piwik no script img

Absturz der MH17 in der Ukraine„Russland hat bewusst betrogen“

Das britische Internetportal Bellingcat behauptet nachweisen zu können, dass Fotos vom Flugzeugunglück 2014 gefälscht wurden.

Ermittler an der Absturzstelle der MH17. Foto: reuters

Kiew taz | Mehrere Fotos des russischen Verteidigungsministeriums, die eine angebliche Täterschaft ukrainischer Streitkräfte beim Abschuss des malaysischen Flugzeugs MH17 am 17. Juli 2014 in der Ostukraine beweisen sollten, hat das britische Internetportal Bellingcat untersucht und kommt zum Schluss: Mindestens drei dieser Fotos sind stark manipuliert. Mit der Methode „Error Level Analysis“ (ELA) ist es den Journalisten des Portals nach eigenen Angaben gelungen nachzuweisen, dass die Fotos bereits einen Monat vor dem Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs aufgenommen worden sind.

Diese Erkenntnis bestätigen auch vergleichende Untersuchungen von Google-Satellitenbildern. So sei auf einem Foto eine Wolke nachträglich in das Bild hineinmontiert worden, um einen Wald zu verbergen, der zum Zeitpunkt des Abschusses bereits abgeholzt war. Auch ein Ölfleck vor einem parkenden Auto entspreche nicht der Größe dieses Ölflecks, wie er auf den Bildern des russischen Verteidigungsministeriums zu sehen sei, so Bellingcat.

Bei einem weiteren untersuchten Foto, das das russische Verteidigungsministerium 2014 der Presse vorgelegt habe, habe man ebenfalls eine nachträgliche digitale Bearbeitung nachweisen können. „Wir stellen fest, dass die von uns untersuchten drei Fotos mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mit Adobe Photoshop CS5 digital verändert worden sind“, heißt es in einer Veröffentlichung von Bellingcat. Alle drei Fotos stammten aus der Zeit vor dem 17. Juli 2014. Die russische Regierung, so folgert Bellingcat, habe die Weltöffentlichkeit und die Angehörigen der Opfer des Fluges MH17 bewusst betrogen.

Bisher habe sich weder die russische Regierung noch eine ukrainische Regierungsstelle zu den Veröffentlichungen von Bellingcat geäußert. „Ich bin kein Experte und kann die Untersuchung von Bellingcat nicht abschließend beurteilen“ sagte der ukrainische Politologe Vladimir Fesenko der taz. „Ich gehe aber davon aus, dass die Ergebnisse von Bellingcat mit hoher Wahrscheinlichkeit der Wahrheit entsprechen. Russland will keine Verantwortung für sein Handeln im Juli 2014 übernehmen.“

Rechercheplattform Bellingcat

Bellingcat ist eine Enthüllungsplattform, die 2014 nach einer Crowdfunding-Kampagne vom britischen Blogger Eliot Higgins gegründet wurde. Sie bringt Journalisten zusammen, die investigativ arbeiten. Das Recherche-Netzwerk wertet vor allem frei zugängliche Quellen wie Satellitenbilder und Informationen aus sozialen Medien wie Videos und Fotos aus. Higgins machte sich mit seinem 2012 gestarteten Brown Moses Blog einen Namen als Waffenexperte im Syrienkonflikt. (dpa)

Das Internetportal Bellingcat wurde im Juli 2014 von dem britischen Journalisten Eliot Higgins ins Leben gerufen. Finanziert wird das Projekt über Spenden und Crowdfunding. In den Jahren davor hatte sich Higgins mit Veröffentlichungen zum Syrienkrieg einen Namen gemacht. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International beriefen sich in ihren Veröffentlichungen zu Syrien wiederholt auf den Briten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Lieber Herr Clasen, liebe TAZ, - nach so vielen Tagen liest es eh keiner, trotzdem: Journalistische Sorgfalt und Redlichkeit würden gebieten, auch davon zu berichten, daß Bellingcats "Bildanalysen" bzw. die Schlußfolgerungen, die daraus gezogen werden, mittlerweile von vielen Seiten mit gewichtigen Argumenten angezweifelt worden sind: http://www.heise.de/tp/artikel/45/45105/1.html und http://www.broeckers.com/2015/06/02/bellingkatzenfotos-im-infokrieg/. Der SPIEGEL hat sich daraufhin korrigiert: http://www.heise.de/tp/artikel/45/45119/1.html

  • Bellingcat ist komplett inkompetent. Aus einem Arbeitslosen wurde zuert ein Syrischer Waffenaanalytiker und jetzt noch ein Russischer Waffenforensiker.

    Die Darstellung des EDV Forensikers aus Australin Charles Wood ist sehr gut nachvollziehbar. Warum sollten Russen eine Englischsprache Acrobat Version nutzen ? Dazu ohne Orgiinale weder von der Russischen noch der Google Earth Seite.

    Information basierend auf Twiter, Homepages etc. haben NULL Beweiskraft und sind in vielen Fällen >80% gefälscht. Journalisten die den Namen verdienen verzichten auf solch dubiose Quellen.

  • Wie jetzt? Ein Fachmann (darf man annehmen) bezeichnet eine Bildfälschung als Fälschung, und schon ist er "Teil des Propagandakriegs"?

     

    Die Bilder wären ja eigentlich schon dazu da, etwas zu beweisen. Wenn nun hier eine Wolke in ein Bild hineinmontiert wurde, ist das nicht eine seltsame Art der Bearbeitung eines angeblichen "Beweisfotos"? Und könnte man dann nicht annehmen, das sei geschehen, um nicht etwa etwas zu beweisen, sondern etwas zu verschleiern? Oder trifft das nur auf Schleierwolken zu? Bin leider weder Jurist noch Meteorologe...

  • Wie auch immer, über Bellingcat und seinen Macher wurde im TAZ-Artikel "Krieg ist sein Hobby" vom 13.8.2014 berichtet. Keine Ahnung, wieso die jetzt hier so seriös dagestellt werden. Den Bericht von Bellingcat gibt es auf deutsch und sollte gelesen werden. Für mich aber mindestens ebenso fragwürdig...

    • @R.W.:

      Ralf Sotschecks Artikel vom 13.8.2014 liefert mir keinerlei Anhaltspunkte für die hier an verschiedenen Stellen (nicht nur bei Ihnen) durchscheinende Mutmaßung, dass "Bellincat" eine unseriöse Quelle sei. Eigentlich eher das Gegenteil. Und Sotscheck ist bisher nicht gerade als williger Handlanger des bösen bösen Westens aufgefallen, soweit ich das beurteilen kann.

      • @HP Remmler:

        @HP Remmler: Ist mir schon klar, das Herr Sotscheck kein "williger Handlanger des bösen bösen Westen" ist. Lesen Sie meinen Text einfach nochmal durch, ich denke dann verstehen Sie mich besser.

         

        Und vielleicht lesen Sie auch mal das hier: https://hogymag.wordpress.com/2015/06/02/bellingcat-analyse-mh-17-so-unserios-wie-bild-und-spon/

         

        Selbst bei der TAZ wird leider seit geraumer Zeit fast tägliche eine neue Sau durchs Dorf getrieben, ... oder sollte ich lieber Ente sagen?

        Wenn ich da an die Nachricht vom ERFUNDENENEN Oktoberfestverbot in Moskau denke.....

        Ich bin weder Ami- noch Russenversteher, ich wünsche einfach nur sachlich und möglichst objektiv informiert zu werden, ohne das einem die Einseitigkeit der Darstellung schon bein Überfliegen des jeweiligen Artikels ins Gesicht springt. Wenn das klappt, dann bin ich ein durchaus treuer Leser.

        Doch leider führt die von mir regelmäßig GEKAUFTE Printausgabe allzu oft zu Sodbrennen und/oder Herzrasen. So viel zur Qualität und Verlässlichkeit hiesiger Informationen.

  • Bellingcat ist keine neutrale Plattform - sie ist Teil des Propagandakrieges. Die Kritik an Bellingcat ist im Netz auch zu finden (http://7mei.nl/2015/06/01/about-bellingcats-claim-russian-sat-pics-fake/) - auch sie ist nicht neutral sondern wiederum die russische Seite des Propagandakrieges.

    Bilder werden aufbereitet - sie deshalb als Fälschungen zu bezeichnen geht einen Schritt zu weit. Ein Bild ist fälschbar und kein Beweismittel. So überführt Bellingcat hier niemanden der Fälschung. Auch wenn wir uns das sehr wünschen - die Wahrheit ist hier für normale Bürger in Mitten der Propagandaschlacht nicht feststellbar.

    • @Velofisch:

      Verstehe ich irgendwie nicht; Ein Wald musste der Schönheit des Bildes wegen noch einmal digital abgeholzt werden ?

      Gibt es da etwa nicht bzgl. zeitl. Manipulation einen starken Verdacht und wenn es beweisbar ist, ist es nicht egal, welcher Maulwurf es ausgebuddelt hat ?

  • Ich erinnere mich, dass an dem bewussten Tag berichtet wurde, die Separatisten hätten auf ihrer Internet-Seite vorübergehend eine Meldung gebracht, wonach sie nun auch in der Lage seien, Kampfflugzeuge aus großer Höhe abzuschießen. Als sich die Hinweise verdichteten, dass in dem fraglichen Gebiet ein Passagierflugzeug verschwunden war, wurde diese „Erfolgsmeldung“ urplötzlich gelöscht.

     

    Später stritten die Separatisten jegliche Beteiligung ab. Sie „bewiesen“ das damit, dass sie ja gar nicht die entsprechende Bewaffnung und Ausrüstung hätten; die hätten doch nur die Kiewer Regierungstruppen!

     

    Leider fanden sich kein Ermittler und kein investigativer Journalist, die diesem offensichtlichen Widerspruch auf den Grund gegangen wären!

  • Liest man sich den TAZ-Artikel vom 13.8.2014 über den Bellincat-Macher durch, dann erscheint der doch eher in sehr zweifelhaftem Licht. (http://www.taz.de/!5035731/)

     

    Hätte der Herr Clasen vielleicht ja mal lesen sollen......