Abfüllzentrum von Coca-Cola blockiert: „Wasser ist keine Ware“
In Lüneburg demonstrierten Aktivist*innen von Extinction Rebellion gegen einen Brunnen, mit dem Coca Cola vor Ort Grundwasser entnehmen will.
Anlass für die Aktion der Klimaschutzbewegung Extinction Rebellion (XR) war der Weltwassertag am Montag. Insgesamt protestierten in drei Gruppen rund 100 Menschen gegen die Privatisierung von Wasser vor den Zufahrten zum Fabrikgelände.
Konkret richtet sich der Protest gegen die von Coca-Cola betriebenen Brunnen in und um Lüneburg. Bislang fördern zwei Brunnen Grundwasser, das in der blockierten Anlage für die Marke „Vio“ abgefüllt wird. Ein dritter Brunnen ist derzeit im Testlauf. Die Aktivist:innen wollen den dauerhaften Betrieb verhindern.
Die nicht angemeldete Demonstration begann um neun Uhr. Die Polizei kam kurze Zeit später dazu, um den Protest zu beobachten, löste sie aber nicht auf. Das „hohe Recht der Versammlungsfreiheit“, sagt Polizeisprecher Kai Richter, müsse gewahrt bleiben.
Unter den Demonstranten war Jasper S. von der Lüneburger XR-Ortsgruppe. „Wasser ist ein Grundrecht und keine Ware“, sagt er. Es sei absurd, dass in der Klimakrise und mit sinkenden Grundwasserpegeln nach drei Dürrejahren in Folge diese Privatisierung erlaubt werde. Man müsse Coca-Cola „den Hahn abdrehen“, den dritten Brunnen sofort verbieten und die laufenden Lizenzen zur Grundwasserentnahme auslaufen lassen, fordert er von „Politik und Unternehmen“.
Keine Reaktion auf offenen Brief
Coca-Cola-Sprecherin Marlen Knapp reagiert mit Unverständnis auf diese Forderung: Das Unternehmen sei nur für 1,7 Prozent der gesamten Grundwasserentnahme im betroffenen Bereich verantwortlich. Außerdem werde nur Coca-Cola „Zielscheibe“ von Vorwürfen und „derartigen Protestaktionen und Angriffen“. Der Konzern nehme Bedrohungen wie Dürreperioden ernst und tue Einiges, um den Wasserverbrauch zu reduzieren. Seit 2015 habe man weltweit eine ausgeglichene Wasserbilanz. Das heißt, man gebe so viel sauberes Wasser in den Kreislauf zurück, wie man für die Abfüllung der Getränke benötige.
Die Kritik ist für XR jedoch grundsätzlicher. Es brauche neue Nachhaltigkeitskonzepte, die auf „ewig“ angelegt seien, sagt Jasper S. Sie hätten das Gefühl von der Politik „bewusst ausgeschlossen und ignoriert“ zu werden. Auf einen offenen Brief der Gruppe an Landrat und Oberbürgermeister habe es keine ernsthafte Reaktion gegeben. Deshalb wollten sie mit zivilem Ungehorsam „Druck auf die Straße bringen“ und so ihre „demokratische Stimme“ erheben, sagt Jasper S. Dass seine Mitstreiter:innen zu solch drastischen, aber friedlichen, Mitteln griffen, zeige die Dringlichkeit des Problems.
Jukka Kilgus, dessen Gruppe den nördlichen Zugang am Christian-Herbst-Weg blockierte, sagt, seine Gruppe habe ein paar „Müsliriegel“ mitgenommen, um die Blockade den ganzen Tag über aufrechtzuerhalten. Es war die kleinste der drei Gruppen. In ihrem Zentrum lag eine umgedrehte Badewanne, an die sich drei Leute gekettet hatten. Auch Kilgus fordert: Die Politik solle sich mit ihnen auseinandersetzen.
Emilia Püschel, Sprecherin der Stadt Lüneburg kann nachvollziehen, dass der dritte Brunnen die Lüneburger:innen beschäftigt. Das Thema Wasser gehe alle an, sagt sie. Der Stadtrat habe letzten Oktober diesbezüglich auch einen einstimmig angenommen Beschluss gefasst. Er fordert darin Land und Bund dazu auf, das Wasserschutzgesetz zu überarbeiten, um Kommunen mehr Handlungsspielraum zu geben und Nachhaltigkeit zu ermöglichen.
Große Auswirkungen hatte der Protest auf Coca-Cola nicht. Durch „Umstellungen in der Logistik“ habe man Ausfahrten ermöglicht, sagt Konzernsprecherin Knapp. Zu einem wirtschaftlichen Schaden hätten die Behinderungen nicht geführt.
Zumindest ist der Widerstand der Bürger:innen jedoch sichtbar. Mehrere Initiativen haben zudem zu einer Demo auf dem Marktplatz aufgerufen. Bis Redaktionsschluss blockierten die Aktivist:innen die Abfüllanlage weiterhin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin