Abriegelung während Coronaquarantäne: Kaum Chance auf Schmerzensgeld
Bewohner eines Wohnblocks in Göttingen klagen gegen die Abriegelung während der Pandemie. Das Landgericht wies dies nun zurück.
Die Zivilkammer des Gerichts räumt dem Begehren allerdings wenig Erfolgschancen ein, wie sich aus mehreren jetzt veröffentlichten Beschlüssen ergibt. Die Richter lehnen darin insgesamt 40 Anträge von Betroffenen auf Prozesskostenhilfe ab.
Das Hochhaus gilt als sozialer Brennpunkt. Rund 700 Menschen, darunter 200 Kinder und Jugendliche, leben dort unter prekären Bedingungen. Für die meisten der nur 19 bis 39 Quadratmeter kleinen Appartements zahlt die Stadt Göttingen die Miete, weil die Bewohner auf Transferleistungen angewiesen sind.
Nachdem sich im Juni 2020 zwei Frauen mit dem Coronavirus infiziert hatten, ordnete die Stadt Tests für alle Bewohner an, 120 Menschen wurden positiv getestet. Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, stellte die Stadt den Komplex unter Quarantäne. Die Eingänge zum Grundstück wurden abgesperrt und mit Toren verschlossen. Lieferwagen brachten Lebensmittel und Hygieneartikel.
Auch wenn die Absperrung und polizeiliche Bewachung rechtswidrig waren, ergebe sich daraus nicht automatisch ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schmerzensgeld, findet nun das Landgericht. Denn Schmerzensgeld sei keine Strafe für rechtswidriges Verwaltungshandeln. Zudem, so die Richter, hätte es die von den Klägern geltend gemachten Beeinträchtigungen ohnehin gegeben. Die Menschen hätten den Wohnblock schon wegen der Quarantäneanordnung nicht verlassen dürfen. Die Entscheidung des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Fahrradfeindlicher Nahverkehr
Mein Fahrradproblem und was die Öffis damit zu tun haben
Radikalisierung durch Gaza
Der globalisierte Hass
Beitragsbemessungsgrenze
SPD erwägt Erhöhung der Gesundheitsbeiträge
Proteste gegen Abschiebungen
Trump entsendet Nationalgarde nach Los Angeles
Neuausrichtung des Aktivismus
Parlament im Kuppelzelt
Repression gegen Palästina-Solidarität
Davidsterne und rote Dreiecke