Abschiebung von Sami A.: „Diskret“ außer Landes geschafft
Der NRW-Landtag streitet, ob das Verwaltungsgericht vor der Abschiebung von Sami A. getäuscht wurde. Der Intergrationsminister rechtfertigt sich.
Man lässt einander nicht ausreden: Zwischenrufe vom CDU/FDP-Tisch unterbrechen Beiträge von SPD und Grünen, die es sich wiederum nicht nehmen lassen, die Rufe zu erwidern. Als NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) sagt, er wisse, dass das Ausschussmitglied Sven Wolf (SPD) intelligent sei, muss er innehalten: Das Lachen vom CDU/FDP-Tisch ist zu laut.
Auf Antrag der Fraktionen von SPD und Grünen sind der Rechts- sowie der Integrationsausschuss zu dieser Sondersitzung zusammengekommen, um den einzigen Punkt auf der Tagesordnung zu klären: „Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz – Wurde das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und die Öffentlichkeit im Fall Sami A. bewusst getäuscht?“ Die passive Formulierung lässt offen, wer da getäuscht haben soll. Erst die Beiträge von SPD und Grünen machen klar: Als Verantwortlichen sehen sie Integrationsminister Stamp.
Angelpunkt der Debatte sind Informationslücken im Abschiebeverfahren von Sami A. Donnerstag vergangener Woche verbot das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Abschiebung: Nur wurde dieses Verbot erst am Freitag an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und die zuständige Ausländerbehörde Bochum zugestellt. Da war Sami A. schon in der Luft. Bei der Zustellung hatte das Gericht keinen Grund zur Eile gehabt, denn trotz mehrerer Nachfragen beim Bamf hatte es nichts von der bevorstehenden Abschiebung erfahren. Denn das Bamf wusste selbst nichts davon.
„Unvollständige Frage“
Am Mittwoch, als das Gericht in den Akten den Hinweis auf einen Abschiebungstermin am 12. Juli gefunden hatte, hatte es beim Bamf nachgefragt – welches sich wiederum an Stamps Integrationsministerium wandte. Das Ministerium ist für die Abschiebung verantwortlich. Das Bamf habe eine unvollständige Frage gestellt, sagt Stamp. „Das Bamf hat nicht gefragt, ‚Steht eine kurzfristige Rückführung an?‘“, so der Minister, „es ging um den Termin am 12. Juli.“ Da habe sein Ministerium wahrheitsgemäß geantwortet: Der Abschiebetermin für den 12. Juli ist abgesagt. Von der bevorstehenden Abschiebung am 13. Juli aber sagte das Ministerium nichts.
„Wir haben versucht, Sami A. so diskret wie möglich außer Landes zu schaffen“, sagt Stamp. Zu einer Informierung des Bamfs sei man nicht verpflichtet gewesen. „Wir sprechen nur mit den Rechtsstellen, die zwingend von uns informiert werden müssen.“ Sonst komme es oft zu Indiskretionen, gefolgt von Maßnahmen, die Abschiebevorhaben „torpedieren“.
Die Verwendung des Wortes „diskret“ sei irreführend, bemängelt SPD-Rechtspolitiker Wolf. „Sie wollten das heimlich machen.“ Das Ministerium hätte das Gericht zu jeder Zeit auf dem aktuellen Stand halten müssen. „Wen aus ihrem Haus haben Sie für die heimliche Abschiebung eingespannt? Sie haben gesagt: ‚Ich habe entschieden.‘ Dann tragen Sie, Sie selber, auch die Verantwortung.“
Das Verbot einer Abschiebung hatte das Gericht vor allem auf den Umstand gestützt, dass Sami A. in Tunesien gefoltert werden könnte. Zum Vorwurf, das Gericht hintergangen zu haben, sagt Stamp, er habe überhaupt nicht gewusst, dass da noch ein Verfahren anhängig sei.
Obwohl das Abschiebeverbot während der laufenden Abschiebung zugestellt wurde: Bis zu einer gerichtlichen Entscheidung sei unklar, ob die Abschiebung nun rechtswidrig oder rechtskonform erfolgt ist, sagt Justizminister Biesenbach. Stamp hingegen stellt fest: „Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, ihn rechtskonform abzuschieben.“ Sollte ein Gericht die Abschiebung aber für rechtswidrig erklären, so werde man das akzeptieren. „Wir werden versuchen, die Rückführung durchzuführen.“ Außerdem wolle er künftig das Zusammenspiel der Behörden anders organisieren. Wie genau, das sagt er nicht.
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