Abstimmung über Griechenland-Hilfe: Einheitsfront gegen den Innenminister
Der Vorstoß des Innenministers, Griechenland Anreize zum Austritt aus der Eurozone zu setzen, wird von allen Parteien im Bundestag kritisiert. Die Opposition stellt Schwarz-Gelb in Frage.
BERLIN dpa | Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich vom Vorstoß ihres Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU) distanziert, Griechenland Anreize zum Austritt aus dem Euro zu setzen. Merkel teile Friedrichs Einschätzung nicht, ließ die Kanzlerin Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag erklären. Es gehe darum, Griechenland innerhalb der Eurozone zu stabilisieren.
Friedrich hatte Griechenland am Wochenende als erstes Regierungsmitglied einen Austritt aus der Euro-Zone nahegelegt. Dem Spiegel sagte er: "Außerhalb der Währungsunion sind die Chancen Griechenlands, sich zu regenerieren und wettbewerbsfähig zu werden, mit Sicherheit größer, als wenn es im Euro-Raum verbleibt." Er rede nicht davon, "Griechenland rauszuschmeißen, sondern Anreize für einen Austritt zu schaffen, die sie nicht ausschlagen können".
Ein Sprecher des Innenministeriums sprach von einer persönlichen politischen Meinungsäußerung Friedrichs. Nach Angaben von CSU-Chef Horst Seehofer wird Friedrich im Bundestag für die Griechenland-Hilfe stimmen.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigte sich irritiert über Friedrich. "Ich verstehe die politischen Spekulationen über ein Griechenland außerhalb der Euro-Zone nicht", sagte er der Zeitung Die Welt. "Was ausgehandelt und vereinbart ist, sollte gelten, und zwar auf beiden Seiten." Das Hilfspaket habe "nur eine Chance, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen, wenn es nicht sofort wieder zerredet wird".
Auch der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring kritisierte die Äußerungen Friedrichs heftig. Das zweigleisige Fahren der Koalitionspartner – den Maßnahmen zuzustimmen und sie dann im Nachhinein öffentlich zu kritisieren – sei für die FDP nicht akzeptabel.
Wo ist die Kanzlermehrheit?
Die SPD verlangte ein Machtwort der Kanzlerin: "Frau Merkel muss Minister Friedrich schnell zur Ordnung rufen, wenn sie noch eine Chance für eine eigene Mehrheit im Bundestag haben will", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann der Welt. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte dem RBB-Inforadio, Friedrich tanze der Kanzlerin auf der Nase herum. Nur mit der Kanzlermehrheit – mindestens 311 Stimmen – könne Merkel beweisen, dass ihre Regierung noch handlungsfähig sei.
Auch Linke-Chef Klaus Ernst stellte die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung infrage. Der Mittelbayerischen Zeitung sagte er: "Schwarz-Gelb hat miteinander mehr offene Rechnungen als Gemeinsamkeiten. Wenn Merkel die Kanzlermehrheit verfehlt, ist ihre Regierung am Ende."
Der Bundestag entscheidet am späten Nachmittag über das zweite, 130 Milliarden Euro umfassende, Rettungspaket für Griechenland. Dabei wollen neben den Regierungsparteien auch SPD und Grüne für die Hilfe stimmen. Die Linke will geschlossen dagegen stimmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW