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Ärzt*innen und Polizist*innen in FilmenVertrauen Sie mir, dann helfe ich

Vertrauen ist ein Gut, das 2020 vielfach erschüttert wurde. Auch Filme und Serien hinterfragen es, nicht erst seit Corona und Black Lives Matter.

Reale und fiktive Ärzte schließen den gleichen Vertrag: George Clooney als Dr. Roth Foto: imago

Von wegen „Trust me, I’m a doctor“. Der Werbeslogan für Dr Pepper lügt wie gedruckt – die Limonade besteht aus 23 Frucht- und Gewürzaromen, eins ungesünder als das andere. Der ominöse Dr Pepper hatte eben keine Approbation. Genauso wenig wie der geniale Zyniker Dr. House, oder Dr. Green und Dr. Ross, zwei von Anthony Edwards und George Clooney gespielten Ärzten aus einem imaginären Chicagoer „Emergency Room“.

Trotzdem: Dass man fiktiven Ärzt*innen Vertrauen schenkt, hat sich auch nach einem Jahr voller medizinisch-gesellschaftlicher Diskurse wenig geändert. „Vertrauen trägt mehr zur Unterhaltung bei als Geist“, sagte im 17. Jahrhundert der Moralist François de la Rochefoucauld – und meinte dabei nicht mal den Film.

Doch der Arzt ist eine der honorigsten und beliebtesten Film- und Serienfiguren. Sogar wenn man ihm vorwirft, ein Kapitalverbrechen begangen zu haben, wie dem sorgenvoll-gehetzten Dr. Kimble (David Janssen) in der zwischen 1963 und 1967 ausgestrahlten, auf einer wahren Geschichte beruhenden US-Serie „Auf der Flucht“: Er wird zu Unrecht des Mordes an seiner Frau verdächtigt und bemüht sich vier Staffeln lang, den echten Mörder zu finden. Das Publikum drückt ihm die Daumen.

Mediziner*innen geben integre fiktionale Held*innen ab, weil sie den gleichen Vertrag mit dem Publikum abschließen wie ein echter Arzt mit dem Patienten: Vertrauen Sie mir, dann helfe ich (und lasse den Protagonisten Erfolg haben). Steven Soderberghs Pandemie-Apokalypse „Contagion“ aus dem Jahr 2011 ist so verstörend, weil Soderbergh dieses Vertrauen ignorierte, das medienerfahrene Zuschauer*innen in die Story setzen: Er ließ große Schauspielnamen sang- und klanglos an der Infektion zugrunde gehen.

Dennoch machen die Me­di­zi­ner*in­nen dem Virus am Ende des Films den Garaus – auch um einen Teil des Vertrauens wieder herzustellen. („Contagion“ landete im März 2020 auf der Top-Ten-Liste der iTunes-Charts. Man konsumierte am Anfang der Pandemie gern passende Beispiele aus der Filmwelt.)

Schmuddelige Chirurgen

Fiktionale Narrative bauen seit Langem auf das Vertrauen in die Wissenschaft: Böse Ärzt*innen sind in Filmen und Serien selten, wenn man vom Typus des „verrückten Wissenschaftlers“ absieht, der durch die Zuschreibung „verrückt“ eine klare Funktion bekommt. Zwar transplantiert in Steven Spielbergs Zukunftsvision „Minority Report“ ein schmuddeliger Chirurg (Peter Stormare) dem Protagonisten (Tom Cruise) in einer illegalen Praxis für viel Geld neue Augen, aber hilft ihm so, seinem Ziel näherzukommen.

Immerhin gruselten Regisseur Curtis Hanson und Drehbuchautorin Amanda Silver 1992 in dem Film „Die Hand an der Wiege“ mit der Nebenfigur eines Gynäkologen, der seine Patientinnen sexuell missbraucht. Und David Cronenberg hatte schon 1988 in seinem Body-Horror-Klassiker „Die Unzertrennlichen“ Gynäkologenbrüder geschaffen, die von Jeremy Irons mit unvergesslicher Körpersprache als psychisch und physisch kaputte Menschen porträtiert wurden. Diesen Ärzten konnte man nicht vertrauen – weder dem einen noch dem anderen Zwilling.

Die meisten Filmärzte und -ärztinnen halten sich jedoch an den hippokratischen Eid – und gemäß der soziologischen Theorie von Film als „Spiegel der Realität“ sorgen sie so dafür, dass das in sie gesetzte Vertrauen auch für das wirkliche Leben gilt. Sogar dokumentarische Narrative mit medizinischen Inhalten kennen Hippokrates: Zwar werden sie mit Serien wie der pubertär-zeigefreudigen „Sex Clinic“ oder der angesichts riesiger Eiterbeulen fröhlich glucksenden „Dr. Pimple Popper“ immer geschmackloser.

Nicht bei Trost geblieben

Aber auf (nun coronagestählte) Ärzt*innen kann man sich verlassen. Ob sich in Zukunft fiktional auswirkt, dass einige Wissenschaftler*innen nicht bei Trost geblieben sind und die „Querdenken“-Bewegung unterstützen?

Denn die andere beliebte integre Film- und Serienfigur leidet und profitiert schon lange durch Ambivalenz: Der (größtenteils männliche) Polizist ist fast nur noch in Kinderfilmen verlässlich ein „Schutzmann“. Die Nachkriegswehen und der in den USA entstandene Film noir brachten in den 40er-Jahren korrupte und nicht wirklich an Aufklärung interessierte Beamte hervor.

„Die fiktionale Krimi-Handlung bewegte sich vom klassischen ‚Whodunnit‘ zur ‚was macht der Protagonist?‘-Atmosphäre“, schrieb der Filmhistoriker Andrew Spicer 2002 in einem Buch über Film noir: Es ging nicht mehr darum, wer etwas getan hat, sondern was gemacht wurde – das Vertrauen, das ein*e Zuschauer*in in die Exekutive, und damit in die Rechtsordnung setzt, wird auf die Probe gestellt.

Ein einziges faules Ei

In „The Asphalt Jungle“ von 1950 gibt es mit dem bestechlichen „Officer Ditrich“ einen echten Bad Cop, wenn auch als ein einziges faules Ei in einem ganzen Schock. Im selben Jahr inszenierte Otto Preminger „Faustrecht der Großstadt“, in dem ein Polizist bei einer Schlä­gerei unabsichtlich einen Mann totschlägt und als Fortführung des bösen Handelns die Leiche verschwinden lässt.

Al Pacino spielte 1973 den enttäuschten Detective „Serpico“ – auch das Publikum war empört über die Schmiergeld eintreibenden Beamt*innen, zumal der Film einen echten Fall verhandelte. Jim McBride nannte seinen in New Orleans spielenden Thriller 1987 „The Big Easy“ – darin ging es ebenfalls um Bestechung bei der Polizei. (Immerhin durfte der Held, ein sympathischer, von Dennis Quaid gespielter Korruptionsprofiteur, mit einer Kugel im Hintern überleben.)

Abel Ferrara drehte 1992 den Neo-Noir-Klassiker „Bad Lieutenant“ mit Harvey Keitel als drogensüchtigem Polizisten, der, wie viele Junkies, seine Sucht über seine Ehre stellt – und das Vertrauen des Publikums und der New Yor­ker*in­nen missbraucht. Zur Strafe muss er am Ende tatsächlich sterben. Die Sheriffs in der Fantasy-Horror-Serie „Lovecraft County“, die auf bitter-spielerische Weise Rassismus in den USA thematisiert, sind gar menschenverachtende (und -fressende) Monster.

Mythen zur Lebensbewältigung

Und „gute“ Polizist*innen sucht man in Serien wie „True Detective“ oder „The Shield“ mit der Lupe: Der strukturelle Rassismus, der (bislang) vor allem der US-Polizei nachgewiesen wurde und seit Jahren unter anderem von der Bewegung Black Lives Matter angeprangert wird, führte zu einer Veränderung des Bilds der Polizei in der Öffentlichkeit wie in der Fiktion.

Denn Filme bieten zwar „Mythen zur Lebensbewältigung“ an, wie der Filmkritiker Parker Tyler 1944 in seiner Analyse „The Hollywood Hallucination“ schrieb – der Mythos des Freunds und Helfers ist einer davon. Doch Filme sind eben nicht nur Vorbild, sondern auch Abbild der Gesellschaft. Darum können sie diese Mythen genauso dekonstruieren.

True Crime in Serie

Das dokumentarische „True Crime“-Format, das immer häufiger seriell erzählt wird, hat ebenfalls keine Angst mehr vor „bitter ends“: Viele der echten Kriminalfälle, die in Serien wie „On the Case“ oder „The Confession Tapes“ gezeigt werden, halten falsche Anschuldigungen, Fehlurteile, Pfusch und Korruption fest. Die neue deutsche True-Crime-Serie „Höllental“, die den Mord an Peggy Knobloch untersucht, endet, wie der traurige Fall, ohne ein suffizientes Ergebnis.

Also wem kann man im Film noch vertrauen? Wer stirbt nicht, enttäuscht nicht, bleibt moralisch integer? Eigentlich nur RomComs. Die verlässlich mit Zungenkuss endende „Romantic Comedy“ ist die Trostspenderin der Stunde – und wird es angesichts der subjektiv empfundenen Unsicherheit einer virusgeschwächten Welt bleiben. Auch wenn einem bei den glitschigen Liebesgeschichten zuweilen das Popcorn hochkommt.

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