Abschied vom TV-Programm: Es hat sich aus­gestrahlt

Die taz schafft in der neuen wochentaz das Fernsehprogramm ab. Eine Kleinigkeit, die auch in der Redaktion große Gefühle hervorruft. Wir sagen: Adieu!

Jemand hält sich einen roten und einen blauer Klickfernseher vor die Augen

„Was kostet eigentlich so ein Hörzu-Abo?“ Foto: Thomas Köhler/photothek/imago

Ein Happy Ende nach 20 Jahren

Anno 2002 hatte die taz das Gefühl, sie müsste sich verdoppeln. Taz zwei entstand, eine sehr lose Nachahmung von G2, der Gesellschaftsbeilage des britischen Guardian. Gleichzeitig dümpelte bei der taz eine ganz andere Schnapsidee herum: Die Medienseite sollte im Zuge dieser Reform gleich ganz abgeschafft werden. Dazu kam es zum Glück nicht, im Gegenteil. Für ein paar Wochen verschwand sogar das kleinste TV-Programm der Welt von „Flimmern und Rauschen“, wie die Seite damals noch hieß.

Endlich war Platz! Doch rund 300 Nut­ze­r*in­nen protestierten von 80 Millionen Deutschen. Na gut, aber von Ende 2002 knapp 50.000 taz-Abonnentinnen. Darunter waren vermutlich etliche Augenärztinnen, die das Ganze als billigen Teststreifen für ihre Praxen brauchten („Können Se dat noch lesen? Nee? Dann brauchen Se ne Brille)“. Was auch immer, die Chefredaktion zeigte sich beeindruckt und das Fernsehprogramm kam zurück. Wir hätten die Kohle, die dafür draufging, lieber für den Honorartopf gehabt. Und kaperten aus Rache die langweilige Datumsleiste und sendeten dort kryptische Botschaften und boshafte Bemerkungen zum Programm. Schließlich stand das Datum ja schon oben auf der Seite und so Programmtipp-Klopper wie „Wetten dass…, Sa, 20:15 Uhr, ARD“ konnte das auch nicht verhindern. Heute hat das lineare Fernsehen ausgedient. Und seine ausgedruckte Form kommt 20 Jährchen später auch endlich ins Museum. Wie schön! Steffen Grimberg

Der TV-Tipp als reizvolle Herausforderung

Als ich als Redakteurin bei der taz anfing, war der TV-Tipp das Erste, was ich schrieb. Ich empfahl „Die etwas anderen Cops“, einen Quatschfilm mit Mark Wahlberg und Will Ferrell. 22.15 Uhr, Kabel Eins. Etwas gewagt vielleicht, so aus der heutigen Perspektive einer erfahrenen TV-Tippgeberin. Aber im Grunde doch solide.

Seither habe ich andere Texte geschrieben, längere, gehaltvollere. Aber der TV-Tipp blieb mir stets besonders lieb. Wann immer es darum ging, wer ihn schreiben sollte, meldete ich mich. Zum einen natürlich, weil es eine besonders reizvolle Herausforderung ist, die Seele eines Films auf zehn, am Wochenende sogar nur fünf Zeilen zu bannen.

Zum anderen aber auch wegen dieser Liste, die ich mittlerweile führe und die mir das Leben stark erleichtert: Kennen Sie das? Man sitzt abends auf dem Sofa, ein guter Film wäre jetzt genau das Richtige, man beginnt sich durch die Sender und diverse Streaming-Anbieter zu zappen, nur um eine halbe Stunde später entnervt irgendeinen Blockbuster anzufangen, „Batman vs. Superman“ vielleicht, der einen ja doch nicht wirklich interessiert. Und schließlich bricht man das ganze Unterfangen ab und geht stattdessen unbefriedigt ins Bett. Seit ich TV-Tipps schreibe, habe ich dieses Problem nicht mehr.

Denn seither habe ich dieses besondere Tool wieder für mich entdeckt, das einem jeden Tag eine randomisierte Auswahl an unzähligen Spielfilmen, Dokumentationen und Serien vorschlägt: die Fernsehzeitung. Zugegeben, es ist auch eine Menge Scheiß dabei. An jedem Tag aber, an dem ich einen TV-Tipp vorbereite, schreibe ich mir mittlerweile auch immer mindestens einen Film aus der Hörzu heraus, den ich noch nicht kenne oder den ich unbedingt mal wieder sehen möchte. Meine persönlichen TV-Tipps sozusagen, die es nicht unbedingt auch immer in die Zeitung schaffen.

Im linearen Fernsehen, so mein Eindruck, laufen nämlich noch die wirklich interessanten Filme. Die, die einem kein personalisierter Netflix-Algorithmus mehr empfehlen würde: opulente 90er-Jahre-Schmonzetten mit Tom Cruise oder sepiagetönte Polit-Thriller mit Russell Crowe. Die Liste hole ich dann jedes Mal hervor, wenn ich abends ratlos vorm Fernseher sitze. Dann suche ich mir einen der notierten Filme bei Amazon Video, Disney+ und Co heraus und lehne mich zurück – ein bisschen kompliziert, ich weiß. Für mich aber ist es die perfekte Mischung aus Streaming-Flexibilität und linear vorgegebener Berieselung. Ich werde den TV-Tipp vermissen. Was kostet eigentlich so ein Hörzu-Abo? Lale Artun

Das Kürzen als Superkraft

Morgens von einer Agentur beliefert, musste die Korrekturabteilung spektakuläre Fähigkeiten entwickeln, das Programm mit seinen immer hundert oder so zu viel gelieferten Zeilen in die Layoutvorgabe einzupassen. Dabei war öde Sender zu streichen – RTL oder rbb – leider verboten.

Mit seinen unzähligen Folgen „Lenßen übernimmt“ hintereinander für das Komagucken, Wiederholung von 2011, bietet SAT.1 echtes Kürzungspotenzial (KPZ). Eine am Sonntag laufende Bundesligasportschau redundant mit „am Sonntag“ versehen: KPZ 5 Zeilen in den dritten Programmen. „Terra X“, zum x-ten Mal auf Arte alle Folgen zu den Vögeln über die Dinosaurier zu den Kleinsäugern kann auf „Terra X: Dinos (1–4)“ eingedampft werden. „Heimatfilm“ in „heimatideologischer Kitsch“ umzuschreiben, hinter die „Rosenheim Cops“ ein „(gähn)“ zu setzen, hilft dagegen nicht beim Kürzen. Als subversive Aktion aber macht es Spaß. Und jetzt: Weg, weg, alles. Rosemarie Nünning

Technik-Spielwiese in der Nacht

Die Anlieferung des TV-Programms an das Redaktionssystem der taz ist ein komplexer Vorgang, der weitgehend automatisiert ist. Aus Sicht der taz-IT immer schon eine Technik-Spielwiese, auf der man kreativ sein darf.

Anfang der 90er kam ich als Softwareentwickler zu taz, unser Team saß in einem Mini-Kabuff voller PCs, Kabel, eingetrockneter Kaffetassen und überquellender Aschenbecher. Eine meiner ersten Aufgaben bestand darin, unsere künftige Layoutsoftware mit den angelieferten Programmdaten zu versorgen.

Damals Anfang 30, war ich noch einigermaßen belastbar – Software-Entwicklung fand vor allem nachts nach der Produktion statt, manchmal haben wir auch mehrere Nächte durchprogrammiert, ausreichend Haribo und THC-haltige Rauchwaren vorausgesetzt. Der dabei entstandene Programmcode war aus bekiffter Sicht genial, ansonsten eher unverständlich. Aber er hat im Wesentlichen bis heute gehalten. Andreas Berg

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