Abgeordnetenhaus debattiert über BER: Auch eine Odyssee geht mal zu Ende
Die Irrungen des BER sollen nach amtlichem „Okay“ vorüber sein. Doch FDP-Fraktionschef Czaja will den Flughafenboss abstrafen – was der Senat ablehnt.
Kann das sein? Kann das sein, dass ein FDP-Fraktionschef so sauer darüber ist, dass ihm sein Lieblingsthema – ein angeblich nie funktionierender BER und der deshalb nötige Flughafen Tegel – durch die nun doch mögliche planmäßige Eröffnung verloren geht und er darum den dafür verantwortlichen Flughafenchef rauswerfen, konkret: beurlauben, lassen will? Kann nicht sein, das wäre ja absurd, fast eine der gerade so populären Verschwörungstheorien. Und doch: Wer Sebastian Czaja, den obersten FDPler im Abgeordnetenhaus, dort am Donnerstag reden hörte, konnte diesen Eindruck durchaus haben.
Nicht absurd, aber skurril waren schon die Umstände des Themas, das die FDP auf die Tagesordnung hatte setzen lassen. „Finanzieller Sinkflug der Flughafengesellschaft – fliegt in Berlin bald nur noch der Pleitegeier?“ Denn coronabedingt gibt es derzeit nur noch ein Prozent des früheren Flugbetriebs. „Ich bin mir nicht ganz so sicher, ob das ein Thema ist, das die Berliner gerade bewegt“, leitete denn auch CDU-Mann Christian Graeff seine eigene Rede ein.
Czaja aber bewegte es sehr. Er zitierte in der Debatte eine schon mehrere Wochen alte Studie, wonach die Flughafengesellschaft – sie gehört Berlin, Brandenburg und dem Bund – ein Sanierungsfall ist, fast 2 Milliarden Euro Zuschuss braucht und ohne dieses Geld vor der Pleite steht. Czaja legte nahe, die Öffentlichkeit sei lange Zeit falsch informiert worden. Der Senat müsse für Aufklärung sorgen, bis dahin rate er an, „die derzeitige Geschäftsführung der Flughafengesellschaft zu beurlauben“.
Die Geschäftsführung, das ist vor allem deren Boss, Engelbert Lütke Daldrup, der Bauexperte und vormalige SPD-Staatssekretär, der 2017 an die Spitze des Unternehmens kam. Dort schaffte er es, anders als alle seine Vorgänger, einen Eröffnungstermin zu nennen, den 31. Oktober 2020, und tatsächlich einzuhalten – Ende April kam das amtliche Okay. Czaja klang, als wollte er das einfach nicht glauben, als er eingestand, „auch wenn der Flughafen BER dann irgendwann vielleicht im Oktober doch eröffnet“.
Kollatz: Senat vertraut Lütke Daldrup
Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) wies Czajas Kritik und seine Forderung nach einer Beurlaubung Lütke Daldrups zurück. Das Gutachten beruht aus seiner Sicht auf falschen Annahmen und Zahlen. Sein erster Satz war: „Der Senat von Berlin hat Vertrauen zu Herrn Lütke Daldrup.“ Bei Czaja sah er Frust und einen Zusammenhang zwischen Lütke Daldrups Erfolg, der die jahrelange Kritik des FDP-Manns widerlegt, und der Forderung nach einer Beurlaubung. „Herr Czaja hat noch vor Kurzem behauptet, dass der Eröffnungstermin schon im Frühjahr 2020 krachend scheitern würde“, sagte Kollatz. Aus seiner Sicht wird es gelingen, dass der Flughafen nach der Coronakrise schwarze Zahlen schreibt.
Dass bei der Kritik an der langen BER-Geschichte der Vergleich mit einer Odyssee aufkam, jener mythischen Irrfahrt der griechischen Sagenwelt, fand Kollatz nicht falsch. Er verwies auf das Ende dieser Reise: „Odysseus kam an, er kam an.“
Was er hätte hinzufügen können: Der Flughafen ist in diesem Vergleich sogar schneller – Odysseus brauchte für seine Heimfahrt von Troja nach Ithaka zehn Jahre, die Eröffnung des Flughafens verzögert sich gegenüber dem mal für Ende 2011 geplanten Termin nur um neun.
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