Abstimmung zu EU-Vorsitz: Ungarn? Ungern!
In einer rechtlich nicht bindenden Erklärung hat das Europaparlament die Eignung Ungarns für den EU-Vorsitz ab Juli 2024 infrage gestellt.
Die Ratspräsidentschaft plant die EU-Agenda und bereitet wichtige Beschlüsse vor. Dabei ist Verhandlungsgeschick, aber auch Unparteilichkeit gefragt. Bisher ist noch nie eine Regierung übergangen worden. Mit Ungarn kommt nun aber ein Land an die Reihe, das nach Ansicht vieler Abgeordneter gegen Grundwerte verstößt und die Arbeit blockiert. Angesichts der eingefrorenen EU-Gelder und der zunehmenden Rechtsverstöße stelle sich die Frage, ob Budapest glaubwürdig den Vorsitz übernehmen könne.
In der Resolution des Europaparlaments werden die EU-Staaten aufgefordert, „so rasch wie möglich eine angemessene Lösung“ zu finden. Andernfalls werde das „Parlament geeignete Maßnahmen ergreifen“. Die Abgeordneten mischen sich damit in die Angelegenheiten des Rates ein – ein bisher einmaliger Vorgang.
Vor der Abstimmung am Donnerstag waren vor allem deutsche Abgeordnete auf Konfrontationskurs gegen Orbán gegangen. Noch vor wenigen Jahren haben eigentlich CDU/CSU einträchtig mit der ungarischen Fidesz-Partei zusammengearbeitet. Nun wollen Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne verhindern, dass Orbán die EU-Geschicke lenkt.
„Putins bester Freund“ würde den EU-Vorsitz übernehmen
Besonders unnachgiebig zeigt sich Daniel Freund von den Grünen. Orbán verdiene „diese Bühne“ nicht, sagte er. Dabei gehe es nicht nur um Rechtsstaat und Korruption, sondern auch um die Außenpolitik. Wenn man „im Grunde Putins bestem Freund“ die Ratspräsidentschaft überlasse, dann bestehe „ein Sicherheitsrisiko“ für Europa.
Tatsächlich hat Ungarn immer wieder EU-Beschlüsse zu Russland oder zur Ukraine blockiert. Allerdings ist es Orbán noch nie gelungen, Sanktionen zu verhindern oder Waffenlieferungen zu stoppen. Für die ungarische Justizministerin Judit Varga sind die Bedenken politisch motiviert und „Blödsinn“.
Nicht nur die EU-Abgeordneten, sondern auch einige Europaminister stellen den ungarischen EU-Vorsitz infrage. Die deutsche Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) hat „Zweifel daran“, der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra sprach von einem „Unbehagen“ über die Rolle Ungarns in der EU – jedoch stellt er nicht die ungarische Ratspräsidentschaft infrage.
Das letzte Wort haben nun die Staats- und Regierungschefs, die bisher versucht haben, Probleme beim EU-Vorsitz einvernehmlich zu regeln. So hat schon einmal ein Land freiwillig ausgesetzt – etwa bei kurzfristig angesetzten Wahlen. Zwangsweise suspendiert wurde jedoch noch kein einziges EU-Mitglied. In der konsensorientierten Union wäre das ein Tabubruch.
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