piwik no script img

ARD-Themenabend zu GeheimdienstenDie gute Deutsche

Daniel Harrich hat einen Film und eine Doku über die Auslandsgeheimdienste gedreht. Eine Debatte wird er dieses Mal wohl nicht auslösen.

BND-Agentin Jana Wagner (Christiane Paul) mit Kollege Nicholas Krüger (Heiner Lauterbach) Foto: SWR/Diwafilm

Daniel Harrich nennt am Premierenabend in Berlin seine Spielfilme „die Verpackung“. Der dokumentarische, der investigative Ansatz sei sein eigentliches Anliegen. Der Film – an diesem Mittwochabend „Saat des Terrors“ – hüllt also die Informationen, die Fakten ein. Er soll neugierig machen und ein großes Publikum zur anschließenden Dokumentation („Spur des Terrors“) locken und Debatten auslösen.

Das klappte in den vergangenen Jahren regelmäßig überraschend gut: Harrichs 2013er Spielfilm „Der blinde Fleck“ und die anschließende Doku über das Oktoberfest-Attentat von 1980 führten zur Wiederaufnahme der Ermittlungen. 2015 folgte „Meister des Todes“ über illegale Waffenexporte deutscher Hersteller nach Mexiko. Über die Erkenntnisse aus Film und Doku diskutierte am Tag der Ausstrahlung gar der Bundestag. 2017 dann „Gift“ über gefälschte Medikamente. Wieder ein ganzer Themenabend mit anschließender Dokumentation.

Harrich verknüpft für die Spielfilme investigative Recherchen mit einer fiktionalen Handlung. Er hat damit unerforschtes Terrain betreten, Streits ausgelöst, Preise gewonnen.

Im Film wirkt jeder Dialog wie ein kleiner Volkshochschulvortrag

Das Problem an diesem ARD-Themenabend: Die Verpackung, also der Spielfilm „Saat des Terrors“, ist so unansehnlich und lieblos, dass, bekäme man ein Geschenk im Laden so über die Theke gereicht, man würde das Ganze zu Hause aufreißen, das Geschenkpapier verbrennen und das Ganze lieber selbst verpacken.

Stereotype Frauenrollen und schlechte Dialoge

Die Hauptprotagonistin in „Saat des Terrors“ ist die deutsche BND-Agentin Jana Wagner (Christiane Paul). Sie arbeitet in Pakistan, lernt dort den neuen Geheimdienstchef Kashif Baqri (Navid Negahban) kennen. Der Oberst, ausgebildet in Deutschland, schwärmt ihr von Marzipan vor. Die menschliche Seite hinter dem bösen, feisten Grinsen zeigen, immer wichtig. Ihm liefert sie Informationen über einen bevorstehenden großen Drogendeal. Bedingung: Die Pakistaner sollen die Beteiligten nicht töten, sondern den ausländischen Geheimdiensten, den Partnern, überstellen. Machen sie natürlich nicht. Sie knallen alle kaltblütig ab. Wagner muss es mit ansehen, rastet aus und verliert die Fassung.

Film und Doku

Dramafilm ("Saat des Terrors") und Doku ("Spur des Terrors"), Mi., 21.11., ab 20.15 Uhr, ARD

Kurz darauf trifft sie sich wieder mit Oberst Baqri. Privaterer Rahmen. Sie schenkt ihm Marzipan. Er grinst wieder: „Aah, Sie kennen meinen Schwachpunkt.“

Und schon sind wir bei all den Schwachpunkten dieses Films. Warum antwortet Wagner zum Beispiel nicht: „Ja, Sie haben von Ihrer Marzipanliebe erzählt. Gestern.“ Nein, stattdessen stößt sie mit ihm an: „Auf Deutschland, auf Sie“, sagt er. „Auf ein friedliches Pakistan“, sagt sie.

Die Doku ist das Geschenk

Wagner kämpft für den Frieden. Alle anderen spielen doppelte und dreifache Spiele – mit anderen Geheimdiensten, mit Informanten, mit Terroristen. Wagner scheitert immer wieder am System und zeigt dabei Emotionen, die – man möchte fast sagen: selbstverständlich – nur die Frau in diesem Film zeigt. All die männlichen Kollegen um sie herum schauen dem diabolischen Treiben lachend bis gleichgültig zu, haben sich immer im Griff, nur sie nicht. Sie ist aufbrausend, am Boden zerstört, mal alles gleichzeitig, sie arbeitet die Nächte durch, kurz: Sie ist wie Carrie Mathison aus „Homeland“. Nur ineffektiver und weicher und schlechter: Sie ist ja auch nur beim BND und nicht bei der CIA. Und sie, weil aufrecht und ehrlich und gut, spielt natürlich kein doppeltes Spiel. Tja, Pechsache. So ist sie halt, die naive, emotionsgesteuerte Frau.

Alles gipfelt dann in den Terrorangriffen auf Mumbai in Indien. 2012 brachten dort zehn Terroristen 166 Menschen an fünf Orten um. Im Film konnte das nur passieren, weil niemand auf Wagner gehört hat. Also darf sie in diesem Film, in dem jeder Dialog wie ein Volkshochschulvortrag wirkt, in einer Art Ausschuss das Schlusswort halten. Ehre, wem Ehre gebührt: „Unsere Sicherheitsbehörden sind mitverantwortlich für das, was jetzt in unseren Städten in Europa passiert.“ Wir hätten geglaubt, unser Lebensmodell exportieren zu können. „Anstattdessen haben wir den Terror importiert. Den Preis dafür zahlen wir alle.“ Amen.

Die anschließende Doku, also das Geschenk, ist dann übrigens deutlich spannender und informativer als die Verpackung. Präsent schlägt also Umschlag. Immerhin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Habe den Film gesehen und kann den Verriss nicht nachvollziehen, vorallem bei so einem schwachen Beispiel...

    ...Warum antwortet Wagner zum Beispiel nicht: „Ja, Sie haben von Ihrer Marzipanliebe erzählt. Gestern.“ Nein, stattdessen stößt sie mit ihm an: „Auf Deutschland, auf Sie“, sagt er. „Auf ein friedliches Pakistan“, sagt sie.



    -



    Alles im Grünen Bereich - so what?

  • Nun ja, mit 5 Mio Sehern und über 3 Mio bei der Doku, kam das Programm beim Zuschauer besser an, als bei der taz......

  • Aufrecht, ehrlich, gut und naiv - hört sich an wie der typische Deutsche.

  • Nach so einem formidablem Verriss mit gesäbeltem Schmiss. bleibt als Linderung nur, sich selber ein Bild zu machen. Die Figur "Wagner" in Frauengestalt beim Namen genommen, übrigens trefflich gewählt, als Adaption auf den hochemotionalen Revolutionskoloss Richard Wagner seit und in der 1848er Revolution damaliger Standort Dresden, seine späteren Opern, Arien in Bayern, dem nachrevolutionären Götterdämmerungs Bohème Exil, drängt sich dem Publikum als möglicherweise lebensnah raffiniert inszenoiert identitätsstiftend auf, weiß doch das Publikum hinsichtlich Kontext "Staat und Terror" mit staatlich geheimen Ambitionen auf weltweit Terror Saatguthandel als militante Kehrseite von Drogen- , Waffenhandel gefühlt stets besser als die Dienste an der unsichtbaren Front selber, was deren Befugnis, Auftrag zu sein hat, was nicht. Und überhaupt von der Sache der Demokratie auf allen gesellschaftlichen Ebenen her, Politik, Parteien, Gewerkschaften, Verbänden, Kirchen, Wirtschaft, Kultur, Sport, Medien, Forschung, Wissenschaft, Lehre sowieso, was , fern von Kirchen, Gewerkschafts, Verbands, Partei Geheimdiensten wie im Kalten krieg, für staatliche Geheimdienste Innen, Außen Militär in ausgelagerter Kooperation mit privaten Diensten in Grauzonen und uns das Beste ist, ihre Auflösung in Wohlgefallen, Heiterkeit zur Vierten Gewalt "Pressefreiheit der Medien, Meinungs- und Informationsfreiheit der Bürger*nnen. Kyrie Eleison.