Abstimmung Sondervermögen Bundeswehr: Bundeswehr kann tüchtig aufrüsten
Der Bundestag verankert einen 100-Milliarden-Fonds für die Bundeswehr im Grundgesetz. Diese Aufrüstung sei Wahnsinn, meint die Linke.
Recht hatte sie. Um die Bundeswehr zu ertüchtigen, werden zusätzlich 100 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen. Damit dies trotz grundgesetzlicher Schuldenbremse möglich ist, beschloss der Bundestag mit 567 Stimmen am Freitag eine Grundgesetzänderung. Die nötigen Stimmen für die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit, die bei 491 liegt, steuerte die Union bei. Zusammen kommen die Fraktionen der Ampel aus SPD, Grünen und FDP und die Unionsfraktion auf 613 Sitze. Etliche Abgeordnete von ihnen stimmten also auch dagegen oder enthielten sich.
In einer zweiten Abstimmung über das „Bundeswehrsondervermögensgesetz“ konkretisierten die Abgeordneten, wie und wofür das Geld ausgegeben wird. Auch dieses Gesetz zur Einrichtung des Sondertopfes passierte den Bundestag mit 593 Ja-Stimmen. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, SPD, versprach, nun sei Schluss mit der Mangelverwaltung, jede Soldat:in bekomme nun die nötige Ausrüstung. Der Großteil des Geldes soll allerdings in Rüstungsprojekte fließen, in Kampfflugzeuge, Kampfpanzer und Kampfschiffe.
Sondervermögen nur für Bundeswehr
Das Sondervermögen – korrekt Sonderschulden – hatte Bundeskanzler Olaf Scholz in einem Atemzug mit der Zeitenwende nach dem russischen Überfall auf die Ukraine angekündigt. Drei Monate lang rangen Ampel und Union um die Details. Dabei konnte sich die Union unterstützt von SPD und FDP damit durchsetzen, dass die 100 Milliarden ausschließlich der Bundeswehr zugutekommen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion Mathias Middelberg lobte das „sehr gute Ergebnis“ und hob hervor, dass die Mittel jetzt vollumfänglich der Bundeswehr und nicht „irgendwelchen Sicherheitsaufgaben“ zur Verfügung stünden.
Die Grünen wollten eigentlich auch ein paar Milliarden für die Abwehr von Cyberangriffen und den Zivilschutz abzweigen. Dafür wird jetzt eine eigene Strategie erarbeitet, die Ausgaben müssen aus dem regulären Haushalt bestritten werden. Nicht wenige Grüne haben deshalb Bauchschmerzen, einige machten sie öffentlich. Da die zivile Krisenprävention nun über den Bundeshaushalt finanziert werden müsse, „besteht die große Gefahr, dass das zulasten wichtiger Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit geht“, schreibt etwa der sozialpolitische Sprecher der Grünen Wolfgang Strengmann-Kuhn in einer Erklärung. Er stimmte gegen Verfassungsänderung und Bundeswehrgesetz. Genau wie die Juso-Vorsitzende und SPD-Abgeordnete Jessica Rosenthal.
Die Union konnte sich aber nicht mit der Forderung durchsetzen, dass im Grundgesetz festgeschrieben wird, nun jedes Jahr zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Verteidigungsetat zu stecken. Stattdessen heißt es im Gesetz jetzt nur noch verschwiemelt, dass auch nach dem Verbrauch der 100 Milliarden die finanziellen Mittel bereitgestellt werden müssten, um die Nato-Fähigkeitsziele zu erreichen.
Linkspartei und AfD stimmten gegen das Sondervermögen und die Grundgesetzänderung. Die AfD, weil sie die Grundgesetzänderung für unnötig hält, um die Bundeswehr auszustatten. Die Linke aus „staatspolitischer Verantwortung“, wie Fraktionschef Dietmar Bartsch betonte. Aufrüstung sei der Wahnsinn.
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