ADAC zweifelt an Verfassungsmäßigkeit: Autoschild-Scanning illegal
Fast alle Bundesländer verstoßen beim Erfassen von Kfz-Kennzeichen gegen das Grundgesetz. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten im Auftrag des ADAC.
Die automatisierte Erfassung von Autokennzeichen verstößt laut ADAC in acht Bundesländern gegen das Grundgesetz. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Kasseler Rechtsprofessors Alexander Roßnagel, das der Auto-Club in Auftrag gegeben hatte. Roßnagel kritisiert darin vor allem die Unverhältnismäßigkeit des Verfahrens. Das Scannen sei ein "massiver Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung". Insbesondere das verdeckte Erheben der Daten greife stark in die Grundrechte ein. "Dadurch wird den Betroffenen die Möglichkeit genommen, die Rechtmäßigkeit der Kontrollmaßnahme zu überprüfen oder überprüfen zu lassen und sich gegen rechtswidrige Maßnahmen zu wehren", heißt es in dem Gutachten.
Auch Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz, macht das Scannen der Autoschilder Sorgen: "Das ist ein weiterer Stein im Mosaik der vollständigen Überwachung."
In neun Ländern ist das Scannen von Autoschildern bisher gesetzlich geregelt. Dazu gehören Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bayern. Dabei erfasst die Polizei mit mobilen oder stationären Videogeräten die Kennzeichen aller vorbeifahrenden Autos. Diese werden elektronisch mit Fahndungsdatenbanken abgeglichen.
Gegen den Einsatz der Scanner haben Autofahrer aus Hessen und Schleswig-Holstein vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, ein Urteil wird im Frühjahr erwartet. Bei einer ersten Anhörung im November 2007 hatte der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) die Kritik als übertrieben zurückgewiesen. Das Scannen sei ein "Grundrechtseingriff an der Bagatellgrenze". Das Gutachten kommt zu einem anderen Ergebnis. Einzig in Brandenburg sei das Gesetz zur Kennzeichen-Erfassung verfassungskonform. In allen anderen Ländern würde die Erfassung von Kennzeichen ermöglicht, ohne die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vollständig zu erfüllen. Das Gesetz von Rheinland-Pfalz wird von Roßbach besonders gerügt. Es erlaube die Speicherung sämtlicher erhobener Daten für den Zeitraum von zwei Monaten, während die anderen Länder zumindest die "Nicht-Treffer" unverzüglich löschen wollten. Der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) nannte das Gutachten falsch. Der rechtliche Befund von Roßnagel erwecke den Eindruck "nicht hinreichend sorgfältiger Recherche". Zu den Rechtsbrüchen habe es gar nicht kommen können, da die rheinland-pfälzische Polizei ein solches Scanning noch nie durchgeführt habe. Darüber hinaus würden den Polizeibeamten im Fall eines Scanner-Einsatzes ausschließlich Treffer angezeigt werden. Daten von unbeteiligten Bürgern könnten somit nicht gespeichert werden.
Für den Datenschutzbeauftragen Schaar ist der Sinn des Scanning-Verfahrens insgesamt zweifelhaft. "Die Trefferquote ist 0,03 Promille", sagt er. Und die ermittelten Delikte seien ohnehin meist Bagatellen - "wie Probleme mit der Haftpflicht."
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