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AbschiebungSohn darf bleiben, Mutter soll gehen

Mirsad Hazda hat Arbeit. Deshalb darf der 22-jährige Kosovo-Flüchtling in Deutschland bleiben. Seine Mutter hat keine Arbeit. Deshalb soll sie abgeschoben werden. Und Mirsad muss entscheiden - zwischen Familie und Zukunft.

Er spricht für sie, das war schon immer so: Mirsad Hazda mit Mutter und Großmutter. Bild: Silke Ritter

Schützend legt Mirsad die Arme um seine Mutter und seine Großmutter. Der hünenhafte 22-Jährige überragt sie um gut zwei Köpfe. Die kleinen Roma-Frauen in den bunten Röcken sagen kaum etwas und wenn, dann nur leise und nur zu ihm. Er spricht für sie, das war schon immer so. Mirsad antwortet, organisiert und entscheidet. Wenn er nicht arbeitet, ist er hier, im Gemeindehaus der evangelischen Auferstehungskirche in Rotenburg. Seit einer Woche leben Mutter und Großmutter hier im Kirchenasyl. Die Abschiebung drohte. Und Mirsad, der Arbeit hat und deshalb in Deutschland bleiben darf, kümmert sich. Er spricht mit Pfarrer und Helfern, kauft ein, kocht und beruhigt die verängstigte Mutter.

Als die Familie vor zwanzig Jahren aus dem Kosovo ins niedersächsische Rotenburg floh, war Mirsad zwei Jahre alt. An den Krieg erinnert er sich nicht mehr. Er wuchs hier auf, besuchte den Kindergarten, lernte Deutsch. Er wurde zum Dolmetscher für seine Mutter, die bis heute nur gebrochen Deutsch spricht. Ob beim Einkauf oder auf der Ausländerbehörde, der kleine Junge sprach für die Familie, übersetzte und vermittelte. Im Laufe der Zeit musste Mirsad immer weniger übersetzen. Er kannte sich mit den Formularen, den Fristen und den Fachbegriffen besser aus als seine Mutter, und sie überließ die Entscheidungen ihm.

Nach Berufsschulschluss ist Mirsad direkt zur Kirche gefahren. Jetzt sitzt er mit den Flüchtlingsberatern des Diakonischen Werks bei Kaffee und Keksen zusammen. Lagebesprechung. Eine Anwältin hat einen Antrag bei der Härtefallkommission des Landes Niedersachsen eingereicht. Mirsad glaubt nicht, dass die beiden ohne ihn in überleben könnten, und dann auch noch in Serbien, einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen. Seine Mutter Selvije Ernst ist krank, seine Großmutter eine alte Frau. Mirsad will kämpfen. Das habe er von Anfang an gelernt, sagt er. Seine Familie sitzt im Nebenraum und sieht fern.

Mirsad ist ein Einzelkind. Seinen Vater hat er nie gekannt. Der ist im Bürgerkrieg verschollen, wahrscheinlich tot. Genau weiß das niemand. Damit hat Mirsad zu leben gelernt. Umso stärker ist die Bindung an seine Mutter. Ein Leben ohne sie ist für ihn nicht denkbar. Als sie ins Kirchenasyl ging, zog auch er in die Kirche, wo er auf dem behelfsmäßigen Matratzenlager schläft, das Helfer im Gemeindezentrum errichtet haben.

Arbeiten oder Ausreisen

Die 2007 beschlossene Bleiberechtsregelung ermöglicht es Menschen, die länger als sechs Jahre geduldet waren und einen Arbeitsvertrag haben, in Deutschland zu bleiben. Wer nicht mehr geduldet wird, muss gehen.

Seit der Unterzeichnung des Rücknahmeabkommens zwischen Deutschland und Kosovo sind mindestens 11.000 Roma "ausreisepflichtig" und können jederzeit abgeschoben werden.

Ausnahmen für alte und kranke Menschen sieht das Gesetz nur dann vor, wenn die Familie keine Sozialleistungen bezieht und ein Haushaltseinkommen nachgewiesen wird, das oberhalb der Grenzen von ergänzendem Hartz IV liegt.

Eine Unterstützerin aus der Kirchengemeinde holt Mirsad mit dem Auto ab. Er muss einkaufen gehen, der Kühlschrank ist leer. Er fragt seine Mutter, was er mitbringen soll. Alles, sagt sie. Aber das Budget ist begrenzt. Seit Januar lebt die Familie allein von Mirsads Ausbildungsvergütung als Malerlehrling, Kindergeld und Halbwaisenrente. Die Miete und die Krankenversicherungen für Mutter und Großmutter zehren den Großteil auf. Zum Leben bleiben den drei Flüchtlingen 180 Euro. Im Supermarkt geht Mirsad an den bunten Verpackungen vorbei. Er kauft Bohnen, Kartoffeln, Brot und ein paar Tütensuppen. Am Abend will er einen Eintopf kochen.

Einmal hatte er eine Freundin. Rund ein Jahr hat die mit bei der Familie gewohnt. Unterhalt von ihren Eltern bekam sie nicht. "Da bin ich schon mal für jemand der Unterstützer gewesen, finanziell", sagt Mirsad. Er hat damals, kurz nach dem Hauptschulabschluss, zwei Jobs angenommen. Im Edeka-Markt in der Nähe arbeitete er als Packhilfe. Anschließend half er in der Küche eines Biergartens aus. Für die Freundin blieb kaum Zeit. Als sie weg war, gab er die Jobs auf.

Er hat sich dann um eine Ausbildung bemüht, wollte "was für später, schwarz auf weiß". Über das Arbeitsamt bekam Mirsad ein Praktikum und anschließend eine Lehrstelle als Maler- und Lackierer. Bis 2012 läuft die Ausbildung, aber Mirsad hat Pläne. Er will den Meister machen, gleich im Anschluss. "Das ist mein Ziel", sagt er. "Das ist der Weg, den ich mir wünsche."

Auf dem Weg zurück zur Kirche hält ein Auto neben Mirsad. Darin vier junge Männer, Schulfreunde. "Man kennt sich", sagt Mirsad und lacht. Er fühlt sich als Rotenburger, eine andere Heimat kennt er nicht. Trotzdem weiß er nicht, ob er hier bleiben kann. Er hoffe und bete, dass dem Härtefallantrag stattgegeben wird und seine Familie in Deutschland bleiben kann, sagt er. Was er tut, wenn nicht, weiß er nicht.

Er habe schon daran gedacht, alles aufzugeben, sagt Mirsad. "Obwohl ich hierher gehöre." Seine Mutter allein zu lassen, ist für ihn unvorstellbar. Er hat den Behörden angeboten, auf alles zu verzichten. Keinen Cent wolle er mehr haben, habe er denen gesagt. Doch damit die beiden Frauen auch ohne Arbeit ein Bleiberecht bekommen, hätten sie ein Haushaltseinkommen nachweisen müssen, das über den Hartz-IV-Grenzen liegt. Als Malermeister könnte Mirsad die Anforderungen erfüllen, doch jetzt noch nicht. Und seine Ausbildung dauert noch vier Jahre.

Vielleicht lassen die Behörden Gnade vor Recht ergehen. Wenn nicht, muss Mirsad sich entscheiden. Bleiben oder gehen. Mirsad Hazda hat alles richtig gemacht. Manchmal reicht das nicht.

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5 Kommentare

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  • U
    Uli

    @Warrior:

     

    Es wäre begrüßenswert, wenn Du genauer lesen und mehr argumentieren, weniger populistisch großtönen würdest!

    Roma sind nicht erst seit dem Kosovokrieg im Kosovo Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt - woher weißt Du also, das da ein Asylantrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt worden ist? Im Artikel steht davon jedenfalls nichts... dort steht vielmehr, das der Vater im Bürgerkrieg (!) verschollen, wahrscheinlich getötet worden ist.

    Es ist also falsch, der Familie indirekt ein "Sozialschmarotzertum" zu unterstellen, wie Du das tust - die im Artikel Fakten geben das jedenfalls nicht her. Es handelt sich offensichtlich eher um eine spezielle, voreilige Lesart - ein Vor-Urteil - Deinerseits. Und woher Du Deine Aussage nimmst, derartiges würde sich "millionenfach" in Deutschland wiederholen - dazu hätte ich gerne mal Fakten, gerne per Link hier auf taz.de.

    Ansonsten, lieber "Warrior", wäre ich bis zum Beweis des Gegenteils geneigt, Deine Äußerungen als platten, ausländerfeindlichen Populismus zu bewerten.

  • W
    Warrior

    Es wäre begrüßenswert, wenn die Journalisten beim Schreiben etwas mehr denken würden. Dann würden solche unsinnige Sätze wie "Als die Familie vor zwanzig Jahren aus dem Kosovo ins niedersächsische Rotenburg floh, war Mirsad zwei Jahre alt. An den Krieg erinnert er sich nicht mehr." nicht entstehen!

     

    Die Familie ist also im Jahr 1990 nach Deutschland gekommen und hat einen Asylantrag gestellt. Dieser wurde bereits 1991 als "offensichtlich unbegründet" (so lautet die Formulierung) abgelehnt. Damals gab es in ihrer Heimat keinen Krieg - auch keinen Bürgerkrieg. Auch aus diesem Grund kann sich Mirsad an keinen Krieg erinnern.

     

    Zwanzig Jahre leben diese Leute in Deutschland als abgelehnte geduldete Asylbewerber - auf Kosten der armen Steuerzahler, die für diesen Spaß, der sich in Deutschland millionenfach wiederholt, aufkommen müssen.

  • AF
    Andreas Fuchs

    hallo

    bei Euren Berichten in der Rubrik taz Nord fehlt mir ganz oft die Ortsangabe.

    In welcher Stadt spielt sich das ab?

    Ansonsten weiter Druck machen auf die Landesinnenminister und Demo vor der Ausländerbehörde, die so einen Schwachsinn fabriziert.

  • SW
    Sebastian Wachholz

    Einfach eine Schande wie man in Deutschland mit Menschen umgeht! Man könnte meinen in deutschen Ämtern arbeiten Maschinen...

  • VT
    V. T Faire-Foutre

    Hätte Mirsad eine Lehre als Bankkaufmann begonnen, wäre Parteimitglied und hätte bereits seine erste Milliarden mit grenzüberschreitenden "Geschäften" verbrannt, so wäre ihm jede Hilfe sicher, und ein paar Millionen für die eigene Kasse. Für ihn als Malerlehrling und seine Familie wird die Grenze nur zum Verhängnis.