Abschiebungen aus Deutschland: Neue Härte gegen Ausgewiesene
Bundesinnenminister Horst Seehofer und einige seiner Länderkollegen wollen rigider abschieben. Bald soll es einen neuen Gesetzentwurf geben.
Das „Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ wird laut Innenministerium in Kürze vorgelegt. Angeknüpft werde an den „Masterplan Migration“ und den Koalitionsvertrag, kündigte ein Sprecher an. Beide Papiere geben eine klare Richtung vor: „Die Zahlen der freiwilligen Rückkehr und der Rückführung müssen deutlich gesteigert werden“, heißt es im Masterplan. Auch der Koalitionsvertrag will Hindernisse für „konsequente Abschiebungen“ verringern.
Abzuschiebende sollen stärker verpflichtet werden, an der Wiederbeschaffung ihrer Papiere mitzuwirken – andernfalls droht die Streichung von Leistungen. Wer straffällig wird, soll schneller abgeschoben werden – künftig schon bei Sozialleistungsbetrug oder Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Ausgebaut werden sollen zudem Abschiebeknäste der Länder und solche des Bundes an Flughäfen. Und auf die Herkunftsländer soll mehr Druck gemacht werden, ihre Staatsbürger zurückzunehmen, etwa mit einer Einschränkung der Visa-Vergabe.
Was davon genau im Gesetzentwurf steht, dazu äußert sich das Ministerium noch nicht. Der taz liegt aber schon ein Vorschlagspapier des Ministeriums für die „Beschleunigung“ von Dublin-Verfahren vor – also bei Abschiebungen von Flüchtlingen in andere EU-Länder, in denen sie schon zuvor registriert wurden. Demnach könnte es für Abzuschiebende künftig ein „Chipsystem“ geben, das ihre Anwesenheit in ihrer Unterkunft registriert. Mit einer „Nachtzeitverfügung“ müssten sie sich abmelden, wenn sie zwischen 0 und 6 Uhr ihre Unterkunft verlassen wollen. Beides könne „dem Phänomen des Untertauchens wirkungsvoll begegnen“, so das Ministerium.
„Ganz schräge“ Debatte
Auch könnten die Länder zentrale „Überstellungsbehörden“ schaffen, um dort Abschiebungen gebündelt zu organisieren. Das Ministerium verhandelt derzeit zudem mit EU-Ländern, um Charter-Abschiebeflüge dorthin zu erleichtern. Mit Fluggesellschaften sollen dafür auch „No-Name-Buchungen“ vereinbart werden, um im Fall einer kurzfristig geplatzten Abschiebung andere Ausgewiesene auszufliegen. Dafür bereitet bereits heute das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine bundesweite „Überstellungsplattform“ vor, in der geplante Abschiebungen gelistet werden sollen.
Niedersachsens Ministerpräsident Boris Pistorius (SPD) reagierte reserviert. „Wir wissen selber, was wir zu tun haben“, sagte er dem ZDF. Auch seien Ideen wie die „No-Name-Buchungen“ „nicht wirklich realitätsnah“. Günter Burkhardt von Pro Asyl spricht von einer „ganz schrägen“ Debatte: „Hier wird ein System aufgebaut, das rechtsstaatliche Verhältnisse immer weiter angreift.“
Die Vorschläge sollen auch auf der Innenministerkonferenz (IMK) diskutiert werden, die kommende Woche in Magdeburg tagt. Dort wird es auch um mögliche Abschiebungen nach Syrien gehen. Diese sind wegen des dortigen Bürgerkriegs seit Jahren ausgesetzt. Das Bundesinnenministerium prüft derzeit aber, ob zumindest Straftäter und Gefährder nach Syrien ausgewiesen werden können.
Gleich eine Reihe an Landesinnenministern unterstützt den Vorstoß. Bereits vor einem Jahr diskutierte die IMK darüber – und lehnte Abschiebungen nach Syrien bis Jahresende 2018 ab. Nun ist die Debatte wieder entbrannt.
Vergangene Woche legte das Auswärtige Amt einen vertraulichen Syrien-Lagebericht vor. Von einem „komplexen, volatilen“ Bild, sprach ein Sprecher nur. NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) sagte, mit dem Bericht würden Abschiebungen nach Syrien „rechtlich in nächster Zeit nicht möglich“. Die Debatte sei „populistisch“ und „falsch“. Auch Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt nannte diese „völlig absurd angesichts der desolaten Lage“ im Land.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen