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Abschiebung nach TunesienSami A. soll zurück nach Deutschland

Die Abschiebung des mutmaßlichen Ex-Leibwächters von Osama bin Laden sei „grob rechtswidrig“, urteilt das Gericht. Nun soll Sami A. zurückgeholt werden.

Der Abschiebeflug startete am Freitagmorgen in Düsseldorf Foto: dpa

Düsseldorf/Berlin dpa | Die Abschiebung des Ex-Leibwächters von Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden nach Tunesien soll nach einer Gerichtsentscheidung rückgängig gemacht werden. Sie stelle sich als „grob rechtswidrig dar und verletzt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien“, teilte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Freitag mit. Deshalb sei Sami A. „unverzüglich auf Kosten der Ausländerbehörde in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen“. Gegen den Beschluss könne Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eingelegt werden.

Der von den Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingestufte Sami A. war am Freitagmorgen in Begleitung von Bundespolizisten mit einer Chartermaschine von Düsseldorf aus in sein Heimatland geflogen worden. Am Donnerstag hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden, dass er vorerst nicht abgeschoben werden dürfe. Sein Verbot hatte das Gericht mit fehlender Sicherheit für Sami A. vor Folter in Tunesien begründet.

Das Gericht informierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erst über seine Entscheidung, als Sami A. bereits im Flugzeug saß. Dass diese Entscheidung erst am Freitag an das Bamf ging, sei darauf zurückzuführen, dass alle beteiligten Behörden trotz mehrfacher Anfragen des Gerichts, den Zeitpunkt der geplanten Abschiebung nicht bekanntgegeben hätten, teilte das Verwaltungsgericht mit.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums hatte in Berlin gesagt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sei „nach Beendigung der Rückführung informiert, sprich mit Übergabe an die tunesischen Behörden“ informiert worden. Das Bundesinnenministerium habe die Behörden in Nordrhein-Westfalen bei der Abschiebung unterstützt. Die Entscheidung über die Abschiebung liege in diesem Fall aber in NRW.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums hatte in Berlin gesagt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sei nach Beendigung der Rückführung informiert, sprich mit Übergabe an die tunesischen Behörden informiert worden

Das NRW-Flüchtlingsministerium berief sich auf eine dem Abschiebeverbot vorangegangene Entscheidung einer anderen Kammer des Verwaltungsgerichts vom Mittwoch. Darin sei die Abschiebungsandrohung des Ausländeramts der Stadt Bochum für rechtmäßig erachtet worden. „Auf Grundlage dieses Beschlusses ist die Rückführung nach Tunesien durchgeführt worden“, heißt es in der Mitteilung des Ministeriums. Laut Verwaltungsgericht Gelsenkirchen dient die Abschiebungsandrohung „lediglich der rechtlichen Vorbereitung der tatsächlichen Abschiebung“.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte in Berlin, das Ministerium sei am vergangenen Montag über den geplanten Abschiebeflug informiert worden. Die deutsche Botschaft in Tunis habe daraufhin beim tunesischen Außenministerium diesen Flug angemeldet.

Das Flugzeug mit Sami A. an Bord landete am Freitagmorgen 8.11 Uhr Ortszeit auf dem Flughafen Enfidha bei Hammamet. Die tunesischen Behörden ermitteln nach eigenen Angaben, ob A. an „extremistischen Aktivitäten“ in Deutschland beteiligt gewesen ist. Er stehe unter Arrest, sagte ein Sprecher des tunesischen Justizministeriums der dpa.

Sami A. lebte seit Jahren mit Frau und Kindern in Bochum. Er war 1997 zum Studium nach Deutschland gekommen

Sami A. lebte seit Jahren mit Frau und Kindern in Bochum. Er war 1997 zum Studium nach Deutschland gekommen. Im Jahr 2000 soll er eine militärische Ausbildung in einem Lager der Al-Kaida in Afghanistan erhalten und zeitweise zur Leibgarde von Osama bin Laden gehört haben. Bin Laden ist der Gründer des Terrornetzwerks Al-Kaida. Er wurde 2011 in Pakistan von einem US-Kommando getötet.

Anschließend soll sich Sami A. in Deutschland als salafistischer Prediger betätigt haben. Der Tunesier hat diese Vorwürfe stets bestritten. Die Bundesanwaltschaft hatte laut Gericht gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber mangels hinreichenden Tatverdachts wieder eingestellt.

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23 Kommentare

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  • Ich bitte die Mehrheit der Kommentatoren doch kurz im Lexikon die Bedeutung des Wortes "mutmaßlich" nachzulesen. Insbesondere in seinen juristischen Feinheiten scheint das an vielen vorbei zu gehen.

    • @Sophie Kowalski:

      Das liegt vielleicht auch daran, daß die deutsche Justiz sich als unfähig erwiesen hat, sich militärischen Sachverhalten zu nähern, da sie einfach keine Ahnung davon hat.

      Egal ob Syrienrückkehrer oder Leute die für die Taliban gekämpft haben, man tut sich unglaublich schwer, die zu verurteilen.

      Mein Lieblingsbeispiel sind aber immer noch die Somalipiraten, die damals die Taipan gekapert haben. Nachdem Sie erst einmal nach Hamburg überstellt wurden und man zwei Jahre gebraucht hat sie zu verurteilen, leben immer noch 5 von ihnen nach der Haft in Deutschland, trotz Ausreisepflicht. Denn nach Somalia schieben wir nicht ab und die somalische Botschaft stellt auch keine Dokumente aus, die 5 die weg sind, sind alle freiwillig ausgereist.

      Das hat man einmal gemacht und danach habe ich nie wieder davon gehört, daß die Marine oder andere Streitkräfte Piraten nach Deutschland gebracht haben, warum wohl.

    • @Sophie Kowalski:

      Es ist nicht "mutmaßlich", sondern belegbar, dass der Abgeschobene Tunesier ein islamistischer Gefährder ist, der auch als Hassprediger in Youtube Auftritte hat.

  • Die "Rückschiebung" scheitert hoffentlich an Tunesien.

    www.focus.de/polit...en_id_9255402.html

  • DAS darf nicht wahr sein. Die AfD und sonstige rechte Parteien werden bei der nächsten Wahl haushoch gewinnen. Dieses Land hat nichts, aber auch gar nichts gelernt - weder aus der Vergangenheit noch aus der Gegenwart.

    • @Nicky Arnstein:

      Wahre Worte.

  • Wie will man solch einen Irrsinn der Mehrheit der Bevölkerung als vernünftige Asylpolitik verkaufen? Anstatt sich an einzelnen Politikern abzuarbeiten, sollte die Tatsache, dass solche Gesetze existieren, für massive Kritik sorgen. Da muß kein Minister weg, sondern in erster Linie Gesetze, die dem Frieden in der Gesellschaft schaden.



    Auch hier die Frage: "Wem nützt das?" Die Antwort ist einfach!

    • @finches:

      Und wem nützt das?

  • Das Abschiebeverbot "hatte das Gericht mit fehlender Sicherheit für Sami A. vor Folter in Tunesien begründet." Sami A. dürfte beim Begehen seiner Straftaten das Risiko bewusst gewesen sein, dass er aus Deutschland abgeschoben wird und ihm in Tunesien Folter droht. Oder hat er gleich einkalkuliert, dass deutsche Gerichte alles daran setzen, Straftäter vor ihrer eigenen Dummheit zu schützen?

  • Diese Abschiebung war Folter.

    Deutschland sollte dem Leibwächter eine sechsstellige Summe als Entschädigung für die erlittenen seelischen Qualen zahlen müssen.

    Hoffentlich darf Sami A. bald zurück kommen. Seine Gemeinde erwartet ihn sehnlich.

    • @Maike123:

      Ich hoffe, das war Satire.

  • Als Chefsache (?) an sich gezogen, hat unser Problembär aus Bayern nun auch aus Gelsenkirchen die nächste Klatsche für seine große Klappe und seine Verwahrlosung im Handeln wie im Sprechen eingefangen.

    Bei einem solche großen Verlust von Glaubwürdigkeit in so kurzer Zeit, wird doch ein Bundesinnenminister selbst zum Gefährder der freiheitlich demokratischen Grundordnung.

    Wann Frau Bundeskanzlerin - bitte schön - ist für Sie ENDLICH die Zeit, diesen Minister zu feuern.



    (DER wolt doch schon gehen ;-) )

    Durch das Tal der Tränen müssen wir auf Grund Ihrer aller Verrohung mittlerweile sowieso erst mal durch.

    Dann können wir auch schon JETZT den Koalitonsbruch riskieren und den "Konkurs" nicht nunnötig zu verschleppen!.

    • @berbaron:

      Da haben Sie sich aber den falschen Adressaten gesucht.

      Sie können sich drauf verlassen, dass die Mehrheit im Land ihn nicht feuern wollen wird, weil seine Behörde den Leibwächter Bin Ladens zu früh abgeschoben hat.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Hoffentlich bleibt er auch dort.



    Das kann doch nicht sein. Warum war er hier eigentlich nicht inhaftiert? Das würde mich interessieren.

    • @98589 (Profil gelöscht):

      Weil wir zum Glueck noch in einem Rechtsstaat leben. Steht zum Teil doch sogar in diesem Artikel: "mangels hinreichenden Tatverdachts".

      • @JoWall:

        Das hat man von Amri auch gesagt. 12 Tote. Sie gehören auch zu denen, die aus Erfahrungen nicht klug werden wollen, oder?

  • Die Tunesier haben ihn bereits inhaftiert, wenn die ihn nicht gehen lassen, bleibt er da.

    Ich stell mir die Frage, ob das von Seehofer gemeint war, als er sagte:" „Wir müssen erreichen, dass diese Abschiebeverbote durch Gerichte aufhören."



    Nach dem Motto, wir fliegen in nach Tunesien, die verhaften ihn und dann kommt er eh nicht mehr zurück, hinterher sagen wir, es war ein Versehen, so könnte man den Rechtsstaat aushebeln.

    • 8G
      82732 (Profil gelöscht)
      @Sven Günther:

      Man könnte in der Tat eine Parallele ziehen....



      Nach dem wurschtigen "Jetzt sind sie halt da." haben wir jetzt die Situation eines



      "Jetzt ist er halt weg."

    • 8G
      86970 (Profil gelöscht)
      @Sven Günther:

      man könnte sagen: es handelt sich hier um die Umkehrung der ebenfalls etwas ungeregelten Verhältnisse bei der Einreise. Dort kommen Leute über die Grenze rein, die eigentlich nicht kommen sollen / dürfen. Die dann aber eben einfach da sind, obwohl so recht keine Rechtsgrundlage dafür existiert. Seehofer probiert jetzt, ob das auch andersrum funzt: schmeißt Leute raus, obwohl auch dafür keine wasserdichte Rechtsgrundlage vorhanden ist. Dann sind leider, leider Fakten geschaffen, an denen man nicht vorbeikommt. Gesund für den Rechtsstaat ist weder das eine noch das andere...



      Mal davon ab: vermisst hierzulande jemand Sami A. Ich fürchte: nein.

      • @86970 (Profil gelöscht):

        "vermisst hierzulande jemand Sami A."

        Der Mann soll eine deutsche Frau und drei vermutlich deutsche Kinder haben.

        Schon möglich, dass die ihn vermissen.

        • 8G
          86970 (Profil gelöscht)
          @A. Müllermilch:

          tja, da wäre eine Familienzusammenführung dringend geboten, nichwa?

    • @Sven Günther:

      Nein Nein!

      Unser aller Heimathirsch & ObergrenzenVollhorst - meinte doch!



      “Endlich sorgfältige gerichtsfeste Bescheide im BAMF basteln!“



      &



      Rot anstreichen im Kalender!

      Denn Mann ist ja schließlich auch noch



      Öberschter IM & Öberschter doch noch! Verfassungsminister! Gellewelle!



      Ha noi! - Ja. Da staunt‘s schoo! Newahr.



      &



      Der Laie wundert sich! Normal*!*



      Auch wieder wahr!

  • So hört sich das wohl an, wenn der deutsche Amtsschimmel wiehert.



    Was mich betrifft: Ich habe keine Sehnsucht nach dem nunmehr abgeschobenen Ex-Leibwächter von bin Laden. Er soll bitte keine Gelegenheit erhalten, doch noch hierzulande Attentate zu verüben, wie der getötete Attentäter Anis Amri, der ebenfalls als Gefährder eingestuft war.



    Komisch: Nachdem Anis a. sein Attentat verübt hatte, wurde die Staatsmacht kritisiert, weil sie ihn nicht VORHER abgeschoben hatte. Jetzt gibt es Kritik wegen Sami A., vermutlich deshalb, weil er abgeschoben wurde, obwohl er doch noch gar kein Attentat begangen hat!