Streit ums Grundwasser: Lüneburger gegen Coca-Cola
Coca-Cola will seine Mineralwasserproduktion in Lüneburg verdoppeln. Dagegen regt sich Widerstand.
Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich kein Wunder, wenn eine Online-Petition mit dem Titel „Unser Trinkwasser gehört uns – nicht Coca-Cola“ aus dem Stand heraus 69.000 Unterzeichner findet. Gestartet hat diese Petition Karina Timmann, Klimaschutzmanagerin in Uelzen, die hier aber privat agiert, weil sie mit ihrer Familie in Lüneburg lebt. Sie greift mit der Petition ein Anliegen auf, das die Bürgerinitiative „Unser Wasser“ seit Anfang des Jahres mit wachsender Medienresonanz verficht.
Doch so charmant die Erzählung vom Widerstand gegen den global agierenden Konzern ist – das Problem ist ein klein wenig komplexer. Das betonen auch die Gründerinnen der BI, Bettina Schröder-Henning und Cornelia Höllger, immer wieder: „Es geht nicht nur um Coca-Cola.“ Das Problem sind die Bestimmungen zur Wasserentnahme, die nicht mehr zeitgemäß seien.
In Lüneburg hat das für einige Verwerfungen gesorgt. Die Coca-Cola-Tochter Apollinaris Brands hat zunächst einmal eine Probebohrung und einen Pumpversuch beantragt. Der Lebensmittelkonzern betreibt schon zwei Brunnen in Lüneburg, aus denen jährlich 350.000 Kubikmeter Wasser für die Mineralwassermarke Vio, Vio Saftschorlen und Biolimonaden gefördert und abgefüllt werden.
Probebohrung oder Fakten schaffen?
Seit einiger Zeit ist Apollinaris auf der Suche nach einem Standort für einen dritten Brunnen, um die Menge zu verdoppeln. Die Wahl fiel auf Gut Brockwinkel in der Gemeinde Reppenstedt. Auf das Grundwasservorkommen in 200 Meter Tiefe ist Coca Cola auch deshalb so scharf, weil es uralt und praktisch frei von menschlicher Kontamination ist. In den Proben finden sich weder Antibiotika- noch Pestizidrückstände.
Um abschätzen zu können, wie sich die Förderung auf das Grundwasservorkommen in der Gegend auswirken würde, muss Coca Cola nun einen Pumpversuch anstrengen. Die Bedingungen unter denen das passiert, haben aber erst recht für Unmut gesorgt: Um den Betrieb unter realen Bedingungen abbilden zu können, wird der Brunnen gleich komplett gebaut – für die Anwohner sieht das nach „Fakten schaffen“ aus.
Das Gutachten, mit dem die Auswirkungen betrachtet werden, muss von Coca Cola in Auftrag gegeben und bezahlt werden. Und: Das hochgepumpte Wasser, immerhin 118 Millionen Liter im Laufe von 70 Tagen, wird ungenutzt in einem nahe gelegenen Wasserlauf „entsorgt“. Weil das Ganze aber eben nur ein Versuch ist, ist eine Beteiligung der Öffentlichkeit nicht vorgesehen.
Seit die lokale „Landeszeitung“ davon Wind bekam, reißt die öffentliche Debatte aber nicht ab. Und die sehr umtriebige Bürgerinitiative „Unser Wasser“ lässt nichts unversucht, um auf allen zuständigen Ebenen – Rat, Kreistag, Landtag und Landesregierung – für ein klügeres und nachhaltigeres Grundwassermanagement zu werben und den Brunnen doch noch zu verhindern. Für Freitag, 28. August, haben sie in Lüneburg eine große Demonstration angemeldet – mit eigens bedruckten Regenschirmen als Corona-Abstandshalter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden