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Adbusting-Aktion vor dem LKA BerlinKeine Werbung für die Polizei

Die Polizei verhindert eine Adbusting-Aktion vor dem LKA. Eine Aktivistin legt nach Repressionen Verfassungsbeschwerde ein.

Bei Staatskritik reagiert die Polizei Berlin empfindlich: Polizisten schützen eine Werbevitrine Foto: Christian Mang

Berlin taz | Man muss der Polizei eines lassen: Sie hat an diesem Mittwochmorgen gut mitgespielt. Drei Polizisten stellen sich breitbeinig vor der Werbevitrine einer Bushaltestelle auf und schützen den Plakatkasten. Zuvor haben zwei Ak­ti­vis­t:in­nen mit pinkfarbenen Perücken, Spaßbrillen und Partyhütchen bei einer „Guerilla-Pressekonferenz“ angekündigt, dass sie direkt vor dem LKA am Platz der Luftbrücke ein Werbeplakat gegen ein polizeikritisches Adbusting austauschen wollen. Es wäre das letzte von 40 am frühen Morgen in der gesamten Stadt verteilten Plakaten mit der Aufschrift „Polizei abschaffen“ und Slogans wie „Statt uns mit strukturellem Rassismus zu beschäftigen, verfolgen wir lieber Adbustings“.

Doch als ein Aktivist die Vitrine mit einem „Rohrsteck-Kant­schlüssel aus dem Baumarkt“ öffnen will, schreiten die Polizisten ein. Woraufhin ein dritter Aktivist dazukommt, der einen Pfeil hochhält, auf dem „Rechtsbrecher*in“ steht und der nun auf die Polizisten zeigt.

Eine Ak­ti­vis­t:in fragt: „Können Sie uns sagen, auf welcher rechtlichen Grundlage das jetzt unterlassen werden soll?“ Antwort: „Das ist privatrechtlicher Natur und das müssen Sie unterlassen.“ Die Aktivistin protestiert: „Es gibt keine Grundlage dafür: Die Staatsanwaltschaft hat selbst geschrieben, dass Adbusting kein Straftatbestand ist, wenn man nichts beschädigt und das Plakat nicht klaut.“

Das stimmt: Nachdem die Polizei und auch die Staatsanwaltschaft Berlin solches Adbusting in den letzten Jahren rigide verfolgt haben, sieht zumindest die Staatsanwaltschaft mittlerweile offenbar ein, dass es keine Straftat ist, solange keine Plakate geklaut oder zerstört werden. Jüngste Ermittlungen seien deswegen eingestellt worden, wie die Ak­ti­vis­t:in­nen mit Verweis auf collagierte Schnipsel aus den Ermittlungsakten sagen.

Die Protestform

Adbusting Mit Adbusting bezeichnen Aktivist:innen das bewusste Verfremden, Überkleben oder Verfälschen von Werbeplakaten und -postern. Ein weiterer Begriff für Adbusting ist Culture Jamming, eine sich mit Werbung und Logos beschäftigende Kunstform. Dabei werden Werbestrategien und -formen übernommen und karikiert – häufig mit konsumkritischer Absicht.

Kommunikationsguerilla Adbusting sieht sich häufig in der Tradition der Kommunika­tionsguerilla, in der durch Information, Desinformation oder subversive Kommunikation versucht wird, etablierte Denkstrukturen zu durchbrechen. Häufig wird etwa eine Tradition zu den antiautoritären Spontis der 70er hergestellt, ebenso gibt es eine Nähe zu Hackerkultur oder anarchistischen oder situationistischen Ansätzen. Heute aktive Gruppen sind etwa das Peng!-Kollektiv oder das Zentrum für Politische Schönheit. (gjo)

Kriminalisierung wider die Meinungsfreiheit

Noch ein paar Monate zuvor hatten die Behörden demgegenüber wegen vermeintlich „schweren Diebstahls“ von Werbeplakaten mehrere Hausdurchsuchungen und sogar DNA-Analysen auf zweifelhafter Rechtsgrundlage durchgeführt (taz berichtete). Selbst im Verfassungsschutzbericht 2018 tauchte Adbusting als „gewaltorientierter Linksextremismus“ auf. Durch Linken-Anfragen ist bekannt, dass Adbusting-Verfahren Hunderte Aktenseiten füllen und sogar das Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern dazu viermal aktiv war. Und der Geheimdienst der Bundeswehr sammelt noch immer Daten über bundeswehrkritische Adbustings.

Eine Gruppe von Akti­vist:innen wehrt sich gegen die Repressionen: So hat eine Aktivistin mittlerweile Verfassungsbeschwerde gegen Durchsuchungen ihrer Wohnung eingelegt. Unterstützt wird sie dabei auch vom Verfassungsrechtler Andreas Fischer-Lescano, der die Kriminalisierung von Adbustings kritisiert und sie von der Meinungsfreiheit gedeckt sieht.

Die Po­li­zis­t:in­nen vor dem LKA sehen das allerdings anders. Als die drei Ak­ti­vis­t:in­nen wieder gehen, wollen sie eigentlich noch deren Personalien aufnehmen. Doch dazu kommt es nicht: Die Ak­ti­vis­t:in­nen laufen weg und sind schnell in der U-Bahn verschwunden.

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