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AbgeordnetenhausEnergieschub fürs Stadtwerk

Rot-Rot-Grün will den von der CDU kleingehaltenen Landesbetrieb zu einem wichtigen Teil der Energiewende machen. Volksentscheid-Macher Taschner ist damit am Ziel.

Der Strom kommt aus der Steckdose, aber wer liefert ihn dahin? Künftig stärker das Stadtwerk Foto: dpa

Es ist ein Kreis, der sich an diesem Donnerstagmorgen im Abgeordnetenhaus schließt. Am Rednerpult steht ein Mann mit Zopf, spricht einleitend für die Grünen und damit letztlich für die ganze Koalition vom Berliner Stadtwerk, das nun entfesselt werde. Es ist genau derselbe Mann, der vor fast fünf Jahren den Volksentscheid für ein solches Stadtwerk auf den Weg brachte. Der Volksentscheid scheiterte 2013, wenn auch knapp, das Stadtwerk selbst kam zwar, wurde aber von der CDU unter Rot-Schwarz kleingehalten. Nun aber ist Stefan Taschner, seit 2014 Grüner, seit Herbst Abgeordneter, am Ziel: „Mit Rot-Rot-Grün ist es möglich, diese Blockade zu beenden.“

Es geht im Grunde um einen kurzen Passus im Berliner Betriebe-Gesetz: Da hatte die CDU bei der Gründung des Stadtwerks – im Vorfeld des Volksentscheids vom Abgeordnetenhaus beschlossen, um Druck vom Kessel zu nehmen – eine entscheidende Begrenzung festgeschrieben. Denn das neue Unternehmen sollte zwar Ökostrom verkaufen, aber nur jenen, den es selber herstellte. Gedacht war an weitere Windräder auf den sogenannten Stadtgütern, jenen landwirtschaftlichen Betrieben, die das Land Berlin im Brandenburger Umland besitzt. Für den Start und zur Kundenakquise Ökostrom hinzuzukaufen, war untersagt.

Selbst die CDU-geführte Wirtschaftsverwaltung räumte 2014 in einem Bericht ein, ohne Zukauf seien „die Möglichkeiten zum Aufbau eines Kundenstamms stark limitiert“. In Zahlen drückt sich das noch deutlicher aus: Statt der angestrebten 100.000 Kunden hat das Stadtwerk derzeit nur 2.500.

Das soll nun alles anders werden. 100 Millionen Euro sollen über die nächsten fünf Jahre verteilt als Anschubfinanzierung in das Stadtwerk fließen, das als Tochter der landeseigenen Wasserbetriebe firmiert. Und es soll auch nicht nur Strom liefern, sondern auch beraten und Partner beim Energiesparen sein. Mehr als ein traditionelles Stadtwerk soll das sein, kündigt Taschner an, „wir wollen das Stadtwerk 2.0.“

Der Volksentscheid 2013

Bei der Abstimmung am 3. November 2013 über Energienetze in Landeshand und ein Stadtwerk standen rund 600.000 Ja- 121.000 Nein-Stimmen gegenüber. Für einen erfolgreichen Volksentscheid müssen aber 25 Prozent aller Berliner Wahlberechtigten mit „Ja“ votieren. Die 600.000 Stimmen entsprachen aber nur 24,1 Prozent, rund 21.000 Stimmen fehlten. Viele führten das darauf zurück, dass der rot-schwarze Senat den Volksentscheid nicht parallel zur Bundestagswahl Ende September stattfinden ließ, was erfahrungsgemäß zu einer höheren Beteiligung geführt hätte. (sta)

Die Opposition zeigt sich geschlossen ablehnend. Und das nicht mal brachial auf einer „Hört mit dem Öko-Gedöns auf“-Schiene. Die CDU-Fraktion sieht Jobs beim Stromriesen Vattenfall, bei Energieberatern und Handwerksbetrieben in Gefahr, wenn das Stadtwerk hier nun groß einsteige – was die SPD bestreitet: Viele neue Arbeitsplätze würden entstehen. Wie die Christdemokraten mögen auch FDP und AfD nicht nachvollziehen, worin der Mehrwert bestehen soll, wenn künftig neben rund 160 anderen Anbietern auch ein Berliner Stadtwerk Ökostrom liefert.

Taschner hat dazu schon zum Auftakt der Volksentscheid-Kampagne 2012 etwas gesagt: „Der Strom muss endlich wieder Berliner werden.“ Für den FDP-Redner Henner Schmidt, durchaus kein Öko-Fresser, ist eine solche regionale Verwurzelung kein Argument: „Das klingt für mich so wie die kleinkarierte lokale Variante von Donald Trumps Protektionismus.“ 100 Millionen Euro in das Unternehmen zu stecken ist für Schmidt angesichts der von Experten bezweifelten Marktchancen zudem „rausgeschmissenes Geld“. Die AfD schlägt vor, damit lieber Schulden abzubauen.

Das Stadtwerk 2017

Kurz vor dem Volksentscheid brachten SPD und CDU im Herbst 2013 im Abgeordnetenhaus noch einen Landesbetrieb namens Stadtwerk auf den Weg. Außer dem Namen hatte der aber nicht viel gemein mit jenem Stadtwerk, das der Berliner Energietisch forderte. Grüne und Linkspartei hielten Rot-Schwarz damals vor, damit nur den Volksentscheid schwächen zu wollen. Unter Rot-Rot-Grün soll das Stadtwerk nicht nur Ökoenergie liefern, sondern auch „zentraler Partner“ beim Großprojekt sein, landeseigene Gebäude so umzugestalten, dass sie weniger Energie verbrauchen. (sta)

Aber man müsse doch sehen, dass 600.000 Berliner beim Volksentscheid für ein Stadtwerk gestimmt hätten, argumentiert der SPD-Mann Jörg Stroedter. Und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop von den Grünen stellt fest, dass die Energiewende in Berlin mit dem Stadtwerk einen Namen bekomme. Keiner der rot-rot-grünen Redner erklärt allerdings, warum sich diese 600.000 bislang nicht viel stärker auch praktisch für eine solche Energiewende entschieden und Ökostrom beziehen. Der macht nämlich derzeit nur 3,7 Prozent des Berliner Stromverbrauchs aus, womit die Hauptstadt bundesweit Schlusslicht ist – Zahlen, die der frühere Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) vorträgt.

Wie andere setzt auch Taschner, der Volksentscheider, der Parlamentarier wurde, auf den günstigen Preis des Stadtwerk-Stroms, der viele auf öko umzusteigen lassen soll. Die „Entfesselung“ des Unternehmens geht nun in die Ausschüsse, bevor das Parlament sie endgültig beschließt. Dann wird es so sein, wie Taschner es schon vor fünf Jahren wollte, „und nicht so ein Bonsai-Stadtwerk wie derzeit“.

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