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Abschiebungshaft für JugendlicheÜber Nacht erwachsen werden

Nadine Conti
Kommentar von Nadine Conti

Für heranwachsende Flüchtlinge gelten andere Regeln als für deutsche Jugendliche – das ist ungerecht.

Eigentlich dürfen Minderjährige nicht in Abschiebungshaft genommen werden Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

W enn es um niedliche Kinder in katas­trophalen griechischen Auffanglagern geht, ist der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) nicht der einzige, der sich mit breiter Brust vor die Kameras stellt und ihre Aufnahme fordert. Bei pickligen Jugendlichen oder jungen Männern hält sich der instinktive Beschützer-Eifer aber in Grenzen. Lieber versuchen die Behörden zu beweisen, dass sie keine Fürsorgepflicht haben, der Betroffene längst erwachsen ist und eine Abschiebungshaft rechtmäßig. So passiert es gerade in Langenhagen, wo ein Mann einsitzt, an dessen Volljährigkeit es große Zweifel gibt.

Dabei hat man bei jungen Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind, erkannt, dass diese magische 18-Jahre-Grenze nicht so gut funktioniert. Leider ist es ja nicht so, dass jungen Menschen über Nacht plötzlich so viel Reife und Verstand zuwächst, dass sie – simsalabim – erwachsen sind, obwohl sie gestern noch siebzehn waren.

Sowohl in der Jugendhilfe als auch im Jugendstrafrecht haben sich deshalb Übergangsfristen und Alterskorridore durchgesetzt. Und die Verpflichtung, immer auch auf den Entwicklungsstand des Einzelnen zu schauen.

Für Geflüchtete gilt das natürlich nicht. Zu groß ist die Angst, dass sich haufenweise erwachsene Männer jünger machen und das überlastete Jugendhilfesystem in den Zusammenbruch treiben. Zu groß ist die Angst, dass Geflüchtete mit der Behauptung minderjährig zu sein, vor allem ihre Chancen erhöhen wollen, hierbleiben zu können.

Unterprivilegierte müssen schneller erwachsen werden

Geflüchtete müssen also weiter über Nacht erwachsen werden. Und wenn sie das nicht freiwillig tun, dann lässt man sie mit fragwürdigen medizinischen Methoden für erwachsen erklären. Aber möglicherweise folgt das auch einer eigenen, perfiden Logik: Unterprivilegierte Kinder müssen eben schneller erwachsen werden als die von reichen Zentraleuropäern.

Wollten sich die Behörden aber an den Gleichheitsgrundsatz halten, müssten sie bei jedem Zweifel an der Volljährigkeit oder der emotionalen Reife auf die Abschiebungshaft verzichten.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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3 Kommentare

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  • bei Altersgutachten wird immer eine Spanne ermittelt (mehr ist auch gar nicht möglich) und innerhalb dieser Spanne das JÜNGSTE Alter zugunsten des Menschen angenommen.

  • Ich habe ein paar Dinge an diesem Artikel zu kritisieren.

    „ Lieber versuchen die Behörden zu beweisen, dass sie keine Fürsorgepflicht haben [...]“



    Ist es nicht die Pflicht der Behörde das Alter eines Flüchtlings zu bestimmen, wenn keine Ausweisdokumente vorhanden sind? Ich denke nicht dass man in diesem Fall einfach der Aussage des Geflüchteten blind vertrauen kann, dies würde zum Missbrauch geradezu einladen. Außerdem hängt vom Alter auch auch die mögliche Unterbringung ab. Nicht volljährige Personen brauchen einen Vormund und unterliegen ganz anderen Bestimmungen.

    „[...] wo ein Mann einsitzt, an dessen Volljährigkeit es große Zweifel gibt.“



    Diese Zweifel kommen nicht aus dem Nichts. Zumindest hat man in Schweden festgestellt, dass ca. 70%



    (Ich ziehe 10% Ungenauigkeit ab), der als Minderjährig gemeldeten Flüchtlinge volljährig waren. Hier ein Artikel darüber:



    m.augsburger-allge...en-id43698756.html

    Und es ist auch nachvollziehbar, ein jüngeres Alter anzugeben, da dies eine geringere Wahrscheinlichkeit zur Abschiebung impliziert. Und wenn ich in ein Land fliehen müsste, würde ich mit allen ethisch vertretbaren Mitteln versuchen, einer frühzeitigen Abschiebung zu entgehen. Weswegen dieses Verhalten der Geflüchteten auch logisch und nicht zu verurteilen ist.

    Eine Person in Abschiebehaft hat aber kein Aufenthaltsrecht mehr und auch eine abgelaufene Duldung und ist damit auch nicht mehr als Flüchtling zu betrachten, da dieser Status damit auch ausläuft. Sie implizieren, dass hier eine scharfe Grenze gezogen wird zwischen volljährig und Minderjährig, das würde keinen Sinn ergeben, da der Test zur Altersbestimmung nicht so genau ist. Er ist aber genau genug um die Volljährigkeit zu ermitteln und dies mit einem Spielraum von 1-2 Jahren.



    Insofern ist da ein Spielraum vorhanden.

  • "Leider ist es ja nicht so, dass jungen Menschen über Nacht plötzlich so viel Reife und Verstand zuwächst, dass sie – simsalabim – erwachsen sind, obwohl sie gestern noch siebzehn waren."

    Ach deshalb können in Hamburg bereits 16-Jährige wählen?