Abstimmung im Europaparlament: Von der Leyen darf bleiben
Die EU-Kommissionspräsidentin übersteht das rechte Misstrauensvotum gegen sich, erntet aber eine Menge Kritik auch von Sozialdemokraten und Grünen.

175 Abgeordnete votierten für den Antrag des rumänischen Nationalisten Gheorghe Piperea, der mit Intransparenz und Machtmissbrauch in der EU-Kommission begründet wurde. 360 Parlamentarier lehnten ihn ab, 18 enthielten sich. Damit wurde die nötige Zweidrittelmehrheit klar verfehlt.
Bei einer Aussprache im Parlament hatte es zuvor viel Kritik an von der Leyen gegeben, die Sozialdemokraten hatten mit Enthaltung gedroht. Sie warfen von der Leyen den Bruch von Absprachen, die Abwicklung des „Green Deal“ zur Klimapolitik sowie einen starken Rechtsdrall vor. Auch Grüne und Liberale schossen aus allen Rohren gegen die CDU-Politikerin, die sich auf die konservative Europäische Volkspartei EVP stützt.
Dass es am Ende kaum Enthaltungen gab, lag an Zugeständnissen in letzter Minute. In den vor Abstimmungen üblichen Hinterzimmergesprächen sagte von der Leyen zu, die Regionalpolitik nicht wie zunächst geplant zu zentralisieren und die EU-Sozialfonds beizubehalten. Außerdem gelobte sie Besserung bei der Zusammenarbeit mit der informellen Koalition im Europaparlament, zu der neben der EVP auch die Sozialdemokraten und die Liberalen gehören.
Die EVP denkt nicht daran, ihren Kurs zu ändern
Von der Leyen sei auf die Sozialdemokraten zugegangen und habe „alles getan, damit wir in der Lage sind, weiter mit ihr zu arbeiten“, sagte der Chef der SPD-Gruppe, René Repasi. Er hoffe, dass es sich nicht nur um „Kosmetik“ handele. Die Abstimmung sei ein „Denkzettel“ gewesen, so Repasi. Nun müsse die EU-Kommission umsteuern. Ähnlich äußerten sich Politiker der Liberalen und der Grünen, die von der Leyen im Herbst 2024 mit zur Wiederwahl verholfen hatten.
„Unsere Unterstützung gibt es nicht zum Nulltarif“, sagte Terry Reintke, die Co-Fraktionschefin der Grünen. „Die Rückabwicklung des Green Deal muss aufhören.“ Die Kommission dürfe nicht weiter „die Agenda einer ewiggestrigen EVP verfolgen“.
Die EVP denkt jedoch offenbar nicht daran, ihren Kurs zu ändern. Die Abstimmung habe gezeigt, „dass wir der Stabilitätsfaktor für das europäische Projekt sind“, erklärte Fraktionschef Manfred Weber (CSU). Die EVP werde weiter daran arbeiten, ihre Versprechen umzusetzen. Zur umstrittenen Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten äußerte sich Weber nicht.
Dies ist wohl ein Grund dafür, dass sich die Rechten durch ihre Abstimmungsniederlage nicht geschwächt sehen. Er habe mit dem Scheitern gerechnet, sagte Piperea, der den Misstrauensantrag gemeinsam mit mehr als 70 weiteren rechtslastigen Abgeordneten eingebracht hatte. Der Vorstoß sei dennoch ein Erfolg, denn er habe gezeigt, dass es möglich ist, die EU-Kommission herauszufordern. Von der Leyen müsse sich auf weitere Misstrauensanträge einstellen.
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