piwik no script img

Abtreibungsstreit um Paragraf 219aSPD und Verbände machen Druck

Die Gegner des Werbeverbots für Abtreibungen werden ungeduldig. Die SPD will eine Lösung bis Herbst. Verbände schicken Offenen Brief an die Bundesregierung.

Demo gegen das Werbeverbot in Gießen im November 2017 Foto: dpa

Berlin epd | In der Auseinandersetzung um das Werbeverbot für Abtreibungen wächst aufseiten der Gegner die Ungeduld. Die SPD setzte der Union am Montag in Berlin eine Frist bis zum Herbst für einen möglichen Kompromiss. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte gegenüber der Bild-Zeitung, dass Frauen sich informieren könnten, sei auch erreichbar, ohne Gesetze zu ändern. Demgegenüber forderte ein Verbände-Bündnis in einem Offenen Brief an die Bundesregierung und die Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD, den Strafrechtsparagrafen 219a abzuschaffen.

Nach dem Beschluss des SPD-Parteivorstandes würde man mit den reformwilligen Fraktionen im Bundestag nach einer anderen Lösung suchen, sollte bis Herbst kein Kompromiss mit der Union gefunden werden, hieß es. Bei einer Abstimmung ohne Fraktionszwang über Gruppenanträge wäre eine Mehrheit für eine Reform des Paragrafen 219a wahrscheinlich. Die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder werden aufgefordert, sich für gesetzliche Änderungen einzusetzen. Ärzte müssten straffrei über Schwangerschaftsabbrüche informieren können und das Informationsrecht für schwangere Frauen müsse gewährleistet werden, heißt es in dem Vorstandsbeschluss.

Der Paragraf 219a stellt die Werbung für und die Ankündigung von Abtreibungen unter Strafe. Ende 2017 war eine Gießener Ärztin verurteilt worden, weil sie auf der Internetseite ihrer Praxis darüber informiert hatte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Linkspartei, Grüne und SPD wollen den Paragrafen abschaffen.

Die SPD verhandelt mit der Union über einen Kompromiss. CDU, CSU und AfD wollen am Werbeverbot festhalten. Die SPD-Bundestagsfraktion verfolgt ihren eigenen Antrag auf Streichung des Paragrafen 219a aus Rücksicht auf die Union derzeit im Bundestag nicht weiter. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) soll einen Gesetzesvorschlag erarbeiten.

Gesundheitsminister Spahn bekräftigte in der Bild-Zeitung, dass aus seiner Sicht eines Gesetzesänderung nicht notwendig sei, damit Frauen in eine schwierigen Konfliktsituation sich umfänglich informieren könnten. Der Präsident der Ärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, der selbst für eine Streichung des Paragrafen 219a eintritt, verlangt neben den Informationsmöglichkeiten für Frauen auch Rechtssicherheit für Ärzte, die über Abtreibungen informieren wollen.

Verbände adressieren Merkel, Barley, Giffey und Spahn

Sozial- und Frauenverbände sowie Gewerkschaften und Fachverbände wie pro familia forderten einen freien Zugang zu Informationen über Abtreibungen. Angesichts zahlreicher Klagen gegen Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, dränge die Zeit. Schwangere Frauen in einer Notlage müssten das Recht auf umfassende Information sowie freie Arztwahl haben, erklärte der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Stadler.

Im Einzelnen wenden sich die Verbände an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU), Justizministerin Barley und Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD), die zuletzt eine Reform des Paragrafen 219a gefordert hatte.

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Ulle Schauws, unterstützte den Aufruf der Verbände. Die Regierung aus Union und SPD dürfe das Thema nicht weiter verschleppen. Schauws hatte schon im vergangenen Jahr die Fachpolitiker im Bundestag zu Gesprächen eingeladen. Sie sagte, die SPD dürfe sich nicht mit einer Scheinlösung abfinden, die den Schwangeren und der Ärzteschaft umfassende Informationsrechte vorenthalte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • "Wenn ohne Fraktionszwang" usw. - immer wieder wird von diesem Fraktionszwang gefaselt. Dabei gibt es den gar nicht. Fraktionsdisziplin dagegen sehr wohl. Doch selbst die scheint mir hier nicht das geeignetste Wort zu sein. Was eher im Weg steht, ist die Koalitionsdisziplin. Doch die hat nun mal auch durchaus ihre Berechtigung. Planbarkeit und die mögliche Zuordnung von Verantwortlichkeit z. B .

  • "Die SPD setzte der Union am Montag in Berlin eine Frist bis zum Herbst für einen möglichen Kompromiss."

     

    Das Gesetz könnte längst weg sein, wenn die SPD nicht vor der Union eingeknickt wäre. Die SPD verschleppt eine Entscheidung.

  • Das Werbeverbot für Abtreibungen sollte bleiben. Die Entscheidung über eine mögliche Abtreibung sollte vollkommen unbeeinflusst von kommerziellen Interessen sein.

    • @Nikolai Nikitin:

      Werbeverbot vielleicht, doch geht es hier doch auch darum, dass Informationen an sich zu veröffentlichen nicht mehr strafbar sein soll.

    • @Nikolai Nikitin:

      Kommen Sie doch bitte mal der wiederholten Aufforderung nach, zu erläutern, worin das besondere kommerzielle Interesse bestehen soll. Es ist ja nicht so, dass mit Abtreibungen viel Geld verdient wird oder dass Ärzte sonst nichts zu tun hätten.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Eine Abtreibung ist keine übliche ärztliche Leistung wie z.B. eine Blinddarm-OP. Mit der Blinddarm-OP wird Leben erhalten, mit der Abtreibung Leben vernichtet.

        • @Nikolai Nikitin:

          Da wird kein Leben vernichtet, sondern es wird eine Schwangerschaft (Zellhaufen werden abgesaugt, das ist noch kein Leben und es unsicher, ob je ein Mensch. draus wird, denn der natürliche Abbruch geschieht häufig) unterbrochen, die Sie NIE austragen müssten und auch nie die Verantwortung dafür eventuell den Rest Ihres Lebens tragen müssten.

          • @Frau Kirschgrün:

            Bereits die Verwendung des Begriffes 'Zellhaufen' für einen Embryo ist für mich eine unmoralische Entwürdigung menschlichen Lebens.

            • @Nikolai Nikitin:

              Moral hat dabei gar nichts zu suchen. Und ein Zellhaufen ist ein Zellhaufen. das ändern auch Sie nicht.

              Das ist per definitionem kein Embryo.

              • @Frau Kirschgrün:

                Selbstverständlich ist das ungeborene Leben per defnitionem auch schon ab dem vierten Tag der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle ein Embryo:

                https://medical-dictionary.thefreedictionary.com/embryo

                • @Nikolai Nikitin:

                  Allerdings halte ich bei der derzeitgen rechtlichen Regelung fest und bleibe bei meiner Meinung.

                   

                  Ein Schwangeschaftsabbruch ist eine Schwangerschaftsunterbrechung und keine Tötung, da das Leben erst im Enstehen ist, und oft auch natürlich noch beendet wird. Für mich steht das Leben (im doppelten Sinne) der Frau im Vordergrund.

                   

                  Es bleibt Ihnen ja offen, allen Frauen, die eine Schwangerschaft unterbrechen wollen, anzubieten, die Kinder dann zu adoptieren.

                  Sie können auch gerne schon einige Kind aus einer "kaputten", einer AlG2-Familie oder aus dem Heim zu sich holen.

                   

                  Das wollen Sie aber wahrscheinlich nicht…

                   

                  Viele Schwangerschaften entstehen ungewollt…

                   

                  Abtreibungen muss eine Gesellschaft "aushalten", die es nicht schafft, Kinderin einer existenzsichernden, gesunden, liebevollen und guten Umgebung aufwachsen zu lassen.

                • @Nikolai Nikitin:

                  Sorry, das habe ich falsch gesehen.