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Ägyptische Position zu Gaza„Kein Interesse an einer Eskalation“

Noch hält sich Präsident Mursi zurück, sagt Nahostexperte Joram Meital. Die Stimmung gegen Israel wächst jedoch im Land.

Die Stimmung in Kairo gegenüber Israel wird schlechter: Demo von Anhängern der Muslimbrüderschaft. Bild: dapd
Interview von Susanne Knaul

taz: Herr Meital, die Regierung in Ägypten hat den Botschafter aus Tel Aviv abgezogen. Was könnte als nächstes kommen?

Joram Meital: Die Reaktion in Kairo kam sehr schnell, innerhalb von nur wenigen Stunden. Das zeigt, dass die Regierung einen anderen Kurs fährt als Expräsident Mubarak. Ägypten ist an einer Eskalation nicht interessiert und schickt die Warnung an Israel: „Nehmt euch vor weiteren Schritten in Acht.“ In der ägyptischen Öffentlichkeit herrscht großer Unmut gegenüber Israel. Nachdem, was in Gaza geschah, werden Freitag sicher Massen von Menschen auf die Straße gehen, und Druck auf Präsidenten Mursi ausüben, damit er sich klarer gegenüber Israel positioniert.

Halten Sie einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen für möglich?

Sollte die Operation in Gaza weiter eskalieren und die israelische Armee mit Bodentruppen einmarschieren, dann besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Ägypter die diplomatischen Beziehungen abbrechen.

Wie weit würde die Regierung in Kairo gehen, sollte es zu einer Invasion kommen?

Sollte es eine langwierige Operation werden mit Toten und Verletzten, dann könnten die ägyptischen Reaktionen sehr viel drastischer ausfallen, von dem kompletten Abbruch der Beziehungen bis hin zur Öffnung der Grenze nach Rafah. Im Moment versucht Kairo, die Lage zu beruhigen und eine weitere Eskalation zu verhindern.

Joram Meital

Der Professor ist Leiter des Chaim-Herzog-Zentrums für Nahoststudien und Diplomatie an der Ben-Gurion-Universtität in Beerschewa.

Halten Sie es für möglich, dass Mursi wie Mubarak vor vier Jahren die Grenzen nach Ägypten zumacht?

Mursi ermöglicht schon jetzt die Lieferung von Hilfsmitteln. Sollte sich die Situation noch mehrere Tage fortsetzen, dann dürfte er den Übergang öffnen.

Auch für Palästinenser, die aus Gaza fliehen wollen?

Damit würde ich im Fall einer Bodenoffensive rechnen.

Die Hamas hat über Jahre den Waffenstillstand weitgehend eingehalten. Warum wird jetzt wieder geschossen?

Die Aggression ging nicht nur von der Hamas aus, sondern auch von anderen militanten Gruppen. Die Frage, wer zuerst geschossen hat, ist nicht so entscheidend, wie die Frage, wie man nach dem ersten Schuss rasch wieder einen Waffenstillstand erreichen kann.

Inwieweit spielen die kommenden Wahlen in Israel eine Rolle bei den Entwicklungen?

Das Thema lässt sich nicht ignorieren. In gut zwei Monaten wird in Israel gewählt. Bis vor Kurzem ging es um sozioökonomische Themen, jetzt ist klar, dass die Agenda wieder von Sicherheitsthemen bestimmt werden wird.

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7 Kommentare

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  • G
    Gonzi

    Wieviele Palästinenser sind in den letzten 10 Jahren durch israelische Soldateska umgebracht worden?

  • V
    @vendome

    Sicher doch. Und der offensive kriegerische Dschihad, der eine dauerhafte kollektive Verpflichtung der Umma ist, ist auch nur eine Erfindung der zionstischen Medien, die es sogar geschafft haben, entsprechende Passagen in die Lehren der vier sunnitischen Rechtsschulen einzuschmuggeln. Manchmal fragt man sich...

  • V
    vendome

    "und der irrationalen und aggressiv expansionistischen Dschihad-Agenda"

     

    Sie verwechseln da was. Die irrationalen und aggressiv Wxpansionistischen haben keine Dschihad-Agenda, sondern eine Auserwähltes-Volk-Agenda, es sind nämlich nicht die Palästinenser, die Israel besetzt halten und dort morden, rauben und siedeln.

  • HH
    @ Harun

    Man muss es der TAZ schon sehr hoch anrechnen, dass sie so sehr gegen die Zensur ist, dass selbst so ein unfassbar einseitiger Mumpitz veröffentlicht wird.

     

    "Rechtszionisten" Was für ein Wort.

    Wie stehen Sie zu den Hamas- und Hisbollah-anhängern die regelmäßig mit Hitlergruß salutieren?

     

    Nur so als Frage

  • TH
    Thomas H

    Ägyptens gewählter Präsident Mursi wird sich entscheiden müssen, zwischen den legitimen nationalen Interesse Ägyptens (wie Frieden, Stabilität, Ruhe und Sicherheit, nach Innen wie nach Außen), und der irrationalen und aggressiv expansionistischen Dschihad-Agenda seiner ägyptischen Muslimbruderschaft, deren Gaza-Ableger die Hamas bekanntlich ist.

     

    Israel kann Mursi und ganz Ägypten diesen inneren Konflikt zwischen Vernunft und Unvernunft nicht ersparen, egal wie es sich verhält.

  • H
    Harun

    Wie alle kapitalistischen Machteliten, so beherzigt auch die rechtszionistische die Prakitk, daß -bei wachsender innerer ökonomischer Krise und Verschärfung der Klassengegensätze- ein äußerer Krieg von diesen unangenehmen Tatsachen ablenken kann.

     

    Daß die auch von der EU gigantisch aufgerüstete israelische Atomwaffenmacht das von ihr geschaffene, rassistisch mißhandelte, neokoloniale Abbas-Paslästina und besonders das Ghetto Gaza(strukturell und intentional gar nicht so weit vom allerdings viel entsetzlicheren Warschauer Ghetto anzusiedeln) Gaza jederzeit militärisch zerquetschen kann, wissend ie rechtszionisten natürlich.

     

    Die läppischen Raketenangriffe von in ohnmächtiger Not, Wut und Verzweiflung getriebenenen palästinensischen Kämpfern zeigen zwar Würde, aber leider Dummheit, die an Selbstzerstörung grenzt- Der rechtszionistischen israelischen Machtelite , die dem verarmenden israelischen Volk immer parasitärer aufsitzt, nützen diese palästinensischen Haudraufs in der Krise wunderbar!

     

    Jetzt wird sich zeigen, ob Obushama mehr ist als Obushama! Den heißen -militärischen- 3. Weltkrieg kann er n o c h vermeiden helfen- indem er die Rechtszionisten auf allen ihren üblen rassistischen und imperialistischen Wegen(z.B. routinemäßige Mißhandlung palästinensischer Kinder durch israelische Soldaten-, fortdauernder Landraub-) yes he can, can he???? machtvoll zurückpfeift. mit Wirtschaftrssanktionen , notfalls mit militärischem Druck!

     

    Obushama- der aggressive US-Imerialismus, nicht der Ägypter Mursi, ist das wirkiche Problem in der gerade von den Rechtszionisten ausgenutzten Krise , ausgelöst durch die ohnmächtige Gegenwehr der rechtszionistisch rassistisch ghettoisierten Opfer in Gaza!

     

    Egal, was Mursi auch macht-.der israelischen militärischen Giga-Überlegenheit samt der hinter ihr stehenden miltärischen Supermacht USA kann auch e r nichts Wirksames entgegensetzen!

  • MB
    Meike Benkner

    Bleibt zu erwähnen, dass die Hamas in den letzten 10 Jahren mehr als 12000 (ZWÖLFTAUSEND!) Raketen auf Süd-Israel abgefeuert hat, welche israelische Zivilisten terrorisiert, verletzt und getötet haben.

    Hierzu wäre es interessant, eine Aussage der neuen Führung in Ägypten zu hören.

     

    Beschränken sich die israelischen Angriffe auf militärische Ziele, so versuchen die Palästinenser, insb. Hamas, vor allem Zivilisten zu treffen.

     

    Im übrigen gab es bereits vor diesen Anschlägen eine stark antijüdische und ebenso antichristliche Stimmung im "neuen" Agypten. (Morde und Verfolgung an Kopten, Stürmung des Mobs der israleischen Botschaft etc.)