Äthiopische Kriegsregion Tigray: Dutzende Leichen in Fluss entdeckt

Bei den Toten handelt es sich offenbar um Menschen, die aus Äthiopiens Kriegsregion Tigray fliehen wollten. Die Zentralregierung spricht von Propaganda.

Amhara-Milizen auf einer Brücke über dem Tekeze

Amhara-Milizen auf einer Brücke über den Grenzfluss Tekeze, 1. Juli Foto: reuters

NAIROBI ap/taz | Im Grenzfluss zwischen dem Sudan und der äthiopischen Kriegsregion Tigray sind in der vergangenen Woche etwa 50 Leichen entdeckt worden. Bei den Toten handele es sich offenbar um Menschen, die aus Tigray fliehen wollten, erklärte ein sudanesischer Beamter, der anonym bleiben wollte. Einige der Leichen seien mit gefesselten Händen oder Schusswunden gefunden worden. Forensische Untersuchungen seien notwendig, um die genauen Todesursachen zu ermitteln.

Zwei äthiopische Mitarbeiter des Gesundheitswesens in der sudanesischen Grenzgemeinde Hamdayet bestätigten, dass sie die Leichen im Fluss Setit gesehen hätten, der in Äthiopien als Tekeze bekannt ist. Der Fluss fließt durch einige der Gebiete, die am schwersten von dem seit neun Monaten andauernden Krieg in Tigray betroffen sind.

Der Krieg zwischen Äthiopiens Zentralregierung unter Ministerpräsident Abiy Ahmed und der abgesetzten Regionalregierung Tigrays unter der ehemaligen Rebellenbewegung TPLF (Tigray-Volksbefreiungsbewegung) hat seit November mehrere Tausend Todesopfer gefordert und mehrere Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Ein Großteil der Bevölkerung Tigrays ist auf Nothilfe angewiesen, aber für Helfer kaum erreichbar.

Die äthiopischen Streitkräfte und ihre Verbündeten, darunter Milizen der Nachbarregion Amhara sowie Einheiten aus dem Nachbarland Eritrea, werden beschuldigt, Gräueltaten begangen zu haben. Ende Juni musste sich Äthiopiens Armee geschlagen aus Tigrays Hauptstadt Mekelle zurückziehen.

Identifikation der Leichen schwierig

Tewodros Tefera, ein Chirurg, der aus der Stadt Humera in Tigray in den Sudan floh, sagte der Nachrichtenagentur AP, zwei der Leichen seien am Montag gefunden worden, ein Mann mit gefesselten Händen und eine Frau mit einer Wunde in der Brust. Mindestens zehn weitere Leichen seien von anderen Flüchtlingen begraben worden. Er teilte ein Video, auf dem zu sehen war, wie Männer ein Leichentuch für eine mit dem Gesicht nach unten im Fluss treibende Leiche vorbereiten.

Tewodros erklärte, er vermute, es gebe noch viel mehr Leichen in dem Fluss. Es sei zwar schwierig, die Leichen zu identifizieren, aber einer von ihnen habe einen Namen in der Tigray-Sprache Tigrinya auf den Arm tätowiert, sagte der Chirurg.

Ein anderer Arzt, der in Hamdayet arbeitet und die Leichen sah, sagte der AP, einige der Toten wiesen Gesichtsmerkmale auf, die darauf hindeuteten, dass sie ethnische Tigray seien. „Ich habe viele barbarische Dinge gesehen“, sagte der Arzt, der sich nur anonym äußern wollte, weil er nicht befugt war, mit Reportern zu sprechen. „Einige wurden mit einer Axt getroffen.“

Augenzeugen am Fluss hätten ihm gesagt, dass sie nicht alle Leichen bergen konnten, die flussabwärts trieben, weil das Wasser in der Regenzeit so schnell fließe.

In sozialen Medien war teils sogar von „Hunderten“ Leichen im Fluss die Rede. Es wurden Milizen der äthiopischen Region Amhara verantwortlich gemacht, die auf Regierungsseite in Tigray kämpfen und den an Sudan angrenzenden Teil Tigrays kontrollieren.

Ein von der äthiopischen Regierung eingerichteter Twitter-Account bezeichnete am Montag die Berichte über die Leichen als eine Kampagne von Tigray-Propagandisten.

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