piwik no script img

Abstimmung im EuropaparlamentVon der Leyen darf bleiben

Die EU-Kommissionspräsidentin übersteht das rechte Misstrauensvotum gegen sich, erntet aber eine Menge Kritik auch von Sozialdemokraten und Grünen.

EU-Parlament: Dass es am Ende kaum Enthaltungen gab, lag an Zugeständnissen in letzter Minute Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Brüssel taz | Trotz zunehmender Kritik an ihrer Arbeit kann EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen weitermachen. Ein von rechtspopulistischen Abgeordneten eingebrachter Misstrauensantrag am Donnerstag im Europaparlament in Straßburg ist wie erwartet gescheitert.

175 Abgeordnete votierten für den Antrag des rumänischen Nationalisten Gheorghe Piperea, der mit Intransparenz und Machtmissbrauch in der EU-Kommission begründet wurde. 360 Parlamentarier lehnten ihn ab, 18 enthielten sich. Damit wurde die nötige Zweidrittelmehrheit klar verfehlt.

Bei einer Aussprache im Parlament hatte es zuvor viel Kritik an von der Leyen gegeben, die Sozialdemokraten hatten mit Enthaltung gedroht. Sie warfen von der Leyen den Bruch von Absprachen, die Abwicklung des „Green Deal“ zur Klimapolitik sowie einen starken Rechtsdrall vor. Auch Grüne und Liberale schossen aus allen Rohren gegen die CDU-Politikerin, die sich auf die konservative Europäische Volkspartei EVP stützt.

Dass es am Ende kaum Enthaltungen gab, lag an Zugeständnissen in letzter Minute. In den vor Abstimmungen üblichen Hinterzimmergesprächen sagte von der Leyen zu, die Regionalpolitik nicht wie zunächst geplant zu zentralisieren und die EU-Sozialfonds beizubehalten. Außerdem gelobte sie Besserung bei der Zusammenarbeit mit der informellen Koalition im Europaparlament, zu der neben der EVP auch die Sozialdemokraten und die Liberalen gehören.

Die EVP denkt nicht daran, ihren Kurs zu ändern

Von der Leyen sei auf die Sozialdemokraten zugegangen und habe „alles getan, damit wir in der Lage sind, weiter mit ihr zu arbeiten“, sagte der Chef der SPD-Gruppe, René Repasi. Er hoffe, dass es sich nicht nur um „Kosmetik“ handele. Die Abstimmung sei ein „Denkzettel“ gewesen, so Repasi. Nun müsse die EU-Kommission umsteuern. Ähnlich äußerten sich Politiker der Liberalen und der Grünen, die von der Leyen im Herbst 2024 mit zur Wiederwahl verholfen hatten.

„Unsere Unterstützung gibt es nicht zum Nulltarif“, sagte Terry Reintke, die Co-Fraktionschefin der Grünen. „Die Rückabwicklung des Green Deal muss aufhören.“ Die Kommission dürfe nicht weiter „die Agenda einer ewiggestrigen EVP verfolgen“.

Die EVP denkt jedoch offenbar nicht daran, ihren Kurs zu ändern. Die Abstimmung habe gezeigt, „dass wir der Stabilitätsfaktor für das europäische Projekt sind“, erklärte Fraktionschef Manfred Weber (CSU). Die EVP werde weiter daran arbeiten, ihre Versprechen umzusetzen. Zur umstrittenen Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten äußerte sich Weber nicht.

Dies ist wohl ein Grund dafür, dass sich die Rechten durch ihre Abstimmungsniederlage nicht geschwächt sehen. Er habe mit dem Scheitern gerechnet, sagte Piperea, der den Misstrauensantrag gemeinsam mit mehr als 70 weiteren rechtslastigen Abgeordneten eingebracht hatte. Der Vorstoß sei dennoch ein Erfolg, denn er habe gezeigt, dass es möglich ist, die EU-Kommission herauszufordern. Von der Leyen müsse sich auf weitere Misstrauensanträge einstellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wie eine Spinne in ihrem Netz - und der rechte Herr Weber [ CSU ] webt fleißig mit.



    Gute Nacht Demokratie.

  • Von der Leyen demonstriert eindrucksvoll, dass Orwell nicht Literatur, sondern ein Handbuch für Brüsseler Karrieren schrieb. Ihr Credo? "Warum Rechenschaft ablegen, wenn man auch einfach… weitermachen kann?" Man muss fast bewundern, mit welcher stoischen Eleganz sie selbst dann noch lächelt, wenn ihr die Tinte bereits aus den Ohren quillt. Ein Lehrstück in Machterhalt – leider ohne Lehrstück in Würde.

  • George Orwell, dieser ewige Spielverderber, hat es mal wieder auf den Punkt gebracht: "Niemand ergreift die Macht je in der Absicht, sie wieder abzugeben." Ein Satz, der in Brüssel wahrscheinlich als Betriebsanleitung für EU-Kommissionspräsident:innen durchgeht. Die aktuelle Bewährungsprobe dieser These liefert uns Frau von der Leyen mit einer Choreographie, die zwischen politischem Ballett und panischem Stolpern pendelt.



    Statt sich den lästigen Kleinigkeiten namens "ihr zur Last gelegte Verfehlungen" zu stellen – wer braucht schon inhaltliche Auseinandersetzung, wenn man einen Schreibtisch voller Machtoptionen hat? –, wählte unsere Grande Dame der Realitätsverweigerung die Flucht nach vorn. Nicht irgendeine Flucht, nein! Eine "elefantös tölpelhafte" Variante. Stellen Sie sich vor: Ein Elefant, der auf Zehenspitzen einer Mücke entkommen möchte, dabei aber sämtliche Porzellanläden der politischen Glaubwürdigkeit zertrampelt. Das Ergebnis? Ein Debakel, das "ehrenloser kaum hätte enden können". Bravo! Eine Meisterleistung im Kunstfach "Wie umgehe ich Accountability mit panaschierter Dreistigkeit?"