US-Botschafter in Ungarn: Kritik an homophober Politik Orbans

David Pressman hat eine regierungskritische Rede beim Pride-Auftakt in Budapest gehalten. Derweil schießen sich ungarische Medien auf George Soros' Sohn ein.

Frau mit Hut und Sonnenbrille, auf deren Gläsern sich die Regenbogenflagge spiegelt

Szene vom Budapester Pride im Juli 2016 Foto: dpa/Zoltan Balogh

BUDAPEST/WIEN afp | Der US-Botschafter in Ungarn hat die „homophobe“ und „opportunistische“ Politik von Ministerpräsident Viktor Orban kritisiert. „LGBTQ-Menschen werden auf der ganzen Welt angegriffen, auch in Ungarn“, sagte der Diplomat David Pressman am Freitag zum Auftakt des Pride-Monats in Budapest. „Wir glauben, dass Gewalt und homophobe Politik auf Opportunismus und nicht auf Überzeugungen zurückzuführen sind, aber sie richten trotzdem Schaden an“, erklärte der Botschafter.

Der 46-jährige Pressman, der offen schwul und seit September US-Botschafter in Ungarn ist, hat die Regierung in Budapest schon mehrfach kritisiert. Am Freitag forderte er die von der Regierung „kontrollierten“ ungarischen Medien auf, über seine „gesamte“ Rede zu berichten.

Eine homophobe Grundierung hat auch die Hetze ungarischer Politiker und Medien gegen einen Akteur, den sie als neuen Feind nationaler Interessen ausgemacht haben. Es handelt sich um den Sohn des Milliardärs und Philanthropen George Soros. Jahrelang war letzterer das Feindbild Nummer eins der rechtspopulistischen ungarischen Regierung. Doch seit er seine einflussreichen Stiftungen an den 37-jährigen Alexander Soros abgegeben hat, ist dieser nun zum Ziel rechtspopulistischer Stimmungsmache geworden.

Der gebürtige Ungar George Soros wurde als Finanzexperte in den 1970er und 1980er Jahren in den USA reich. Mit seinem Vermögen gründete er die Open Society Foundations (OSF), die Demokratie, gute Regierungsführung und liberale politische Initiativen fördern.

Für Rechte und Populisten ist Soros eine Hassfigur, der sie dunkle Machenschaften vorwerfen. Als Jude ist der Milliardär auch immer wieder antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Weil sich die Stiftungen für die Rechte von Flüchtlingen einsetzen, warf die ungarische Regierung Soros etwa vor, Europa mit Migranten „überschwemmen“ zu wollen.

„Die Regierung hat George Soros zu einer Art unumstrittenen Feind gemacht“, der für alles verantwortlich sei – von der hohen Inflation bis hin zu Ungarns außenpolitischer Isolation, sagt Peter Kreko, Geschäftsführer der Denkfabrik Political Capital in Budapest, die auch von OSF unterstützt wird.

Als am Montag bekannt wurde, dass der 92-Jährige die Kontrolle über sein philanthropisches Imperium nun seinem Sohn überlässt, war Orban einer der ersten, der die Nachricht kommentierte. Unter der Überschrift „Soros 2.0“ twitterte er eine Szene aus dem Film „Der Pate“, in welcher der Mafiaboss seinen Sohn küsst.

Soros habe „ein Vermögen für den Versuch ausgegeben, die Ereignisse, einschließlich Wahlergebnissen, zu beeinflussen“, erklärte Regierungssprecher Zoltan Kovacs anlässlich des Führungswechsels. „Und das alles ohne demokratisches Mandat. Die Vertreter des Soros-Netzwerks wurden nie gewählt, in gewissem Sinne könnte man sagen, dass sie fast eine Mafia sind“, sagte er.

Die weiteren Reaktionen zeigen die Bandbreite und die Methoden der regierungsfreundlichen Medienlandschaft in Ungarn, in der es kaum noch unabhängige kritische Stimmen gibt. Die Website Origo veröffentlichte ein Foto, das Alexander Soros zusammen mit einem Mann zeigt, den die regierungsnahe Plattform als seinen „Lebenspartner“ bezeichnete. „Die beiden umarmen sich oft und halten Händchen“, schrieb Origo weiter. „Das ist offensichtlich Teil der LGBTQ-Propaganda des jungen Soros.“ Hirado, ein Programm des wichtigsten öffentlichen Senders, verbreitete die Behauptungen der privaten Website weiter.

Bereits 2018 hatten regierungsnahe Medien die Falschmeldung veröffentlicht, Alexander Soros sei auf der Homosexuellen-Parade Budapest Pride gesichtet worden. Thinktanks, die Orbans Fidesz-Partei nahe stehen, wiederholen gern die Rhetorik der Regierung.

Tamas Fricz vom Institut Alapjogokert Központ griff in Kommentaren die Andeutungen über das Privatleben von Soros junior auf. Der Sohn werde noch „radikaler“ sein als sein Vater, wenn es um „die Frage einer Weltregierung, Impfpflicht oder Abtreibung“ gehe, schrieb er weiter.

„Sehr einseitige Berichterstattung“

Die Berichterstattung der regierungsnahen Medien über Alexander Soros sei sehr einseitig, sagt Politikwissenschaftler Kreko. „Dass er sich auch regelmäßig mit rechtsgerichteten Politikern getroffen hat“ wie dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz oder dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic, werde nicht erwähnt, sagt er.

Der Politologe rechnet nicht damit, dass mit dem Sohn fairer umgegangen wird als mit dem Vater: „Das rhetorische Kartenhaus der Regierung ist auf George Soros aufgebaut, ohne ihn würde es zusammenbrechen. Es war also zu erwarten, dass die Rhetorik auch dann bestehen bleibt, wenn Alex Soros in den Vordergrund tritt.“

Nach heftigem Protest hatte Ungarn Ende Mai sein umstrittenes Whistleblower-Gesetz überarbeitet. Das Parlament in Budapest strich eine Passage, die es Bürgern ermöglichen soll, anonym Menschen zu melden, welche die Rolle von Ehe, Familie und Geschlecht „in Frage stellen“. Menschenrechtsorganisationen hatten diese scharf kritisiert und der Regierung vorgeworfen, damit LGBTQ-feindliche Gefühle zu schüren. Die englische Abkürzung LGBTQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer.

Orban, der sein Land als „christliches Bollwerk“ in Europa sieht, drängt in Ungarn seit 2018 mit immer schärferen Gesetzen Freiheiten zurück. Seine Regierung verbot etwa den Eintrag von Geschlechtsumwandlungen im Personenstandsregister und die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare.

In der ungarischen Verfassung ist seit einer Änderung von 2019 festgeschrieben, dass die Ehe nur zwischen Mann und Frau möglich ist, dass ein Vater ein Mann ist und eine Mutter eine Frau. Seit 2021 ist es auch verboten, mit Minderjährigen über Homosexualität oder Geschlechtsangleichungen zu sprechen. Dagegen hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, das von 15 EU-Ländern unterstützt wird.

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