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Abtreibungsrecht für UnverheirateteGroßer Sieg für „Indiens Töchter“

Indiens höchstes Gericht spricht Unverheirateten gleiches Abtreibungsrecht zu. Erstmals befasst es sich auch näher mit Vergewaltigung in der Ehe.

Der Oberste Gerichtshofs in Neu-Delhi Foto: Tsering Topgyal/ap

Mumbai taz | Im Gegensatz zu manch anderen Ländern sind in Indien Abtreibungen kein so großes Tabu. Dennoch war es in der Vergangenheit für ungewollt Schwangere und zugleich Ledige nicht leicht, einen sicheren Schwangerschaftsabbruch zu bekommen. Doch das könnte sich nun mit einem bahnbrechenden Urteil ändern: Der Oberste Gerichtshof in Indien entschied am Donnerstag, das Recht auf Abtreibung auf alle Frauen unabhängig vom Familienstand bis zur 24. Schwangerschaftswoche auszuweiten.

Bisher erlaubte das Gesetz nur verheirateten Frauen einen Schwangerschaftsabbruch. Das Gericht entschied aber jetzt, dass nicht zwischen verheirateten und unverheirateten Frauen diskriminiert werden dürfe. Angestoßen hatte das Urteil eine Unverheiratete, die vor Gericht das Recht eingefordert hatte, ihre Schwangerschaft abzubrechen.

Die Abtreibung einer Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung in der Ehe ist nun ebenfalls legal. Damit erkannte das Gericht zum ersten Mal den Begriff der Vergewaltigung in der Ehe an. „Wir wären nachlässig, wenn wir nicht anerkennen würden, dass Gewalt in der Partnerschaft eine Realität ist“, äußerte sich Richter Dhananjaya Y. Chandrachud. Dass das Gericht auch dieses heikle Thema aufgriff, wurde von Frauenvertretenden begrüßt.

Das Urteil dürfte weitreichende positive Auswirkungen haben: Schätzungen zufolge werden in Indien jedes Jahr mehr als drei Millionen unsichere Abtreibungen vorgenommen, diese Zahl könnte nach dem Urteil sinken.

Sieben tödliche Abtreibung pro Tag

Laut eines Berichts des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) sind unsichere Schwangerschaftsabbrüche die dritthäufigste Ursache für Müttersterblichkeit in Indien. Jeden Tag kommen so mehr als sieben Frauen ums Leben. Zudem zeigen Studien aus Indien, dass ungewollte Schwangerschaften zu geringerer Fürsorge und schlechterem Gesundheitszustand bei Säuglingen und Müttern führen.

Das bisherige Gesetz erlaubte zwar bestimmte Schwangerschaftsabbrüche, gab Schwangeren aber keine vollständige Kontrolle über ihre reproduktiven Entscheidungen. Eine Neuerung gab es bereits im vergangenen Jahr, als die zulässige Frist für einen Abbruch von der 20. auf die 24. Schwangerschaftswoche erhöht wurde. Das galt damals aber weiterhin nur für verheiratete Frauen. (In Deutschland dagegen ist ein Abbruch bis zur 22. Woche nach einer Konfliktberatung erlaubt, generell ist er strafbar.)

Erleichterungen für Minderjährige und trans Personen

Darüber hinaus machte das Gericht Aussagen zum Recht auf Abtreibung für minderjährige Mädchen und trans Menschen. Ärzte sind mit diesem Urteil nicht mehr verpflichtet, Behörden über Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen zu informieren, wenn diese und ihre Erziehungsberechtigten dies nicht wünschen. Die Abschaffung dieser Hürde könnte es Eltern und ihren betroffenen Kindern leichter machen, sich für einen sicheren und medizinischen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, ohne dadurch ein Stigma fürchten zu müssen.

Das Gericht erklärte zudem, dass der Begriff „Frau“ auch andere Personen als nur „cis-gender-Frauen“ einschließe. Damit könnte es den Weg für legale Abbrüche bei trans Menschen ebnen. Aktivisten sexueller Minderheiten fordern aber eine klarere Stellungnahme.

Gleichwohl überwiegen die Stimmen, die mit dem Urteil zufrieden sind: „Der Oberste Gerichtshof hat das Recht der Frauen auf Freiheit, Selbstachtung und Privatsphäre gestärkt“, sagt die Mumbaier Sozialarbeiterin Sujata Lawhande der taz. Auch Swati Maliwal, Vorsitzende der städtischen Kommission für Frauen in Indiens Hauptstadt Delhi (DCW), begrüßte die Änderung als fortschrittlich. Ein TV-Sender nannte sie einen „großen Sieg für Indiens Töchter“.

Seit 1971 sind Schwangerschaftsabbrüche in Indien unter bestimmten Voraussetzungen legal. Beispielsweise, wenn eine Schwangerschaft eine Gefahr für Leben und Gesundheit der Schwangeren darstellt oder eine schwere Behinderung des Kindes droht. Eine weitere Ausnahme ist eine schwache sozioökonomische Situation bei Familien mit mehr als zwei bis drei Kindern.

Weiterhin verboten ist die geschlechtsselektive Abtreibung weiblicher Föten. Wie in anderen asiatisch-pazifischen Ländern, hatte diese in Indien zu einem geringeren weiblichen Anteil an der Bevölkerung geführt, seit Eltern in den 90er Jahren mit dem Ultraschallgerät frühzeitig das Geschlecht ihres ungeborenen Kindes bestimmen können.

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