Adorno-Vorlesung in Frankfurt: Kritik begründen
Vor 50 Jahren starb Adorno. Anlässlich seines Todestags geht es in Frankfurt um den Einfluss des Philosophen auf die heutige Geisteswissenschaft.
Die vom Frankfurter Institut für Sozialforschung und dem Suhrkamp Verlag getragenen, seit 2002 jährlich stattfindenden Adorno-Vorlesungen widmen sich – entgegen dem Titel – nicht erbepflegerischer und schulbildender Adorno-Exegese, sondern sollen die heutigen Möglichkeiten kritischer Gesellschaftstheorie ausloten. In den vergangen Jahren referierten in diesem Sinne Philosophen, Soziologen, Historiker, Kunsthistoriker, Politologen und Literaturwissenschaftler von internationalem Rang.
Dazu gehören die Feministinnen Judith Butler, Eva Illouz und Danielle Allen wie der Historiker Quentin Skinner, der über Hobbes, und Steven Greenblatt, der über Shakespeare referierte. Soziologen, Politikwissenschaftler und Historiker beschäftigten sich mit aktuellen politischen Fragen, etwa mit „Sozialkritik“ (Luc Boltanski), mit der „Krise des Kapitalismus“ (Wolfgang Streeck) oder mit der „Deindustrialisierung“ (Lutz Raphael).
Die diesjährige Vorlesungsreihe steht im Zeichen des 50. Jahrestags von Adornos Tod am 6. August 1969. Abweichend von der bisherigen Schwerpunktsetzung wird der in Harvard lehrende Historiker und Philosoph Peter E. Gordon nicht über heutige Perspektiven kritischer Gesellschaftstheorie referieren, sondern über die Bedeutung, Interpretation und Rezeption des Werks Adornos und seinen Einfluss auf die heutige Sozial-, Kunst- und Kulturwissenschaft.
Gordon ist ein ausgewiesener Kenner der Werke Adornos und der Kritischen Theorie und hat dazu mehrere Bücher publiziert: „Adorno and Existence“ (2016), „Authoritarianism: Three Critical Inquiries in Critical Theory“ (2018). Auf Deutsch erschien sein Aufsatz „Kritische Theorie zwischen dem Heiligen und dem Profanen“ in der Zeitschrift WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung (13/1, 2016).
Goethe-Universität, Campus Bockenheim, Hörsaal IV, 12.–14. Juni, jeweils 18.30 bis 20.30 Uhr
Die drei Vorlesungen, die vom 12. bis 14. Juni auf dem Campus Bockenheim der Frankfurter Goethe-Universität stattfinden, stehen unter dem Titel: „Theodor W. Adorno and the Sources of Normativity“ und berühren einen Nerv der Kritischen Theorie, nämlich die Frage, wie Kritik und kritisches Denken zu begründen und zu rechtfertigen sind beziehungsweise auf welchen normativen Grundlagen sie operiert.
Gordon wird das Problem in drei Vorlesungen an drei basalen Voraussetzungen von Adornos Denken und Werk darlegen: Materialismus, Metaphysik, Ästhetik. Wie lassen sie sich begründen und rechtfertigen und welchen Quellen entstammen sie? Das anspruchsvolle Programm verspricht interessante Vorlesungen und Diskussionen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies