Abgeordnete begehen endlich das SEZ: „Schon gar keine Ruine“
Das SEZ in Friedrichshain soll weg – angeblich ist der ehemalige DDR-Bau zu marode. Aber stimmt das? Damiano Valgolio war bei einer Begehung dabei.

taz: Herr Valgolio, Sie waren kürzlich mit anderen Mitgliedern des Abgeordnetenhauses bei einer von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) organisierten Begehung des Sport- und Erholungszentrums (SEZ), dem einstigen DDR-Prestigebau in Friedrichshain.
Damiano Valgolio: Ich war übrigens nicht als Sprecher für Arbeit und Wirtschaft dabei. Um das SEZ kümmere ich mich vor allem darum, weil ich im Wahlkreis Friedrichshain-West, wo das SEZ liegt, direkt gewählter Abgeordneter bin.
taz: Die Begehung wurde durch den Sportausschuss des Abgeordnetenhauses organisiert.
Valgolio: Als Linke hatten wir einen Antrag zum SEZ eingebracht und darin gefordert, es nicht einfach abzureißen, sondern es erst einmal begutachten zu lassen. Dieser Antrag ist unter anderem in den Sportausschuss überwiesen worden – das war der eigentliche Anlass für diese Begehung. Am 23. Mai wird unser Antrag wahrscheinlich im Ausschuss beraten.
taz: Ins SEZ hineinzukommen, war schon länger eine Forderung von Abgeordneten, um sich endlich selbst ein Bild von dem angeblich so maroden Gebäude machen zu können.
Valgolio: Wir haben schon länger Druck gemacht. Es hat etwas gedauert, doch dann haben sich Senat und WBM überzeugen lassen, uns endlich Einblick zu gewähren.
taz: Sie hatten alle Helme auf und wurden durch den ganzen Komplex geführt?
Valgolio: Ja, wir haben uns das gesamte Gebäude angeguckt, Schwimmhalle, Außenbereiche, Keller, Nebengebäude, Sporthalle und Verwaltungsgebäude, alles.

taz: Und, wie sieht das ehemalige Spaßbad im Inneren aus?
Valgolio: Für mich als Laie sah das Schwimmbad und auch der gesamte Gebäudekomplex eben aus wie ein Gebäude, das 45 Jahre alt ist, also überhaupt nicht heruntergekommen oder marode, schon gar keine Ruine. Ein öffentliches Gebäude, wie wir viele in Berlin haben, die in den 1970er Jahre gebaut wurden, wie viele Schulen und Verwaltungsgebäude, die noch ganz normal genutzt werden. Ich habe keine schweren Schäden an Decken oder Wänden oder anderen Stellen gesehen.
taz: Die WMB behauptet ja Gegenteiliges und veröffentlichte zuletzt Fotos, die Geröll, Schrott und Bauschutt zeigen.
Valgolio: Wir haben schon häufiger beim Senat und bei der WBM nachgefragt, in welchem Zustand der Komplex ist und warum alles so desolat sein soll, dass eine Restaurierung auszuschließen ist. Und das ist das Hauptproblem: Bis heute wird uns vom Senat nicht erklärt, in welchem Zustand das Gebäude ist – mit dem Argument, dass es darauf gar nicht ankomme, weil die Entscheidung ja schon gefallen sei, es abzureißen und auf dem Gelände neu zu bauen. Der Senat geht davon aus, dass die Sanierung des SEZ keine Option ist.
taz: Die Würfel sind gefallen.
Valgolio: Politisch ja. Rechtlich ist ein Abriss überhaupt nicht notwendig. Man könnte im Rahmen des Bebauungsplans von 2018 das SEZ sanieren und in seiner alten Bestimmung als Sport- und Freizeiteinrichtung weiter betreiben. Der eigentliche Skandal ist, dass sich der Senat weigert, das Gebäude von einem Sachverständigen näher untersuchen zu lassen, um zu ermitteln, wie der Zustand wirklich ist und was es kosten würde, den ganzen Komplex oder auch nur einzelne Bereiche instand zu setzen.
taz: Was lässt sich in dieser Situation noch machen?
Valgolio: Es bleibt eine politische Entscheidung. Solange die Abrissbagger noch nicht anrollen sind, ist das eine offene Frage. Der öffentliche Druck nimmt ja immer weiter zu. Weit über 10.000 Anwohnerinnen und Anwohner haben für den Erhalt schon unterschrieben. Und der Druck wird insbesondere dann zunehmen, wenn öffentlich wird, welche Kosten für den Abriss und den Neubau entstehen. Da bohren wir weiter nach.
taz: Es gab in der jüngsten Vergangenheit vage Signale eines Sinneswandels bei einigen Koalitionsabgeordneten …
Valgolio: … ob man nicht vielleicht doch überlegen kann, zumindest Teile des SEZ zu erhalten. Bei der Begehung hatte ich den Eindruck, dass einige Abgeordnete von CDU und SPD schon ein bisschen ins Grübeln kommen und die Debatte vielleicht wieder eröffnet werden kann. Gerade bei den sportpolitischen Sprechern entstehen durch die Begehung Fragezeichen. Die wissen natürlich genau, dass in Berlin massiv Schwimm- und generell Sportangebote und -flächen fehlen. Wenn die nun sehen, dass es mit dem SEZ Flächen gibt, die mehr oder weniger einfach wieder genutzt werden könnten, werden sie Fragen stellen, quer durch alle Parteien.
taz: In der Sporthalle, dem nördlichen Flügel des SEZ, der an der Danziger Straße liegt, wurde noch vor ein paar Jahren Badminton etc. gespielt. Wenn man durch die Scheiben blickt, kann man den relativ guten Zustand der Halle erkennen.
Valgolio: Ja, da sind die Tischtennisplatten noch aufgebaut. Da könnte man morgen aufschließen. Die Sporthalle ich sicher ohne große Veränderungen sofort wieder zu nutzen.
taz: Was entgegnen Sie Menschen, die meinen, dass Wohnungen, wie hier auf dem SEZ-Gelände geplant, ja aber auch wichtig sind?
Valgolio: Ja, eine verständliche Forderung. Aber es gibt ohnehin eine Machbarkeitsstudie, die hat der Senat bereits ausgeschrieben. Aber es ist völlig absurd, so eine Machbarkeitsstudie zu beauftragen und die naheliegendste Option, einen Erhalt oder wenigstens einen Teilerhalt des SEZ überhaupt nicht mit in Betracht zu ziehen. Vielmehr wird die Machbarkeitsstudie so ausgeschrieben, dass der Abriss des SEZ Voraussetzung ist. Das kann man keinem erklären, wenn man sich vor Augen führt, dass wir einen Mangel an Schwimm-, Sport- und Freizeitangeboten haben, bezahlbaren – gerade für Kinder. Wohnungsbau und Erhalt oder Teilerhalt des SEZ schließen sich nicht aus. Es gibt schon entsprechende Vorschläge, deshalb ist es so wichtig, die Machbarkeitsstudie zu öffnen.
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