AKKs Nordsyrien-Vorstoß: Skurriler Vorschlag

Mit einem UN-Mandat wäre ein internationaler Militäreinsatz in Syrien völkerrechtskonform. Aber es gibt bessere Mittel mit weniger Fragezeichen.

Annegret Kramp-Karrenbauer steht vor Soldaten

AKK bei Bundeswehrsoldaten und kurdischen Peschmerga im Nordirak Foto: dpa

Es ist sicher nicht alles schlecht am Vorschlag von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, einen internationalen Militäreinsatz in Nordsyrien zu starten. In ihren Fernsehinterviews, in denen sie Nation und den Koalitionspartner von ihrem Plan unterrichtete, blieb die CDU-Politikerin zwar vage. Zentrale Fragen lässt sie vorerst unbeantwortet. Einige Punkte, die für ihren Vorstoß sprechen, lassen sich trotzdem herausfiltern.

Erstens: So ein Einsatz böte einen Ausweg für die syrischen Kurden, die derzeit nur wählen können, ob sie ihre Selbstverwaltung von türkischen, syrischen oder russischen Truppen zerschlagen lassen. Zweitens: Sollte Russland in Nordsyrien zur Zusammenarbeit bereit sein, böte sich die Möglichkeit, den Ost-West-Konflikt ein Stück weit zu überwinden und gemeinsam konstruktiv an einer Konfliktlösung zu arbeiten. Und drittens: In diesem Fall wäre sogar ein UN-Mandat und damit eine völkerrechtskonforme Lösung denkbar. Das multilaterale System wäre entgegen dem Trend gestärkt.

Und doch ist Kramp-Karrenbauers Vorschlag im Kern skurril. Anlass für den Vorstoß ist der völkerrechtswidrige Angriff des Nato-Mitglieds Türkei auf die Kurdengebiete, seine Folgen für die Bevölkerung und für den Kampf gegen den IS, der in der Region eigentlich schon entschieden war. Das Gegenrezept der Verteidigungsministerin ist eine internationale Schutzzone in Syrien, die sie im Rahmen der Nato vorantreiben und wohl auch mithilfe von Nato-Soldaten durchsetzen möchte. Das Militärbündnis soll mit hohem Aufwand glattbügeln, was ein Bündnismitglied selbst sehenden Auges angerichtet hat.

Es gäbe innerhalb des Bündnisses auch andere Mittel mit weniger Kosten und weniger Fragezeichen als Kramp-Karrenbauers Schutzzone. Die Nato könnte anfangen, ernsthaft auf den Bündnispartner Türkei einzuwirken und ihn an die vermeintlichen gemeinsamen Werte und an die eigene Verantwortung zu erinnern. Ein erster Schritt wäre es, wenn Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die türkische Regierung klar zum Rückzug auffordern würde. Bisher äußert er öffentlich nur „Bedenken“ gegen den türkischen Angriff – und betont gleichzeitig, dass die Türkei für das Bündnis unverzichtbar sei.

Die Nato-Mitglieder selbst könnten den Druck erhöhen, indem sie ein striktes Waffenembargo gegen die Türkei verhängen – anstatt nur, wie bisher, neue Antrage auf Rüstungsexporte unbearbeitet zu lassen. Gleichzeitig könnten sie der türkischen Regierung an anderer Stelle sogar entgegenkommen, den türkischen Sorgen vor Angriffen aus Nordsyrien entgegenwirken und Hilfe anbieten – durch Nato-Soldaten auf der türkischen Seite der Grenze.

Hätte die Nato rechtzeitig einen solchen Kurs eingeschlagen, hätte sie den türkischen Präsidentetn Erdoğan möglicherweise vom Einmarsch abhalten können. Die kurdischen Gebiete in Syrien wären noch immer die relativ stabile und relativ demokratische Insel, zu der sie sich in den letzten Jahren entwickelt hatten. Kramp-Karrenbauers Vorschlag wäre gar nicht erst nötig geworden.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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