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AFDler Andreas Kalbitz in ErklärungsnotGrüße von Sebastian und Horst

Kurz vor der Landtagswahl belasten E-Mails aus der braunen Szene Brandenburgs AfD-Spitzenkandidaten. Er gibt sich unwissend.

AfD-Spitzenkandidat mit braunen Flecken: Andreas Kalbitz Foto: dpa

Hamburg taz | Eigentlich hat Andreas Kalbitz derzeit allen Grund zur Freude. Der Wahlkampf in Brandenburg läuft bislang ganz ordentlich für den Spitzenkandidaten der brandenburgischen AfD, der zu den Köpfen des völkisch-nationalistischen „Flügels“ gehört. Gerademal eine Woche vor der Landtagswahl liefert sich die von ihm geführte Rechtsaußenpartei in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD um den ersten Platz im Land.

Doch nun könnte Kalbitz seine nicht stubenreine Vergangenheit einholen. Denn der 46-jährige Rechtsausleger war offenbar noch tiefer in die braune Szene verstrickt, als bislang bekannt.

Es geht vorrangig um seine Beziehungen zur Heimatreuen Deutschen Jugend (HDJ). Dass er 2007 ein Pfingstlager des zwei Jahre später verbotenen neonazistischen Vereins besuchte, ist schon seit dem Frühjahr vergangenen Jahres bekannt. Er habe sich nur mal dessen Jugendarbeit anschauen wollen, rechtfertigte Kalbitz seine „Stippvisite“. Jetzt aber weist eine E-Mails darauf hin, dass die Kontakte wohl doch enger gewesen sind.

Dabei handelt es sich um ein Schreiben des letzten „Bundesführers“ der HDJ, Sebastian Räbiger. Sechs Wochen nach dem Verbot versendete Räbiger eine persönliche E-Mail, die an sieben Adressaten ging. Einer davon: Kalbitz. Die anderen Empfänger der E-Mail vom 12. Mai 2009 – die dem Spiegel, dem Tagespiegel und der taz vorliegt – kommen aus dem engsten Umfeld der HDJ, darunter auch eine Frau von der rechtsextremistischen Gemeinschaft Deutscher Frauen und ein NPD-Mitglied.

In der Nachricht, die auch an die NPD-Zeitung Deutsche Stimme ging, schreibt Räbiger: „moin, für die, die es interessiert. mittwoch 19-21 Uhr www.netzradio-germania.de noch ein paar Dinge zur hdj und zum drum herum. ich hoffe, es nichts wichtiges geschnitten wurde, gruß s“.

Gegenüber dem Spiegel sagte Kalbitz: „Mir ist eine entsprechende Mail von vor zehn Jahren nicht bekannt.“ Muss man das glauben? Schon die Angaben des gebürtigen Müncheners über seinen vermeintlich harmlosen Pfingstlager-Abstecher ins niedersächsische Eschede 2007 werfen Fragen auf.

In kurzer Hose unter Kameraden

Wie ein Video belegt, bewegte sich der Ex-Fallschirmspringer nicht gerade wie ein Fremdkörper in dem HDJ-Camp. Mal begrüßte er zwei zünftig gekleidete Kameraden, mal eine junge Frau im langen Rock. Auch mit der Ehefrau des NPD-Politikers Joachim Nahtz plauderte er. In olivgrünem T-Shirt und kurzer Lederhose mit Koppelschloss-Gürtel schlenderte Kalbitz an der provisorischen Feldküche und der Feldtoilette vorbei durch das extra aufgebaute Holztor mit der Botschaft „Der Heimat und dem Volke treu“.

In die Bredouille bringt Kalbitz aber noch eine weitere E-Mail. Diesmal geht es um den einschlägig bekannten Holocaustleugner Horst Mahler.

Kalbitz wirkte auf dem Treffen der HDJ nicht wie ein kritischer Beobachter, tauschte sich eher mit Jugendlichen und Erwachsen angetan aus. Zwei Jahre später wurde die HDJ, die sich in der Tradition der Hitler-Jugend sah, wegen ihrer „aktiv-kämpferischen Grundhaltung“ und „dem Nationalsozialismus wesensverwandter Ideologie“ verboten.

Kann es da der Wahrheit entsprechen, wenn Kalbitz behauptet, es sei ihm bei seinem Besuch nicht klar gewesen, dass die HDJ vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft war?

Die HDJ organisierte ihre Fahrten und Lager im Geheimen. Kein Termin war öffentlich ausgeschrieben. Die Aussteigerin Heidi Benneckenstein, die in eine rechtsextreme Familie hineingeboren und zur HDJ geschickt wurde, erzählt das so: „Ziel war es, dass wir später Führungspositionen in der Bewegung einnehmen. In der Regel hielt sich die HDJ bedeckt, um keinen Ärger mit der Polizei zu bekommen. Unsere Lager waren meist abgeschieden von Städten, wir gaben uns als Pfadfinder aus oder als Katholische Deutsche Jugend.“ Anders gesagt: Nur wer zu diesem Milieu gehörte und wem vertraut wurde, nahm an den Veranstaltungen teil.

Post von Mahler

In die Bredouille bringt Kalbitz aber noch eine weitere E-Mail. Diesmal geht es um den einschlägig bekannten Holocaustleugner Horst Mahler.

Am 4. August 2008 verschickte der eine Rundmail mutmaßlich an Vertraute. Mit im Verteiler: Andreas Kalbitz. Insgesamt ging das Schreiben an 276 Adressen – viele von der NPD, andere mit neonazistischen Wortspielen oder Kürzeln. In seiner Mail berichtet Mahler vom ersten Verhandlungstag gegen ihn am Landgericht Potsdam. Ein halbes Jahr später wurde der einstige APO-Anwalt wegen Volksverhetzung zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Die Nachricht Mahlers, die ebenfalls Spiegel, Tagesspiegel und taz vorliegt, ging an eine private, also nicht öffentlich bekannte Adresse von Kalbitz. Auch von dieser Mail will der allerdings nichts wissen.

Seit 2017 ist Kalbitz AfD-Fraktionsvorsitzender im Potsdamer Landtag, wo er schon mal „kleiner Himmler“ genannt wird. Den Posten hat er, genau wie den Vorsitz des Landesverbands, von Alexander Gauland übernommen, als dieser in den Bundestag wechselte. In den aktuellen Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen und von Infratest dimap liegt die AfD in Brandenburg mit ihrem Spitzenkandidaten Kalbitz zwischen 20 und 22 Prozent.

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11 Kommentare

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  • Sieh an, sieh an -



    im Landtag nennt man ihn schon mal den "kleinen Himmler".



    Und ich dachte bisher, niemandem außer mir fällt die physiognomische Ähnlichkeit auf (Bärtchen, Brille, Frisur - vielleicht sogar bewusst "gestaltet"). Noch die passende Schirmmütze dazu und man könnte einen Wiedergänger vermuten.

  • Wie naiv wollen wir denn sein? Kalbitz will an die Macht und an die Fleischtöpfe. Seine Kameraden im Geist sind zu wenig, also muss er sich wählbar für viele geben. Er will das parlamentarische System nutzen, um es "umzukrempeln'. Wie kann er mit dem Ziel ehrlich sein? Wer kennt keine Beispiele aus (Klein-) Stadt oder Firma, wo geschmeidig, verstellt und verlogen Ziele verfolgt werden?

  • Wir könnten Andreas Kalbitz in eine Falle locken, ihn zur Teilnahme an einem verdeckten linken OV Treff bewegen. Er wäre sofort politisch isoliert, könnte sogar von Linken gewählt werden. In dem Fall könnte er als neulinker Rechter Karriere machen, wäre seine braune Vergangenheit umgehend los.

  • Na ja, frag mich nur, inwiefern das seine Wahlwerte negativ beeinflussen soll. Das Ganze macht ihn wohl eher noch authentisch für einen AFD Wähler. Besser wäre ne Mail, die ihn mit Sea Watch in Verbindung bringt.

  • Mir scheint, der Volkgenosse Kalbitz ist während seiner 12-jährigen Bundeswehrzeit einige Male zu oft ohne Fallschirm abgesprungen und dann zu hart auf dem Boden aufgeschlagen.

    • @Super Erwin:

      Neulich gabs da im WDR einen Film zur Buwe zur Entstehung, Geschichte, Traditionen bis heute usw.



      Das war schon recht aufschlussreich. Angefangen mit den 12.000 NS-Offizieren, die dort wieder militärisch integriert wurden.



      Und natürlich auch ihren Geist einbrachten. Unter Leber gabs dann einen Traditionserlass und die Mühe um die "innere Führung" des Staatsbürgers in Uniform. Aber wohl doch nicht so erfolgreich, wie etliche Vorkommnisse nahelegen. Und Freiwillige als Militärangehörige sind mehr von rechterer Gesinnung als Einberufene. Da hilft wohl auch "Politunterricht" nicht. Der ehemalige NPD-Chef und Europa-Abgeordnete U.Voigt war ja auch Offizier vor der politischen Laufbahn.

  • Was muss im Gehirn eines Menschen falsch verdrahtet sein um diese Nazis für wählbar zu halten... immerhin ein fünftel der Bevölkerung!

  • 7G
    75064 (Profil gelöscht)

    Mir erklärt sich nicht auf Anhieb, wieso ein Mensch, der völkisch-nationale Auffassungen vertritt und aus der Neonaziszene stammt in der Bildunterschrift als Kandidat mit braunen Flecken und nicht als brauner Kandidat bezeichnet wird; aber vermutlich stelle ich ihn da unverdienterweise in irgendeine Ecke.

  • Tja, so ist das heutzutage mit der "Wahrheit":

    Donny Trump hat seine "alternativen Fakten", Xi Jinping seine "chinesische Geschichte" und die AfD halt ihre "andere Meinung", oder alternativ keine Erinnerung.

    Glaubt man der "Deutschen Stimme", dürfte dieser Kalbitz in Wirklichkeit gar nicht existieren. Zumindest bekommt man bei der Recherche seines Namens über die Homepage-eigene Suche keine Ergebnisse angezeigt. Sehr ominös, das Ganze...🤔

  • Er hat also von allem nichts gewusst. Hat Opa auch gesagt nachdem er die SS-Uniform auf dem Dachboden versteckt hat...

    Wäre Herr Kalbitz politisch wirklich so unwissend, dann traue ich ihm auch zu, dass wenn man ihm ein Hitler Bild zeigt und fragt wer das ist, antwortet: "Keine Ahnung... Charlie Chaplin?"

    Kauft jemand diesem Neonazi echt noch ab das er angeblich kein Neonazi ist?

    • @derSchreiber:

      Beweise erstmal dass es NICHT Chaplin ist 😉