfD'ler kommen in Fällen der Kritik an ihren Oppositions"führern" meist kleinlaut daher , wenn sie sich überhaupt äußern (sonst stehen sie den ganzen Tag in Kompaniegröße bereit in den Kommentarforen, um ihre Meinung abzusondern, die ihnen ja angeblich in der "Kanzler- & "linken" Meinungsdiktatur verboten sei zu äußern (seltsam, dass sie überall trotzdem publiziert zu finden ist).

     

    Ausfälle wie von Boehringer ("irreversible Umvolkung") , Reusch ("schärfere Strafen für Angeklagte ohne deutschen Pass") oder Brandners (oder Mecklenb-V. MdL Arppes) fremdenfeindliche, pädosexuelle Gewaltfantasien, sind die Ursache (!), weswegen sich die demokratische Öffentlichkeit zu Wort meldet & einen sehr kritischen Blick auf das Politikgebaren der AfD und ihrer Vertreter wirft. Die Ablehnung von konkreten Kandidaten (wie Glaser oder Reusch) ist dann die Wirkung. Eine demokratische Wahl kann immer auch negativ ausgehen für den Kandidaten.

     

    Der Grundkonsens der Demokraten, schmerzlich errungen vor dem Hintergrund der unsäglichen Verbrechen, die Rechtsextreme, Nazis mit Regierungsmacht in Deutschland zu verantworten haben, macht die Demokratie wehrhaft und sehr aufmerksam, wenn aus dem Schoß wieder was hervorkriecht. Die Standards, was zulässig ist und was nicht, setzen wir als aufrechte Demokraten von demokratisch links (Linke) bis demokratisch konservativ-liberal auf der Rechten (CDU/CSU).

     

    Boehringer, Brandner und der in erster Instanz verurteilte Fußballhooligan Münzenmaier sind zunächst mal auf Bewährung zugelassen im parlamentarischen Alltag. Mehr aber auch nicht.

  • Was soll das lamentieren? Die taz würde jeden Vorsitzenden aus der AfD-Fraktion doof finden.

     

    In der Süddeutschen Zeitung vom 24.01.18 hatte Heribert Prantl inzwischen die Ablehnung von Roman Reusch als Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums als falsch eingeschätzt.

     

    Mal sehen, wann die taz mit der Reflektion beginnen wird.

  • Hä, Sie halten also einen, der offenbar Frauen nicht mit dem gleichen Maßstab misst wie Männer für geeignet ein aus Männern und Frauen bestehendes Gremium demokratisch zu leiten. Dass Gleichheit und Gleichbehandlung eine zentrale Grundlage der Demokratie ist, ist Ihnen hoffentlich klar.

  • Hallo bitte besser recherchieren: https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Boehringer

     

    PBoehringer ist gebürtig in Schwäbisch Gmünd und wuchs in Göppingen auf.

    Beides liegt in Baden-Württemberg.

    Das hört man auch am Tonfall bei den duzenden youtube-Videos.

    Er kam über die Landesliste Bayern in den Bundestag.

    • @nzuli sana:

      Ja und? Jemand der über die Landesliste Bayern in den Bundestag kommt, kann doch wohl als Bayer durchgehn.

  • Vor allem Boehringers umverteilungsfeindliche Hayek-Propaganda ist gefährlich und bösartig.

    Er agitiert immer in Richtung FDP und verlangt das Programm der Superreichen.

    Neoliberalismus ist nie okay, auch nicht von den Grünen.

    Boehringers asoziale Grundhaltung ist die Voraussetzung für den Ausschluss der migrantischen Armen aus der Solidarität.

  • „Statt den Ausschuss fach- und sachbezogen zu führen, polarisiert und provoziert er.“

    --------------------------

    Provozieren war früher ureigenes Terrain der Grünen/Linken.

    Aber die Zeiten haben sich geändert, wir werden alle mal alt.

  • 4G
    42494 (Profil gelöscht)

    Sie sind gewählt, das ist bitter.

    Von den anderen Parteien kommt kein Signal, wie das braune Wachstum zu stoppen ist. Das ist nicht beruhigend.

  • LIEBE FRAU AM ORDE...

    schon mal was von "demokratie" und "herrschaft des volkes" gehört - oder gilt bei ihnen nur das, was in der redaktionskonferenz als marschrichtung ausgegeben wird. hinter all diesen 92 afd-abgeordneten steckt ein wähler, der - ebenso wie sie - einen anspruch darauf hat, in der politik gehört zu werden; seine stimme ist genauso wertvoll wie die ihre "one man, one vote" - sorry, die frauen waren dabei wieder vergessen worden, wenn man davon absieht, dass "man" auch "mensch" heisst. wer so laut brüllen kann wie andrea nahles, muss nicht unbedingt in der afd zu hause sein. und dass sie das gebot der unschuldsvermutung gleich wieder auf dem altar ihrer meinungsmache opfern, lässt vermuten, dass ihnen die spielregeln der demokratie völlig schnurz sind, wenn es gilt, missliebige zeitgenossen - zumal in der politik - zu desavouieren: die afd ist aus diesem elitären geist geboren, der sich in seiner übereinstimmung mit dem ordre public auf der seite der guten wähnt. wenn sie doch einmal soviel schreibende energie auf ihre geschlechtsgenossin und amtierende bundeskanzlerin verwenden würden, die durch ihre nichtssagende und nichtsvermittelnde unpolitik erst jenen bedarf an rechter reaktion bewirkt hat, dann wäre ihr beitrag hilfreich - so passt er sich allenfalls dem mainstream an, deretwegen ich die taz nicht abonniert habe.

    • @hanuman:

      Mir scheint, hier schreibt ein echter Wutbürger. Falls Sie es noch gar nicht mitgekriegt haben - es geht gar nicht um lautes Schreien. Es geht hier um gewisse Aussagen und darum, dass die genannten Vertreter schon hinreichend bewiesen haben, dass sie mit demokratischen Spielregeln in Wahrheit nicht viel am Hut haben.

    • @hanuman:

      So viel Vernunft in diesem Blatt ist mal was das Mut macht.Meist ist ja nur Diffamierung und in die Rechte Ecke stellen angesagt.Wer sich für Mittbestimmung und Demokratie einsetzt wird als Natzi mit dem Aluhut in die rechte Ecke gestellt.

  • irgendwas ist immer

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Wenn man bedenkt, was da auf der anderen Seite des politischen Spektrums rum kreucht und fleucht, ist das AFD- Personal auch erträglich.

    • @97796 (Profil gelöscht):

      tja diese Wortwahl enttarnt sich selbst. Welch Geistes Kind diese*r Autor*in politisch wohl ist. Ich liebe auch diese gut argumentierten Aussagen.

  • Gäbe es denn überhaupt einen AfD Abgeordneten, der die Zustimmung der Redaktion fände?

    • 4G
      42494 (Profil gelöscht)
      @Peter W. Lustig:

      Einen AfD Abgeordneten der Zustimmung findet?

      Ich hoffe, das kommt nicht. Diese Partei ist braun bis in die letzte Spitze und für die "Wutbürger", die sie gewählt haben, wird es noch prekärer, wenn sie denn das Sagen hätten.

      Einfach mal das Programm lesen, wäre hilfreich.

      • 9G
        97796 (Profil gelöscht)
        @42494 (Profil gelöscht):

        Hab ich. Viel "braunes" steht da irgendwie nicht drin.