Abschirmung auf dem Balkan: Zäune bedrohen Wölfe und Luchse
Die neu aufgestellten Stacheldrahtzäune rufen jetzt auch Tierschützer auf den Plan: Nach einer Studie gefährden diese nämlich die Artenvielfalt.
Der neue Trend zur Abschirmung bedrohe vielerorts schon die Artenvielfalt, ist das Ergebnis einer im Fachblatt Plos Biology veröffentlichten Studie von Forschern aus zehn Ländern. Für die nur noch wenigen Luchse in der Region dürften die Zäune „der letzte Schritt auf dem Weg zum Aussterben“ sein, schreiben sie. Der Luchs war erst 1973 im Dinarischen Gebirge wieder angesiedelt worden.
Pläne, die Grenze zwischen Kroatien und Slowenien auf einer Länge von 349 Kilometern komplett zu schließen, bedrohen laut den Forschern ein großes, in weiten Teilen durch die EU geschütztes Natura-2000-Gebiet. Die sogenannte temporäre physische Grenze sollte eigentlich die Balkanroute für Geflüchtete und Schlepper unattraktiver machen. Diese kommen aber ohnehin kaum mehr, seit die Türkei die Flüchtlingsroute über das Mittelmeer nach Griechenland stärker kontrolliert.
Stattdessen ist der bis zu etwa zwei Meter hohe Zaun für die größeren Tiere der Region zur Gefahr geworden. So durchschneidet die Anlage, die aus drei aufeinandergelegten Rollen Nato-Stacheldraht besteht, die Wanderrouten von fünf der zehn Wolfsrudel im Grenzgebiet. Deren Überleben ist laut der Untersuchung inzwischen eine „ernste Herausforderung“.
Ein Nachteil für viele Tiere
Auch der Lebensraum der im Gebiet etwa 1.500 Braunbären wurde zerstückelt. Die Studie empfiehlt dringend, die Zahl der zur Jagd freigegebenen Tiere zu reduzieren, wenn die Art vor Ort bestehen bleiben soll. Am häufigsten trifft es jedoch die Rehe: Sehr viele sind bereits an den messerscharfen Zäunen hängen geblieben. Beim Versuch, sich zu befreien, verheddern sie sich noch mehr in den Metallzacken der Grenzanlagen – und verbluten qualvoll.
Das Ende des Kalten Kriegs und der Abbau von Grenzanlagen hatte in Europa und Asien auch vielerorts eine Wende für den Artenschutz bedeutet. Seit Anfang der 90er Jahre hatten sich Tierarten wie Wolf oder Bär in Europa wieder ausgebreitet. Inzwischen werden vielerorts neue Grenzen gebaut – zum Nachteil vieler Tiere.
Studie in „Plos Biology“
Und nicht nur Europa ist betroffen. Von der Grenze zwischen China und der Mongolei bis zum Stacheldrahtzaun zwischen Slowenien und Kroatien gibt es inzwischen laut der Studie 25.000 bis 30.000 Kilometer Drahtzäune und Grenzmauern. Die meisten davon kamen erst in den vergangenen 15 Jahren dazu.
Auch auf den Gencode der Wildtiere in den Grenzgebieten hat die Abschottung fatale Auswirkungen, so die Studie. Der Grund: Die Populationen könnten sich nicht mehr so gut durchmischen, dadurch nimmt die genetische Vielfalt tendenziell ab. Immerhin: Viele Staaten betonen, dass die Flüchtlingszäune irgendwann wieder abgerissen werden sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein