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Ägyptens Staat stochert im Nebel

Zwei Tage nach dem Touristenmassaker ersetzt ein platter Aktionismus das nötige Nachdenken über eine Überwindung der Konfrontation mit den Islamisten  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

Zwei Tage nach dem blutigen Massaker von Luxor, bei dem 68 Menschen, darunter 58 Touristen und sechs Attentäter, ums Leben kamen, wirkt die ägyptische Regierung immer noch relativ hilflos. In einem ersten Schritt hatte der ägyptische Präsident Husni Mubarak noch am Dienstag abend seinen Innenminister Hassan al-Alfi gefeuert. Noch vor al-Alfis Entlassung hatte Mubarak dazu einen neuen Sicherheitsplan angekündigt, laut dem Touristenorte und deren Zufahrtswege in Zukunft besser geschützt werden sollen. Ob so ein Plan wirklich existiert, darf bezweifelt werden. Denn der neue Innenminister, Generalmajor Habib al-Adli, ehemaliger erster Assistent al-Alfis, der lange Jahre im Staatssicherheitsdienst gearbeitet hat, hält sich bisher mit konkreten Plänen vornehm zurück. Man müsse den alten Sicherheitsplan im Lichte der Ereignisse neu bewerten, ließ er bei seiner Vereidigung lediglich verlauten.

Der Rausschmiß al-Alfis, der seinen Posten seit vier Jahren hatte, kommt keineswegs überraschend. Al-Alfi war äußerst unbeliebt und galt als in mehrere Korruptionsskandale verwickelt. Viele hatten erwartet, daß sein Kopf schon nach dem Anschlag auf einen Reisebus in Kairo vor zwei Monaten rollt, bei dem neun deutsche Touristen ums Leben gekommen waren. Es häufen sich derweil die Berichte, daß die Attentäter von Luxor mehr als eine halbe Stunde Zeit hatten, ihr blutiges Werk zu vollenden, bevor die Polizei schließlich die Verfolgung aufnahm. Auch als ihnen die Munition ausging, konnten sie in aller Ruhe mit Messern weitertöten.

Angesichts der offensichtlichen Versäumnisse des Staates rufen auch die ägyptischen Zeitungen zu schärferen Maßnahmen gegen die Islamisten auf. Der Chefredakteur der halboffiziellen Tageszeitung Al-Ahram beschreibt die gegenwärtigen Maßnahmen als unzureichend und ruft dazu auf, Methoden zu finden, die die Militanten mehr abschrecken. Der Chefkommentator der ebenfalls staatlichen zweitgrößten Tageszeitung Al-Akhbar fordert hingegen, das Problem der militanten Islamisten nicht alleine als Sicherheitsproblem zu begreifen. „Wir müssen aufhören, als Unbeteiligte zuzusehen und so zu tun, als ginge uns das alles nichts an“, schreibt er. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, alle Kräfte des Landes zu mobilisieren. „Man muß das Problem bei den Wurzeln anpacken, mit einer Strategie, an der alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte teilhaben, und es nicht nur dem Sicherheitsapparat überlassen.“ Der Chefredakteur der islamistischen Wochenzeitung Schaab, Magdi Hussein, meinte gestern, es sei Zeit, daß die Regierung die Waffenstillstandsangebote der islamistischen Gamaat ernst nimmt. Gewalt erzeuge nur noch mehr Gewalt, sagte er in einem Interview.

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