Abstimmung in Argentiniens Senat: Striktes Abtreibungsverbot bleibt
In Argentinien werden Schwangerschaftsabbrüche auch künftig verboten bleiben. Der Senat votierte gegen ein Gesetz zur Legalisierung.
Vor dem Kongressgebäude jubelten die GegnerInnen mit Böllerschüssen, während sich unter den BefürworterInnen Enttäuschung breit machte. Trotz winterkaltem Wind und Regen warteten Hunderttausende vor allem junge Frauen auf den Straßen rund um das Kongressgebäude auf die Entscheidung. Schon am Mittwochmorgen waren zahlreiche Menschen vor den Kongress gekommen. Gegen Mittag pilgerten ganze Schulklassen vor das Gebäude. Die große Mehrzahl zeigte mit grünen Halstüchern ihre Zustimmung.
Weit weniger demonstrierten mit hellblauen Halstüchern ihre Ablehnung gegen das Gesetz. Bereits in der Nacht auf Mittwoch hatte die Polizei mit hohen Absperrgittern beide Seiten weiträumig getrennt. Trotzdem kam es nach der Entscheidung zu einigen Ausschreitungen zwischen frustrierten BefürworterInnen und der Polizei.
„Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten“, kommentierte Claudia Anzorena, Mitgründerin der „Kampagne für das Recht auf eine legale, sichere und kostenlose Abtreibung“ die Entscheidung. Dennoch habe sich gezeigt, dass die soziale Mobilisierung für eine straffreie Abtreibung in Argentinien breit und tief sei. „Die Umsetzung ist nur eine Frage der Zeit“, sagte die 41-Jährige. Nach 15 Jahren Kampagnenarbeit und sechs erfolglosen Versuchen, war der Gesetzentwurf im vergangenen März erstmals von Kongress zur Debatte angenommen worden.
Druck der katholischen Kirche
Vor allem die katholische Kirche hatte in den letzten Wochen ihren Druck auf Regierung und Senat verstärkt. Nach dem Abstimmungserfolg im Abgeordnetenhaus läuteten bei den katholischen Hirten die Alarmglocken. Während die SenatorInnen im Kongress debattierten, wetterte Erzbischof von Buenos Aires Mario Poli bei einer eigens abgehaltenen Messe in der Kathedrale der Hauptstadt gegen das Gesetz: „Es soll legitimiert werden, dass ein menschliches Wesen einen Mitmenschen auslöschen kann“, so Poli.
Dagegen kam Unterstützung auch aus der Regierung des konservativen Präsidenten Mauricio Macri. Dessen Gesundheitsminister Adolfo Rubinstein hatte sich eindeutig als Befürworter des Gesetzes aus Gesundheitsgründen positioniert. „Weit mehr als die Ausweitung des Rechts [auf Abtreibung], geht es um ein Problem der öffentlichen Gesundheit. Die Konsequenzen der klandestinen Abtreibungen beeinträchtigen die Gesundheit der Frauen, die sich solchen unsicheren Praktiken aussetzen und die in den Krankenhäusern enden, oder gar sterben.“
Nach Abgaben seines Ministeriums wurden 2014 über 47.000 Frauen nach Komplikationen bei klandestinen Abbrüchen in Krankenhäuser eingeliefert. Von den 246 Fällen von Muttersterblichkeit im Jahr 2016 sind 43 Todesfälle die Folge von unsachgemäßen klandestinen Schwangerschaftsabbrüchen.
Doch statt dass zukünftig jede Frau während der ersten 14 Wochen der Schwangerschaft selbst über einen Abbruch entscheiden kann, und dies in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen und kostenlos durchführen lassen kann, bleibt ein Abbruch weiterhin nur in zwei Ausnahmefällen erlaubt: Wenn das Leben der Frau bedroht ist oder, wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist. Jeder andere Abbruch kann mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden.
Thema klein halten
„Dass wir so weit gekommen sind, ist zweifellos ein Erfolg“, so Claudia Anzorena. Im kommenden Jahr stünden Kongress- und Präsidentschaftswahlen an. „Der nächste Kongress nimmt Ende 2019 seine Arbeit auf und wird deutlich jünger sein, viele der alten Ablehner von heute scheiden aus.“ Dann könne der Gesetzentwurf abermals eingebracht werden, so Anzorena.
In der Regierung wird bereits darüber geredet, wie das Thema im kommenden Wahlkampf klein gehalten werden kann. Möglich ist, dass die für die kommenden Wochen angekündigte Reform der Strafgesetzgebung erweitert wird. So könnte die Gefängnisstrafe im Fall einer Abtreibung bis zur 12. Woche für die Frau abgeschafft werden. Allerdings wird sich die staatliche medizinische Betreuung weiterhin nur auf die bisher einzigen straffreien Abtreibungsmöglichkeiten beschränken.
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