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Abstimmung über Koalitionsvertrag169.725 SPD-Mitglieder sagen Ja

Die SPD-Basis stimmt mehrheitlich für den Koalitionsvertrag. Ihre Minister will die SPD am Montag vorstellen. Eine Personalie steht bereits fest.

Matthias Miersch, SPD-Generalsekretär, gibt im Willy-Brandt-Haus das Ergebnis des Mitgliedervotums bekannt Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Die SPD-Basis hat dem Koalitionsvertrag mehrheitlich zugestimmt und damit den Weg für eine Regierung mit der Union freigemacht. Wie die Parteispitze am Mittwoch bekannt gab, votierten 169.725 der Mitglieder und damit 85 Prozent für den Vertrag. Generalsekretär Matthias Miersch zeigte sich hochzufrieden mit Ergebnis und Beteiligung. „Damit bekommt die SPD von der Basis eine große Rückendeckung für das Eintreten in eine Regierung.“

Es gehe aber nicht um die SPD, sondern um die Zukunft des Landes, betonte Miersch staatstragend. Als Schwerpunkte sozialdemokratischer Regierungsarbeit nannte er Investitionen, Zusammenhalt, sozialverträglichen Klimaschutz, die Sicherung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum sowie Entlastungen für die breite Mitte.

Insgesamt beteiligten sich 56 Prozent der knapp 360.000 Mitglieder an dem Entscheid. Die Parteimitglieder hatten 15 Tage Zeit, ihre Stimme abzugeben. Im Vergleich zu früheren Abstimmungen, die noch per Post stattfanden, erhielten sie diesmal nur den Zugangscode per Brief. Die Abstimmung selbst fand ausschließlich digital statt. Dieser Umstand in Verbindung mit den fast zeitgleich andauernden Osterferien könnte dazu beigetragen haben, dass die Beteiligung nicht überwältigend hoch war.

Generell hält sich der Enthusiasmus über die Pflichtkoalition mit der Union in der SPD in Grenzen, obwohl die Parteispitze im Vorfeld in Dialogkonferenzen eifrig dafür geworben hatte. Die Sozialdemokraten wurden bei der Bundestagswahl am 23. Februar abgestraft, landete mit 16,4 Prozent klar hinter CDU/CSU und AfD. Eigentlich hatte Parteichef Lars Klingbeil eine Erneuerung ausgerufen, nun ist aber erst einmal Koalitionsdisziplin gefragt. Denn es gibt nach der Bundestagswahl schlicht kein alternatives Regierungsbündnis, welches die in weiten Teilen rechtsextreme AfD außen vor lässt.

Eine gewisse Skepsis

Auch Miersch räumte ein: „Ja, es gibt eine gewisse Skepsis.“ Den Kritikern werde man aber durch gute Regierungsarbeit beweisen, dass es sich lohne, für sozialdemokratische Überzeugungen zu streiten. Und durch „sehr gute Regierungsarbeit“ auch den Grundstein legen, um bei der nächsten Bundestagswahl wieder stärkste Kraft zu werden.

Es ist der dritte Koalitionsvertrag mit der Union, über den die Spitze abstimmen ließ. Beim Mitgliedervotum 2013 stimmten drei Viertel der Mitglieder mit Ja, 2018 nur noch zwei Drittel. Damals musste die SPD ran, nachdem die Verhandlungen der damaligen Kanzlerin Angela Merkel über eine schwarz-grün-gelbe Koalition an der FDP gescheitert waren. Die Jusos machten mit einer No-Groko-Kampagne gegen das Bündnis mobil.

Auch diesmal erklärten die Jungsozialisten im Vorfeld, mit Nein zu stimmen. Auf eine Kampagne verzichteten sie aber.

Klingbeil wird Finanzminister

Der CDU-Bundesauschuss hatte bereits am Montag auf einem Kleinen Parteitag für den Koalitionsvertrag gestimmt und seine Mi­nis­te­r:in­nen vorgestellt. Am Montag soll der Vertrag unterschrieben werden. Zuvor will die SPD ihr Personaltableau präsentieren. Neben den Regierungsmitgliedern sollen auch die Kandidaturen für Partei- und Fraktionsspitze bekannt gegeben werden.

Eine Personalie steht bereits fest: Lars Klingbeil, der Fraktion und Partei derzeit in Personalunion führt, wird Finanzminister und Vizekanzler. Er werde nun in enger Abstimmung mit Ko-Chefin Saskia Esken und Generalsekretär Miersch das Regierungsteam der SPD aufstellen, so Miersch. Neben Erfahrung und Kompetenz gehe es auch darum, „dafür zu sorgen, dass neue Gesichter tatsächlich erkennbar sind, so wie wir es der Basis versprochen haben“.

Erwartet wird, dass Klingbeil beim Parteitag im Sommer wieder als Parteivorsitzender kandidiert. Die Zukunft der Ko-Parteivorsitzenden Esken, die wohl gern Ministerin werden würde, ist weiterhin unklar. Für den Parteivorsitz hatte sich Esken bislang nicht beworben.

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7 Kommentare

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  • Das beweist das immerhin 85% der Abstimmenden der SPD-Basis die Lage erkannt haben und wissen, welche letzte Patrone die Demokratie in Deutschland mit schwarz-rot bekommen hat.



    Man möchte auch hoffen, dass es ähnlich viele Prozent der tatsächlich involvierten Politiker begriffen haben - und Aussagen a la "Es gehe aber nicht um die SPD, sondern um die Zukunft des Landes, betonte Miersch" lassen das auch hoffen - wären da nicht die bisherigen beinahe täglich Streitereien die bereits jetzt nach außen durchdringen...



    Was das betrifft macht schwarz-rot genau da weiter wo die Ampel aufgehört hat - kein gutes Signal

  • 47,6Prozent der SPD Mitglieder votierten für die Beteiligung an der Regierungsmacht. Man liegt wahrscheinlich nicht ganz falsch, wenn man darauf wettet, dass die SPD in 4 Jahren unter die 10Prozent rutschen wird. Entweder stützt sie die Merkels Agenda für Deutschland und verliert damit den letzten Anschein eines sozialdemokratischen Profils; oder sie stellt sich quer und steht dann als Partei der Blockierer da.

    Bei der letzten Umfrage von FORSA steht die AfD mit 26%, vor CDU/CSU (24%) und SPD (14%). Damit dürfte klar sein, wer wen bis zu den nächsten Wahlen vor sich hertreiben wird. Am 14. September sind Kommunalwahlen in NRW. 2026 stehen 8 weitere Wahlen an.

  • Nun gut, das ist so komfortable, dass die CDU zur nächsten Bundestagswahl keine Angst vor der SPD Basis haben dürfte.

    Läuft es dann doch auf entweder CDU/CSU+SPD oder CDU/CSU+SPD+Grüne hinaus, wenn nicht die Grünen unerwartet Stimmen gewinnen.

  • Klingbeil hat PoWi, Soziologie und Geschichte studiert, natürlich hat man da beste Voraussetzungen für das Amt des Finanzministers. Und natürlich muss man mit dem Amt des Vizekanzlers für die völlig in Grütze gefahrene Wahl belohnt werden. Hoffentlich vergisst er nicht, den Fraktionsvorsitz noch abzugeben. Born to Lose, live to win…selten hat jemand das Motorhead-Motto so konsequent umgesetzt wie der Weichmann aus der Lüneburger Heide.

  • Und einmal mehr hat der Wähler die Katze im Sack gekauft.

    Oder gar einen schwarzen Pudel über die Schwelle gelassen ...

  • Man kann sich bei der SPD immerhin auf eine Sache verlassen:



    Dass sie im Zweifelsfall die falsche Entscheidung trifft. Sowohl für sich als auch für die Menschen, die sie angeblich vertritt.

    • @Piratenpunk:

      Ach, was heißt ‚falsch‘? Natürlich ist es das Übliche, garniert mit ein wenig Rummosern von den Jusos, Ablehnung der (Achtung, Pathos, möglicherweise hohl) ‚Re-gie-rungs-ver-ant-wor-tung‘ ist nicht zu erwarten. Eigentlich nichts Neues seit ziemlich genau 111 Jahren.