Abholzung des Akbelen-Walds in der Türkei: „Gehen Sie hin, hören Sie zu“
In der Türkei soll ein großer Wald dem Braunkohleabbau weichen. Die AnwohnerInnen leisten Widerstand. Nun gab es ein Sondertreffen im Parlament.
Mehrere Busse voller AktivistInnen, vor allem DörflerInnen aus der betroffenen Region, die sich seit Jahren gegen den Braunkohleabbau wehren, waren nach Ankara gefahren und belagerten dann die Fraktionssitzungen der verschiedenen Parteien, bevor es im Plenum zu einer Aussprache kam.
„Gehen Sie hin und hören Sie zu“, rief der Vorsitzende der CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, im Parlament den VertreterInnen der Regierungsfraktionen zu, die sich allerdings erwartungsgemäß stur gaben.
Als es am Ende einer emotionalen Aussprache zur Abstimmung darüber kam, ob das Parlament das Thema für eine ausgiebige Befassung mit dem Ziel einer Neubewertung des Braunkohleabbaus in der Türkei auf die Agenda setzen soll, lehnte die Regierungsmehrheit den Antrag der CHP ab.
„Kohle kann man nicht essen“
Dennoch werteten die AktivistInnen aus Akbelen die Sondersitzung des Parlaments am Dienstag am Ende als Erfolg. „Wir haben uns sichtbar gemacht und gezeigt, dass wir uns dagegen wehren, wenn der Staat und einige Großunternehmer uns unsere Lebensgrundlage wegnehmen wollen“, sagte Nejla İzci, Olivenbäuerin und Sprecherin des Widerstands, am Ende des Tages. „Kohle kann man nicht essen, wir brauchen unsere Oliven und den Honig, von dem wir leben.“
Die Auseinandersetzung schwelt seit Langem: Es geht um ein Braunkohleabbaugebiet im Hinterland der Ägäisküste, das auf Kosten des Akbelen-Waldes und der Olivenplantagen von vier Dörfern ausgeweitet werden soll. Seit Jahren setzt sich die Mehrheit der DorfbewohnerInnen dagegen zur Wehr, seit dem Sommer 2021 gibt es ein Widerstandscamp am Rande des Akbelen-Waldes, wo DorfbewohnerInnen und AktivistInnen aus den umgebenden Städten Bodrum, Milas und Muğla Wache gegen die Abholzung des Waldes halten.
Vor zwei Wochen startete dann dennoch die Zerstörung des Waldes. Begleitet von einem Großaufmarsch von Polizei und Gendarmerie wurde mit der Abholzung begonnen. Mit massivem Einsatz von Wasserwerfern und Reizgas hinderte die Gendarmerie die AktivistInnen daran, sich den Sägekolonnen entgegenzustellen.
Braunkohle gilt als heimischer Energieträger
Wie Oppositionsführer Kılıçdaroğlu in der Parlamentsdebatte sagte, geht es aber nicht nur um die konkrete Auseinandersetzung in Akbelen. Überall in der Türkei, sagte er, sei die Umwelt durch den Druck von Kohle- und Bergbauunternehmen, die eng mit der Regierung zusammenarbeiten, gefährdet.
Dabei gibt es mit den erneuerbaren Energien durch Sonne und Windkraft längst bessere und sogar billigere Alternativen. Speziell an der Ägäisküste werden zwar auch viele Windkraftwerke gebaut, die Regierung will aus Profitgründen, und weil sie die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten möglichst schnell verringern will, dennoch an der besonders umweltschädlichen Braunkohle als heimischem Energieträger festhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund