Abstimmung im Bundesrat: Krankenhausreform mit Ach und Krach
Im Bundesrat hat sich keine Mehrheit gefunden, um Lauterbachs Reformprojekt zu stoppen. Im Januar soll das Gesetz in Kraft treten.
![Judith Gerlach steht hinter Karl Lauterbach Judith Gerlach steht hinter Karl Lauterbach](https://taz.de/picture/7371063/14/37074491-1.jpeg)
Es war ein wahrer Krimi an einem sonst eher angestaubten Ort der Demokratie: Der Bundesrat hat am Freitag den Weg für Karl Lauterbachs Krankenhausreform freigemacht. Damit tritt das viel diskutierte Gesetz zum 1. Januar 2025 in Kraft. Langfristig soll so das Finanzierungssystem der Krankenhäuser auf andere Beine gestellt und die Krankenhausversorgung spezialisierter und zentralisierter werden.
Bund und Länder hatten lange über Ausnahmen für den ländlichen Raum, Qualitätskriterien, Übergangsfristen und die Übernahme der Umbaukosten gestritten. Zudem fürchteten die Länder, dass durch die Reform ihr Einfluss auf die Krankenhausplanung untergraben wird.
Bis zuletzt war am Freitag deshalb nicht sicher, ob die Reform den Rat der Länder passieren wird. Das Gesetz ist zwar nicht zustimmungspflichtig, doch ein Antrag Bayerns auf Anrufung des Vermittlungsausschusses hätte es ausbremsen können. Da die Ampelregierung am Ende ist, wäre das wohl das Ende der Krankenhausreform gewesen.
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Noch während der Aussprache wurde auf den Gängen des Bundesrats diskutiert. Ob „ja“ oder „nein“, die Spaltung verlief dabei nicht nur entlang von Parteien. In der laufenden Sitzung ploppte eine Eilmeldung des rbb auf. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) noch vor Ort im Bundesrat von ihren Aufgaben entbunden.
Ursprünglich wollte Nonnemacher eine Rede halten, in der sie erklärt, warum die Krankenhausreform zwar kein Allheilmittel sei, aber wesentliche Verbesserungen enthalte. Einer Zustimmung des Landes Brandenburg zu einem Vermittlungsausschuss hätte sie im Bundesrat widersprochen, erklärt Nonnemacher im Gespräch mit der taz. „Ich habe sie entlassen, weil sie sich geweigert hat, dem Vermittlungsausschuss zuzustimmen“, bestätigt Ministerpräsident Woidke nach der Bundesratssitzung.
Dann schließlich die Abstimmung: Hessen, Berlin und Schleswig-Holstein enthalten sich. Saarland, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern stimmen gegen einen Vermittlungsausschuss. Bayern, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg (ohne Nonnemacher) und Baden-Württemberg dafür.
Zum Schluss ist Thüringen dran: Zunächst stimmt Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) für die Anrufung des Vermittlungsausschusses, doch Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) widerspricht. Damit werden die Stimmen von Thüringen ungültig. Eine absolute Mehrheit kommt so nicht zustande, der Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses wird abgelehnt. Die Krankenhausreform passiert den Bundesrat.
Krankenhäuser sollen sich spezialisieren
Die Freude bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war nach der Sitzung groß: „Es ist zum jetzigen Zeitpunkt ganz klar, dass sich die Krankenhauslandschaft in den nächsten 20 Jahren verändern wird, und zwar zum Guten.“
Für die Krankenhäuser bedeutet die Verabschiedung des Gesetzes etwas mehr Planungssicherheit. In den kommenden zwei Jahren werden nun Details definiert und die Leistungsgruppen den Krankenhäusern zugeteilt. Über die Leistungsgruppen sollen zukünftig Qualitätskriterien an die Finanzierung von Krankenhausbehandlungen geknüpft werden.
Langfristig sollen sich die Krankenhäuser so spezialisieren. Damit trotz der Zentralisierung und Spezialisierung auch die auf dem Land notwendigen Grundversorger überleben, sollen Vorhaltepauschalen eingeführt werden. Bisher werden Kliniken nur für behandelte Fälle bezahlt, künftig sollen durchschnittlich 60 Prozent der Kosten über diese Pauschalen abgedeckt werden.
Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, ist mit der Abstimmung nicht zufrieden. NRW wollte den Vermittlungsausschuss anrufen. „Ich will das Gesetz nicht kaputtmachen, ich will es nur besser machen“, sagt er. Im Moment seien die Bemessungen der Leistungsgruppen jedoch so eng, dass er als Gesundheitsminister eines Flächenlandes nicht wüsste, wie man die Krankenhausdichte auf dem Land erhalte. Das wird nun Aufgabe der kommenden Bundesregierung sein.
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