Ägyptische Position zu Gaza: „Kein Interesse an einer Eskalation“
Noch hält sich Präsident Mursi zurück, sagt Nahostexperte Joram Meital. Die Stimmung gegen Israel wächst jedoch im Land.
taz: Herr Meital, die Regierung in Ägypten hat den Botschafter aus Tel Aviv abgezogen. Was könnte als nächstes kommen?
Joram Meital: Die Reaktion in Kairo kam sehr schnell, innerhalb von nur wenigen Stunden. Das zeigt, dass die Regierung einen anderen Kurs fährt als Expräsident Mubarak. Ägypten ist an einer Eskalation nicht interessiert und schickt die Warnung an Israel: „Nehmt euch vor weiteren Schritten in Acht.“ In der ägyptischen Öffentlichkeit herrscht großer Unmut gegenüber Israel. Nachdem, was in Gaza geschah, werden Freitag sicher Massen von Menschen auf die Straße gehen, und Druck auf Präsidenten Mursi ausüben, damit er sich klarer gegenüber Israel positioniert.
Halten Sie einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen für möglich?
Sollte die Operation in Gaza weiter eskalieren und die israelische Armee mit Bodentruppen einmarschieren, dann besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Ägypter die diplomatischen Beziehungen abbrechen.
Wie weit würde die Regierung in Kairo gehen, sollte es zu einer Invasion kommen?
Sollte es eine langwierige Operation werden mit Toten und Verletzten, dann könnten die ägyptischen Reaktionen sehr viel drastischer ausfallen, von dem kompletten Abbruch der Beziehungen bis hin zur Öffnung der Grenze nach Rafah. Im Moment versucht Kairo, die Lage zu beruhigen und eine weitere Eskalation zu verhindern.
Der Professor ist Leiter des Chaim-Herzog-Zentrums für Nahoststudien und Diplomatie an der Ben-Gurion-Universtität in Beerschewa.
Halten Sie es für möglich, dass Mursi wie Mubarak vor vier Jahren die Grenzen nach Ägypten zumacht?
Mursi ermöglicht schon jetzt die Lieferung von Hilfsmitteln. Sollte sich die Situation noch mehrere Tage fortsetzen, dann dürfte er den Übergang öffnen.
Auch für Palästinenser, die aus Gaza fliehen wollen?
Damit würde ich im Fall einer Bodenoffensive rechnen.
Die Hamas hat über Jahre den Waffenstillstand weitgehend eingehalten. Warum wird jetzt wieder geschossen?
Die Aggression ging nicht nur von der Hamas aus, sondern auch von anderen militanten Gruppen. Die Frage, wer zuerst geschossen hat, ist nicht so entscheidend, wie die Frage, wie man nach dem ersten Schuss rasch wieder einen Waffenstillstand erreichen kann.
Inwieweit spielen die kommenden Wahlen in Israel eine Rolle bei den Entwicklungen?
Das Thema lässt sich nicht ignorieren. In gut zwei Monaten wird in Israel gewählt. Bis vor Kurzem ging es um sozioökonomische Themen, jetzt ist klar, dass die Agenda wieder von Sicherheitsthemen bestimmt werden wird.
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