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AK VorratHeftiger Streit unter Datenschützern

Vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) spaltet sich ein Aktionsbündnis ab - wegen Streitigkeiten unter den Aktivisten. Der Newcomer stiftet Verwirrung.

"Freiheit statt Angst" heisst der neue AK - genauso wie die Großdemo, die der AK Vorrat im letzten Jahr organisierte. Bild: dpa

FREIBURG taz Der bisher so erfolgreiche Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) hat sich faktisch gespalten. Einer der Hauptaktivisten, Ricardo-Cristof Remmert-Fontes, hat sich mit einem bisher noch kleinen Aktionsbündnis Freiheit statt Angst (Aktion FSA) selbständig gemacht und sorgt unter Bürgerrechtlern für ziemliche Verwirrung.

Der AK Vorrat wurde 2006 gegründet, um die Vorratsdatenspeicherung aller Telefon- und Internet-Verbindungsdaten zu verhindern. Das Gesetz trat zwar Anfang 2008 in Kraft, doch in Karlsruhe ist noch die vom AK Vorrat initiierte Verfassungsbeschwerde anhängig, die von rund 34.000 Menschen getragen wird.

Der 31-jährige Soziologe Remmert-Fontes hat in den letzten achtzehn Monaten - ohne Bezahlung - seine ganze Arbeitskraft in den AK Vorrat gesteckt. Dementsprechend prägend war er für den losen Zusammenschluss von Bürgerrechtlern und Datenschützern.

Schon lange werfen ihm aber viele Mitstreiter auch Profilierungssucht und Eigenmächtigkeiten vor. Remmert-Fontes räumt ein, dass er häufig ohne Absprache gehandelt hat. "Wenn monatelang ergebnislos diskutiert wird, dann bin ich oft einfach nach außen gegangen und habe zum Beispiel einen Aktionstag ausgerufen", sagte er gestern zur taz. Der Erfolg des AK Vorrat habe seine unkonventionellen Methoden rechtfertigt.

Auf Dauer ging das aber nicht gut. Im November wurde Remmert-Fontes von seinen Kollegen nahegelegt, nicht mehr für den AK Vorrat zu sprechen. Der Aktivist reagierte auf seine Art und gründete eigene Vereine. In Berlin entstand ein "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Berlin e. V.", so dass es nun zwei Berliner Ortsgruppen gibt. Und auf Bundesebene rief er das Aktionsbündnis Freiheit statt Angst ins Leben. Remmert-Fontes findet seine Gründungen konsequent, denn schon immer hatte er die nach seiner Ansicht "undemokratischen und intransparenten" Strukturen des AK Vorrat kritisiert, der nicht einmal ein eigenes Konto habe.

Für den AK Vorrat ist die Situation brenzlig. Zum einen sorgt Remmert-Fontes für Namensverwirrung, denn "Freiheit statt Angst" war immer das Motto der AK-Demos. Außerdem ist die Planung einer Großdemo vor der Bundestagswahl in Gefahr, da Remmert-Fontes Aktionsbündnis alle in Frage kommenden Tage und Routen bereits für sich angemeldet hat.

Der im AK Vorrat aktive Blogger Markus Beckedahl (netzpolitik.org) hat den Konflikt jetzt öffentlich gemacht, auch um weitere Missverständnisse in der Öffentlichkeit zu verhindern. Denn weithin wird Remmert-Fontes immer noch als Vertreter des AK Vorrat angesehen. "Wir haben monatelang versucht, Brücken zu bauen, aber Ricardo-Cristof ist inzwischen völlig verblendet", sagte Beckedahl zur taz.

Remmert-Fontes aber hat Großes vor: Bald soll das Aktionsbündnis zwei bis drei hauptamtliche Kräfte finanzieren, natürlich auch ihn. Der geplante Jahresetat für 2009 beträgt rund 180.000 Euro. Doch bisher sind erst ganze 275 Euro an Spenden eingegangen. Das Bündnis besteht bisher im Wesentlichen aus Remmert-Fontes, seinem Kollegen Lotar Küpper und einer Handvoll Unterstützer.

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10 Kommentare

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  • A
    andre

    Der Ricardo hat ein Recht seine eigene Organistion aufzubauen um die Debatte voran zu treiben. Das finde ich ausserordentlich positiv. FSA kann dann ja im AK Vorrat mitmachen wie Foebud und all die anderen auch. Letzten Endes ist Organisation in der Zivilgesellschaft immer nur Mittel zum Zweck.

  • K
    kulturarbeiter

    Der AK hat definitiv Strukturprobleme und dies auch selbst erkannt. Das hierbei, das zeigt die Entwicklung verschiedener politischer Gruppen wie Grüne, Greenpeace oder attac, "Porzellan zerschlagen" wird, ist vielleicht zwangsläufig.

     

    Eins der Strukturprobleme betrifft die Kommunikation via Mailinglisten, von denen der netzaktive Protagonist schon seit der "Rohrpost" weiß, das sie für den ordentlichen Diskurs nicht geeignet sind.

     

    Persönliche Diffamierungskampagnen sind aber, insbesondere wenn haltlos, einer Bürgerrechtsbewegung unwürdig. Die Strukturdebatte des AK ist an anderer Stelle (Berlin-Protokolle, Wiki etc.) gut dokumentiert und hatte auf diesen Artikel keinen Einfluss. Schade!

  • R
    Rainer

    Scheinbar weiss der Redakteur nicht, dass Ricardo Cristof kein Newcomer sondern ein Mitbegründer des AK Vorrat ist. Er hat sich schon seit langem für demokratische Strukturen im AK Vorrat eingesetzt. Berechtigt, wie die augenblickliche Diskussion über Wahlmanipulationen im AK zeigt.

    Sorgen wir lieber dafür, dass die Demo vor der Bundestagswahl größer wird als die im vergangnen Herbst!

    Also mitmachen: http://aktion-freiheitstattangst.org/

  • J
    Janette

    Remmert-Fontes versucht seit 2 Jahren die Strukturdebatte im AK Vorrat voranzutreiben und wurde mehr oder weniger nett ausgebremst. Insofern ist die Gründung des Aktionsbündnisses zur Vorbereitung der Demo gegen Überwachung durch eine Großteil der Berliner Ortsgruppe des AK Vorrat nur folgerichtig. Also lieber was tun als schmutzige Wäsche waschen. Schliesslich gibt es genug zu tun.

  • ME
    Maxim E.

    Ricardo Cristof Remmert-Fontes verfolgt offenbar in erster Linie finanzielle Ziele. Zumindest bekommt man diesen Eindruck, wenn man sich diesen Beitrag durchliest:

    http://www.blogfuerst.de/2009/03/aktion-fsa-und-

  • S
    smear

    zuviel mit sich selbst beschäftigt - allesammt und ohne ausnahme - hier geht es aber um mehr als um das eigene ego. schade. so wird nichts bewegt. auch nicht mit wochenlangen diskussionen.

  • FW
    Friedhelm Willemsen

    Nun ja, eigentlich kann man das nicht kommentieren. Remmert-Fontes hat viel getan sicherlich und vieles an Glaubwürdigkeit zerstört. Für mich ist diese Gangart nicht tragbar. Ich hoffe sehr, dass sich sein "Aktionsbündnis" mangels Masse bald erledigt hat. Verwirrend ist es allemal.

  • A
    AKler

    Dass ausgerechnet Remmert-Fontes dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung "undemokratische und intransparente Strukturen" vorwirft ist natürlich pikant – hat er sich doch weder konstruktiv an Strukturdiskussionen beteiligt, noch ist er selber durch sonderlich demokratisches und transparentes Handeln aufgefallen. Speziell das intransparente und undemokratische Verhalten seinerseits war dann auch der Hauptgrund der Verstimmungen, die letztlich zur Spaltung führten.

  • RB
    Ralof Bendrath

    Wenn aus einem großen Bündnis ein paar wenige Leute rausgehen und etwas eigenes aufmachen, ist das keine "Spaltung". Insofern ist hier der AK Vorrat auch recht entspannt. Viele von uns sehen solche Ausdifferenzierungen in der wachsenden Datenschutzbewegung auch als wichtig und richtig an. Ein Problem gab es nur, weil diese Neugründung unter dem Slogan der bisherigen AK-Bündnisaktionen segelt und somit gezielt den Eindruck erweckt, das sei nun der AK Vorrat oder seine Nachfolgeorganisation.

     

    Grüße, Ralf Bendrath (AK-Vorrat Gründungsmitglied)

  • K
    Kommentator

    Interessanter Artikel.

     

    Profilierunsgssucht wird in JEDER basisdemokratisch organisierten Gruppe immer wieder mal Mitgliedern vorgeworfen.

    Auch anderen sehr Engagierten wohl. Solange aber alle wesentlichen Entscheidungen von unten entschieden werden halte, ich das für wenig problematisch.

     

    Das Herr Fontes da eigenmächtig handelte ist schade. Seine Etnscheidung sich abzuspalten auch - aber seine Sache. Eine Kooperation ist immer noch wünschenswert.

     

    Nicht ejder hat (leider!) Bock auf Demokratie.

    Wenn dennoch was bei rumkommt ist das dennoch toll.

     

    Aber eines hat ihr, liebe taz (und alle andern Artikelschreiber), völlig vergessen:

    Der Ak ist nur ein loses informelles Netzwerk, in dem der Bundes-ak wenig zu sagen hat. Da gehts um kleinere Beträge, Demorganisationen, Buscharterung.

    Also: verdammt viel Arbeit für wenig Macht.

     

    mfg, Kommentator