Abschiebegewahrsam am Hamburger Flughafen betriebsbereit: Spielplatz hinter Gittern

Als erstes Bundesland setzt Hamburg um, was seit der Asylrechtsverschärfung möglich ist: Flüchtlinge vier Tage einzusperren, um sie einfacher abzuschieben.

Im Außenbereich der Abschiebeeinrichtung soll man „einfach mal in der Sonne sitzen können“ Foto: dpa

HAMBURG taz | Es ist kein Knast – das ist dem Hamburger Innenstaatsrat Bernd Krösser wichtig zu betonen. Am Freitag hat er der Öffentlichkeit das neueste Projekt seiner Innenbehörde vorgestellt: Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte sich dafür eingesetzt, das Abschiebegewahrsam direkt am Flughafen zügig einzurichten. Bereits im Januar erteilte er den Auftrag, die Einrichtung zu bauen.

Bis zu 20 Menschen sollen hier ab sofort bis zu vier Tage lang festgehalten werden, um zu verhindern, dass sie sich ihrer Abschiebung entziehen. Fünf Plätze sind für Flüchtlinge aus Schleswig-Holstein reserviert.

In der Sprache der Behörde heißt die Einrichtung „Ausreisegewahrsam“. Für die dort Festgehaltenen gibt es eine komplizierte Sprachregelung: „Die Ingewahrsamnahme erfolgt in Fällen, in denen die einem ausreisepflichtigen Ausländer gesetzte Ausreisefrist erheblich überschritten wurde und der Betroffene ein Verhalten zeigt, das erwarten lässt, dass er die Abschiebung vereiteln wird.“

Das heißt: Flüchtlinge, die bei ihrer Abschiebung nicht „kooperiert“ haben, weil sie beispielsweise keinen Pass haben und nicht aktiv daran arbeiten, sich einen neuen zu besorgen, und ihren Termin zur „freiwilligen Ausreise“ verstreichen lassen, sollen künftig hier landen. Dafür braucht es allerdings die Anordnung eines Richters.

Ab sofort können Flüchtlinge vor ihrer Abschiebung bis zu vier Tage in der neuen Einrichtung am Hamburger Flughafen eingesperrt werden.

Die Kosten für die Einrichtung betragen laut der Hamburger Innenbehörde 1,2 Millionen Euro pro Jahr.

Acht Plätze sind für Frauen vorgesehen, zwölf für Männer.

Fünf der 20 Plätze sind für Flüchtlinge aus Schleswig-Holstein reserviert.

Die Leitung der Einrichtung liegt bei der Ausländerbehörde, die der Innenbehörde angegliedert ist.

Die neue Einrichtung neben der Landebahn macht Hamburg zum Vorreiter in Sachen Freiheitsentzug von Flüchtlingen: Als erstes Land setzt es die bundesweit beschlossene Verschärfung des Asylrechts um, die das Festsetzen der Menschen zum Zweck der Abschiebung neuerdings für vier Tage erlaubt.

Der Containerbau besteht aus einem Männer- und einem Frauentrakt, auch Familien mit Kindern sollen dort eingesperrt werden. Es gibt ein Kinderzimmer und einen mit Natodraht eingezäunten Außenbereich mit Spielplatz.

Für Ausländerbehörden-Sprecher Norbert Smekal ist „die Einrichtung eher wie eine Unterkunft zu betrachten – nur dass man nicht rauskommt “. Bei allem, was sie sagen, achten die VertreterInnen der Innenbehörde genau auf ihre Worte: Von Abschiebungen spricht keiner, nur von „Rückführungen“.

Staatsrat Krösser erklärt, der „Ausreisegewahrsam“ sehe schon optisch ganz anders aus als ein Abschiebeknast. „Hier haben wir keine Zellen, sondern Zimmer“, sagt er. In ihnen stehen auf 14,5-Quadratmetern ein Bett, ein Schrank, ein Tisch und ein Stuhl, ein winziger Raum mit Toilette und Waschbecken gehören dazu. Die Decken sind niedrig und weder die bunte Bettwäsche noch der Fernseher an der Wand wirken gegen das beklemmende Gefühl.

Franz Forsmann vom Hamburger Flüchtlingsrat sagt: „Egal, wie es aussieht – es bleibt ein Knast für Flüchtlinge. Und das geht gar nicht.“ Er hält die Einrichtung für menschenrechtswidrig. Innenbehörde und Betreiber verkaufen sie hingegen als humaner im Vergleich zur bisherigen Praxis.

Krösser sagt, die Menschen hätten hier ganz andere Bewegungsmöglichkeiten. Zusammen mit Annette Hitpaß, der Leiterin des Einwohnerzentralamts, die auch die Leiterin des Abschiebegewahrsams ist, stellt Krösser den Außenbereich vor: Ein mit grauen Steinen gepflasterter Platz mit zwei Bänken, einem Mülleimer, einer Sandkiste und einem Klettergerüst für Kinder. Hier soll man auch „einfach mal in der Sonne sitzen können“, sagt Hitpaß. „Wir bieten den Familien Spielmöglichkeiten draußen und drinnen, sowie die Möglichkeit, sich einfach hier aufzuhalten.“

Auch eine Sicherheitszelle gibt es: Ein bis auf eine Toilette komplett leerer Raum mit extra verstärkten Wänden. In der Tür sind ein Guckloch und eine abschließbare Klappe, wie man sie sonst nur von Gefängnistüren kennt. Außerdem gibt es einen „Sozialraum“ in jedem Trakt. Ein Tisch und ein paar Stühle stehen darin, ansonsten ist es kahl und trostlos. Alles hier ist vergittert oder anderweitig gesichert: Die Fenster kann man ohne Schlüssel nicht öffnen. Nach draußen guckt man auf den Zaun.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.