Abtreibungsarzt und Paragraf 219a: Hetze mit „Pizza-Flyern“
Auch der Mediziner Friedrich Stapf stand schon wegen des Abtreibungsparagrafen vor Gericht. Derzeit wird mit geschmacklosen Flyern gegen ihn gehetzt.
„In dieser Art habe ich das noch nie erlebt“, sagt Friedrich Stapf. Das Deckblatt des Flyers sieht aus wie die Werbung eines Pizza-Lieferdienstes. Innen aber ist ein Foto des Abtreibungsarztes mit wutverzerrtem Gesicht zu sehen, seine Klinik wird als „Kinderschlachthof“ bezeichnet mit „Kinderschlachtung im Akkord“. Abgebildet sind die „Pizza Mafioso“ und „Pizza Diabolo“ – als Belag liegen darauf blutige, teils zerstückelte Föten.
Zumindest in München wurden die Flugblätter verteilt, die sich auf diese ekelhafte Weise gegen den 71-Jährigen und seine Klinik im Stadtteil Freiham richten. Stapf gilt deutschlandweit als einer der erfahrensten Mediziner für Schwangerschaftsabbrüche, in seiner knapp 40-jährigen Berufstätigkeit hat er schon rund 100.000 vorgenommen. Und damit ist er zur Zielscheibe radikaler Abtreibungsgegner geworden. Stapf hat das Flugblatt der Polizei übergeben – ohne Hoffnung auf Strafverfolgung: Die Aktionen der Gegner gelten häufig als von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Pingelig hingegen zeigt sich die Strafverfolgung beim Paragraf 219a des Strafgesetzbuches, den Stapf abschaffen will: Er verbietet die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche und wird in der Praxis auch gegen Abtreibungsärzte angewandt, die öffentlich nur über ihre Tätigkeit informieren. Erst vor zehn Tagen wurde die Gießener Ärztin Kristina Hänel zu 6.000 Euro Geldstrafe verurteilt, weil sie auf ihrer Homepage geschrieben hatte, dass sie Abbrüche vornimmt.
Friedrich Stapf ist auch schon vor Gericht gebracht worden, weil in dem Ärzteportal Jameda stand, was er macht. Das Verfahren wurde gegen 500 Euro Geldbuße eingestellt, seine Anwaltskosten lagen bei 2.500 Euro. Über eine Abschaffung oder Änderung des Paragrafen 219a wollen in dieser Woche Vertreter der Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen, Linken und der FDP reden.
Mit „übelst verpfuschten Abtreibungen“
Stapf sieht sich durch den Paragrafen derartig bedroht, dass er sich etwa in der taz nicht mit dem Satz zitieren lässt, er betreibe in München Schwangerschaftsabbrüche. Dafür finden sich auch am großen „Gesundheitszentrum Medi-Care“ in München-Freiham keine Hinweise. Eine Kinderkrippe ist dort untergebracht, Physiotherapie, Zahn- und Augenärzte. Auf der Info-Tafel im Eingang steht für den zweiten Stock nur „Klinik Stapf“, sonst nichts.
„Schwangerschaftsabbrüche werden sich nie verhindern lassen“, meint der Arzt, „darum müssen sie auch ordentlich gemacht werden.“ Stapf entschied sich, ein solcher Arzt zu werden, als er Ende der 60er Jahre seine Famulatur in einer gynäkologischen Klinik machte. Dorthin kamen reihenweise Patientinnen nach damals illegalen und, wie sich Stapf erinnert, „übelst verpfuschten Abtreibungen“.
Die Ärzte bemühten sich, Leben zu retten, sie mussten Gebärmütter entfernen, manche Frauen starben. Stapf sagt: „Ich möchte, dass die Frauen nach einem Abbruch gesund rausgehen können.“ Und die Ärzte, die sie behandeln, nicht vor Gericht landen.
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