Äthiopiens erste Staatspräsidentin: Symbol des politischen Aufbruchs
Sahle-Work Zewdes Aufstieg zur Staatschefin zeigt, wie der neue Premier Abiy Ahmed seine Reformpolitik festigt: durch Förderung benachteiligter Gruppen.
Sahle-Work wuchs in Addis Abeba auf, studierte Naturwissenschaften in Frankreich und war Botschafterin unter anderem im Senegal, in Frankreich und Marokko, bevor sie zur UNO stieß. Ihr Vater war ein hoher Offizier in der Armee des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie. Er gab seinen Töchtern und Söhnen die gleichen Bildungschancen – eine Ausnahme damals.
„In einer patriarchalischen Gesellschaft wie der unseren setzt die Ernennung eines weiblichen Staatschefs nicht nur den Maßstab für die Zukunft, sondern normalisiert auch Frauen als Entscheidungsträger im öffentlichen Leben“, twitterte Fitsum Arega, Stabschef des Ministerpräsidenten Abiy Ahmed, der die Regierungsmacht in Äthiopien hat.
Die Ernennung kommt kurz nachdem Abiy seine Regierung umbesetzte, verkleinerte und die Hälfte der nur noch zwanzig Ministerposten an Frauen gab. Darunter sind zwei sehr wichtige Posten: Das Verteidigungsministerium und das neue Ministerium für Frieden, unter das der Geheimdienst und die Sicherheitsorgane fallen. Sahle-Work Zewde aus der Volksgruppe der Amharen tritt als Präsidentin die Nachfolge von Mulatu Teshome an, der derselben Volksgruppe der Oromo angehört wie Abiy. Sie ist jetzt die einzige Frau an der Spitze eines Staates in Afrika.
Mächtige Frauen in der äthiopischen Geschichte
Der junge Abiy hat seit seinem Amtsantritt im April eine ganze Serie von Reformen durchgeführt. Oft hat er die Notwendigkeit betont, Frauen zu fördern. Sie werden in Äthiopien oft als zweitklassig gesehen und behandelt. Bei einem Besuch bei Freunden in Addis Abeba vor Kurzem war das zu sehen: Die Mutter kochte mit der Haushilfe das Essen; als die Familie, darunter zwei Töchter, sich an den Tisch setzte, aßen die Mutter und die Haushilfe in der Küche. Jeder fand das ganz normal – in einer Familie, deren Kinder alle studiert haben und wie der Vater öfters im Ausland waren.
Es gab in der äthiopischen Geschichte mächtige Königinnen und Kaiserinnen. Da war Königin Makeda, besser bekannt als die biblische Königin von Saba, und Kaiserin Zewditu (1876–1930), die zwar sehr traditionell und konservativ war aber auch sehr viel Macht hatte. Seit Äthiopien bei der Revolution von 1974 eine Republik wurde, besetzten Frauen keine hohen Führungspositionen mehr.
Aber Frauenemanzipation bekommt immer mehr Rückhalt in Äthiopien. Vor allem junge Frauen und Männer in den Städten drängen auf Gleichberechtigung. In Ministerpräsident Abiy haben sie offensichtlich einen Vorkämpfer. Mit Frauenförderung hofft er, Veränderung in der Gesellschaft zu beschleunigen. Das wird in den großen Städten schneller gehen als auf dem Land, wo die Bevölkerung an uralten Traditionen festhält.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut