Abwehrreflexe in der Bremer Politik: Rassismus gibt es nicht
Bremen hat sich viel vorgenommen im Kampf gegen Rassismus. Das geht schief, solange man das eigene rassistische Handeln verleugnet.
A m Ende wird es wieder kein Rassismus gewesen sein. Wenn in Bremen Schwarzen Frauen nicht geglaubt wird, dass derjenige, den sie als Vater ihres Kindes angeben, es auch ist, und wenn örtliche Standesbeamt*innen Müttern aus afrikanischen Ländern prinzipiell unterstellen, unwahre Angaben über ihren Familienstand zu machen, ist das sicher bedauerlich.
Aber wer dieses Handeln im Wirkungskreis von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) als rassistisch bezeichnet, wird es mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) zu tun bekommen. Woher wir das wissen? Aus Erfahrung.
Denn, als der Flüchtlingsrat und die Selbsthilfeorganisation „Together we are Bremen“ im Frühjahr angesichts übler Zustände in Geflüchtetenunterkünften und zynischer Äußerungen der dafür verantwortlichen Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) von Rassismus sprachen, war auch da die Attacke das Mittel des Senats, eine sachliche Auseinandersetzung zu unterdrücken.
Gekränkt sein hilft, Probleme zu leugnen
Bovenschulte behauptete wahrheitswidrig in einer Regierungserklärung, die Sozialsenatorin wäre als Rassistin bezeichnet worden. Vor zwei Wochen erst, im Bremer taz-Salon, bekräftigte er diese Darstellung noch. Ob eine Person oder eine Handlung als rassistisch kritisiert werde, sei das Gleiche. „Wir sind ja nicht im Proseminar“, sagte er,, sondern im politischen Diskurs.“
Tatsächlich ist auch das falsch, denn: Wo Kritik an Handlungen und Aussagen mit Angriffen auf die Person verwechselt wird, lassen sich Sachverhalte gerade nicht mehr aushandeln. Dieser – bestenfalls – Abwehrreflex dient dazu, einen Diskurs zu beenden, wo er unangenehm ist – bei der Frage nach der eigenen Rolle.
Das ist tragisch, weil sich die rot-grün-rote Koalition viel vorgenommen hat im Kampf gegen Rassismus. Wer sich aber derart gegen Kritik immunisiert, wird diesbezüglich kaum mehr zustande bringen als Verfassungsfolklore. Es kommt auf die Taten an. Nicht auf den Willen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört